Simple Chemistry - II

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Ivory

»Es heißt: Pardon Madame Capwell«, fachsimpelte ich fröhlich vor mich hin, da ich Französisch liebte. Es war so weich und harmonisch zu sprechen - wenn man es konnte. Und die gesamte 10c konnte es nicht.

Malibu Ken, der -wie ich jetzt nach zwei Tagen wusste- eigentlich Jaden hieß, stöhnte genervt und äffte mich leise nach. Ruckartig sah ich in seine Richtung und verengte meine Augen. »Malibu Ken, antreten maintenant

Als er vor mir stand und meinem Blick auswich, hielt ich ihm meine Hand fordernd entgegen. »Handy her.«

»Was? Warum?!«

»Weil Pudding keine Gräten hat - Junge, ich bin Lehrerin. Ich kann Schüler versklaven wie ich will; was denkt ihr warum ich Lehrerin geworden bin?«, lachte ich sarkastisch, rutschte vom Pult herunter auf dem ich gerade noch saß lief darum herum zu meinem Notebook. Entspannt kramte ich ein USB Kabel aus meiner Tasche und stöpselte es an meinem Notebook und Jaden's Handy an. »Also le monde, wer will alles Jaden's Fotos sehen? Dank dem Beamer in full HD.«

Alles brach in schallendes Lachen aus, außer Jaden, der nur vollkommen perplex mit offnem Mund da saß. »D-das können Sie nicht machen! Das ist... wie hieß dieses eine Gesetz da noch mal? Das mit der Privatsphäre«, versuchte er sich aus meinem imaginären Würgegriff zu retten. Aber ich stand nur da und hatte meine Arme unbeeindruckt vor meiner Brust verschränkt. Netter Versuch Jaden. Wirklich nett.

Aber da das ja die kleine Schwester von Scheiße ist, tut's mir auch nicht leid.

»Vergiss es mon ami, erst entschuldigst du dich bei mir«, sagte ich und machte mich daran sein Handy zu entsperren. »Wer weiß seinen Code?«

»1116!«, rief Louis, ausgerechnet Jaden's bester Freund, und zeigte mir einen Daumen nach oben, als ich ihm zuzwinkerte und Jaden's Handy entsperrte und den Beamer einschaltete, sodass alle sehen konnten was ich an Jaden's Handy tat.

»Ey bitte Miss Capwell, das ist voll unfair von Ihnen! Und für was soll ich mich überhaupt entschuldigen?!«, jammerte Malibu Ken und versuchte mit einem Hundeblick bei mir zu landen.

»Nous parlons en français, Malibu Ken«, erinnerte ich ihn und klickte mich durch die ganzen Ordner in seinem Handy.

»Okay, okay! Chère Madame Capwell quel que soit je vous aie fâchéz, je suis désolé. S'il vous plaît, Madame Capwell! S'il vous plaît!«
(Wie auch immer ich sie verärgert habe, es tut mir leid. Bitte Miss Capwell! Bitte!)

Überrascht zog ich meine Augenbrauen hoch und bewegte den Courser von Ordner "Pics" weg. »Jaden... das war... wow.« ich klappte erfreut mein Notebook zu. Er stand auf und grinste, als ich sein Handy wieder vor ihm auf den Tisch legte und mich zu ihm vor lehnte. »Aber gib Louis sein Handy zurück, Google Übersetzter rettet dich auch nicht vor einer Fünf«, flüsterte ich schadenfroh, als Jaden mit Schrecken bemerken musste, dass ich seine Taktik durchschaut hatte.

»Wieso nur 'ne Fünf?«, fragte Louis grinsend, um Jaden aufzuziehen, der ihm einen Klaps auf den Hinterkopf geben wollte, Louis sich aber noch rechtzeitig von ihm weglehnte. »Weil die Idee nicht schlecht war. Nicht gut, aber auch nicht schlecht«, antwortete ich.

»Egal jetzt. Also, Bethany, Aufgabe vier; was sagst du, wenn du... den Weg nicht weißt? Zu mainstream. Was sagst du... wenn du einen süßen Franzosen ansprechen willst?« mal ehrlich, diese ganzen lahmen Beispiele waren ja mal ganz gut und schön, aber das war's auch. Um Unterricht für alle Anwesenden wichtig und trotzdem unterhaltsam zu machen, braucht es Fantasie. Und ungewöhnliche Beispiele - etwas, dass ich mit Leichtigkeit verbinden konnte.

📚

»Ivory Capwell!«, kreischte Erica durch das Lehrerzimmer und legte zum Ende hin einen triumphirenden Schwung in ihre Stimme, sodass ich fast meinen Kaffee fallen gelassen hätte und die Gläser meiner Brille zersprungen wären. In etwa so wie "Seht alle wie schlau ich bin, weil ich mir alle kompletten Namen merken kann".

»Erica Portman«, immitierte ich ihre Stimme und lächelte gekünstelt, doch anstatt des triumphierenden Schwungs, hörte man den Sarkasmus nur so triefen. Annika, die neben mir saß, schluckte ihre Nudeln betont langsam runter, während sie zwischen mir und Erica hin und her sah. Man konnte die Blitze zwischen unseren Augen förmlich zucken sehen.

Erica lachte schrill und warf sich ihre orangenen Haare über ihre Schulter, welche -zugegeben- eine wunderschöne Farbe hatten und perfekt saßen. Dennoch war sie die wohl grässlichste Frau die ich jemals in meinem Leben getroffen hatte. Ihre Brüste waren fast größer als mein Kopf. Und ausserdem tat sie so als wäre sie genauso alt wie ich; ich war vierundzwanzig und die jüngste Lehrerin an dieser Schule, Erica war über vierzig, was sie versuchte mit so viel Make-up und Anti-ageing Creme zu vertuschen, dass es schon fast aufdringlich war. »Ivory Süße, die Klassenfahrten der Zehnten stehen in zwei Monaten an und na ja, eigentlich sollte ich mit deiner Klasse nach Spanien fliegen aber... ich kann kein Spanisch-«

»Es heißt Katalan«, warf ich mürrisch ein.

»Ja, Katalan, sicher Ivory. Aber der Punkt ist: ich kann nicht mit. Und das obwohl sie nach Italien verlegt worden ist - warum auch immer. Und da du die Klassenlehrerin bist, wäre es doch die logischste Wahl wenn du...«

»Ich soll drei Wochen lang mit einem Haufen von dämlichen Idioten nach Italien. Allein. Ja, die logischste Wahl Erica«, sagte ich kühl und schlürfte den Rest meines Kaffees aus, was sie missbiligend zur Kenntnis nahm.

»Ach was, doch nicht allein. Du machst Witze Capwell!«, gackerte sie und klopfte mir auf die Schulter. »Du findest sicher noch jemanden der dir hilft. Ansonsten wird die Reise eben abgeblasen.«

Sie abzuwimmeln dauerte ewig. Aber die neuste Schuhkollektion aus Mailand interessierte mich eben nicht wirklich, denn meine Schuhe die ich hatte reichten mir völlig. Die letzten beiden Stunden, die ich noch unterrichten musste, tüftelte ich an einer Lösung, die in ihrer Quintessence auch relativ simpel war: dann muss eben noch jemand her, der mit nach Italien kommt. Und dieses Problem nahm ich noch am selben Abend, als ich wieder zurück in meiner gemütlichen Wohnung war, in Angriff. Ich fragte sämtliche Kollegen an, mit denen ich mir vorstellen konnte so lange auf verrückte Jugendliche aufzupassen - doch alle lehnten ab. Ehrlich, sie schoben die banalsten und abwegigsten Entschuldigungen und Gründe vor, was mich in den Wahnsinn trieb und langsam aber sicher, gab ich die Hoffnung auf. Nach vier Stunden erfolgsloser, deprimierender und mit Keksen gefüllter Herumfragerei, klappte ich mein Notebook zu, zog mir meine Nikes an und einen roten Longsleeve über das weiße Shirt, damit es auch zur dunklen Jeans passte.

Die salzige Luft hier unten am Strand tat gut. Sie war kühl und setzte die leuchtend orangene Sonne, die schon halb untergegangen war, perfekt in Szene. Der Sand fühlte sich warm unter meinen Füßen an und der leichte, warme Wind wehte ein paar Strähnen, die aus meinem Bun heraushingen, um mein Gesicht. Hier am Strand konnte man wieder klar denken. Und so war ich auch schließlich zu dem Schluss gekommen, dass ich -so schlimm und dämlich sie auch waren- meiner Klasse diese Reise nicht streichen konnte. Dort würden sie mehr lernen als in ganzen fünf Jahren Italienisch. Außerdem wollte auch ich mal wieder nach Italien, ich war schon lange nicht mehr dort gewesen. Granny und Gramps vermissten mich bestimmt schon. Also, die Würfel waren gefallen, ich würde alles versuchen um die verblödete 10c nach Italien zu schiffen - und wenn ich jeden einzelnen in einem Koffer schmuggeln musste!

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A/N: Ivory again :)

Sie ist doch so unfassbar süß, oder? Obwohl ihre Klasse es nicht verdient hat, will sie mit ihnen nach bella Italia...😊🍝🍕

Also Albertos Einsteinos und Maria Curias (man beachte die so italienische Endung...), ihr habt bestimmt schon eine Ahnung, wer am Ende mit nach Italia kommt...

Bis dahin, Tschau mit V,
~May&Bae

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