Kapitel 10: Besuchstag

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Am nächsten Tag wachte ich durch den Geruch von Kaffee auf. Grummelnd öffnete ich die Augen und setze mich im Bett auf. Verwirrt sehe ich mich um und dann fällt mir auch wieder ein, was gestern geschehen ist. Während ich meine Beine an meinen Körper heranziehe und die Arme um meine Knie schlinge, sehe ich mich in meinem neuen Schlafzimmer um. Viel zu sehen gab es hier nicht aber es ist in jedem Fall komfortabler als der Schlafsaal der Initianten. Ich schiebe die Decke zur Seite und verlasse das kleine Zimmer, durch eine halb geöffnete Schiebetür. Eric sitzt auf einem Stuhl und nippt an einer Tasse. Oh daher kommt also der Geruch nach Kaffee. Moment! Was zur Hölle macht Eric hier? Hatte er nicht gesagt, das hier wäre meine Bleibe? Ich gehe auf ihn zu und er beobachtet jeden einzelnen meiner Schritte. „Was machst du hier?" Eric hält mir seine Kaffeetasse hin und grinst mich an. „Dir auch einen schönen guten Morgen Sonnenschein." Ich rollte mit den Augen und greife nach der Tasse, um endlich einen Schluck zu trinken. „Das beantwortet nicht meine Frage." Eric zuckt mit den Schultern und steht langsam auf. „Ich habe dir deine Sachen gebracht Kleines." Mein Blick fällt auf die schwarze Reisetasche, neben dem Tisch und ich nicke leicht. „Danke", murmle ich mehr oder weniger in die Tasse und trinke noch einen Schluck. „Wir wollen ja nicht dass du deiner Familie nur mit meinem Shirt an gegenüber treten musst." Bitte was? Eric deutet auf mich und sofort geht mein Blick an meinem Körper hinab. Shit, ich trage tatsächlich nur ein Shirt und das geht mir gerade mal bis zur Mitte meiner Oberschenkel. Schnell stelle ich die Tasse ab und ziehe das Shirt tiefer. „Lass es Kleines, ich will nicht dass du mein Shirt gänzlich ausleierst." Es ist also tatsächlich sein Shirt. Aber warum trage ich sein Shirt? Mein Blick geht zum Schlafzimmer zurück und dort liegen meine Klamotten auf den Boden herum. Ah scheiße, ich hatte tatsächlich gestern vor Eric gekotzt und mich vollgesaut. Na toll! Ich gehe zu meiner Tasche und hebe sie vom Boden hoch. „Danke für deine Hilfe. Ich sollte mich jetzt lieber fertig machen. Wann kommen die Familien?" Sein Blick geht auf einen Punkt hinter mir. „In etwas über 1 Stunde." Ich nickte und ging in Richtung Badezimmer. „Eric...", ich drehe mich nochmal zu ihm um. „Keine Ahnung warum du dich gestern um mich gekümmert hast aber ich bin dir in diesem Fall tatsächlich Dankbar." Nun verschwinde ich aber ins Bad und mache mich für den Besuch der Familien fertig. Als ich 30 Minuten später endlich fertig bin, war Eric zum Glück nicht mehr da. Allerdings hatte er mir noch eine Nachricht auf dem Tisch liegen lassen, sowie einen Schlüssel und einen Apfel. „Iss was, bevor du auf deine Familie triffst." War das Einzige was darauf stand, kein Grußwort oder ähnliches aber so ist Eric nun mal. Kurzerhand setze ich mich an den Tisch und spiele mit dem kleinen Zettel herum. Irgendwann entscheide ich mich doch dazu den Apfel zu essen, wobei ich mich umsah. Das Zimmer war auch sehr karg nur eingerichtet aber es würde reichen. Am Ende der Initiation hätte ich eh eine eigene Wohnung zugewiesen bekommen und vermutlich würde diese auch nicht anders als das hier aussehen. Vielleicht kann ich mir es hier ja irgendwann gemütlich machen. Damit würde ich aber warten bis ich auch ganz offiziell ein Ferox Mitglied bin. Mein Blick ging zur Uhr und ich stand auf. Erst brachte ich noch den restlichen Apfel in den Mülleimer und dann nahm ich mir meinen Schlüssel. Schnell schließe ich die Tür hinter mir ab und mache mich dann auf den Weg in die Grube.

Schon von weitem konnte ich aufgeregtes Geplapper hören. Noch immer hatte ich Schmerzen und aus diesem Grund hatte ich auch nicht so wirklich Lust auf meine Familie zu treffen. Der kurze Blick vorhin in den Spiegel, hatte mir schon gereicht. Meine Nase war noch immer geschient und mittlerweile hatten sich blau-grüne Schatten unter meinen Augen gebildet. Vermutlich wird es nicht mehr lange dauern bis auch der Rest meines Gesichts aussieht wie eine Landkarte. Seufzend bog ich um die letzte Ecke und mischte mich dann unter die wartenden Initianten. Es dauerte nicht mehr lange und die ersten Familien wurden in die Grube geführt. Meine Familie war eine der Letzten die auftauchten und ich sah meinen Eltern direkt an, dass sie sich absolut nicht wohlfühlen. Benny allerdings kam sofort auf mich zu gerannt und ich ging in die Hocke um ihn zu umarmen. Einen Kuss drücke ich ihm aufs Haar und dann stehe ich wieder auf. „Was ist denn mit dir passiert", fragt meine Mom mich mit ihrer viel zu schrillen Stimme. „Nichts weiter, ich war einfach nur gestern beim Training ein wenig unachtsam. Tut überhaupt nicht weh." Zwar weiß ich genau dass meine Mom diese Lüge durschaut aber das interessiert mich nicht. Ich bin jetzt eine Ferox und demnach muss ich mich nicht mehr an die Regeln der Candor halten. Mein Bruder schlingt seine kleinen Ärmchen um meine Hüfte und ich schaue für einen Moment zu ihm runter. „Du musst auf dich aufpassen Jen." Plötzlich bemerke ich dass jemand hinter mir steht und so erschrocken wie meine Mom ausschaut kann es nur Eric sein. „Kann ich irgendwas für dich tun Eric?" Ganz kurz geht mein Blick über meine Schulter zu ihm. „Nein alles ist gut. Ich wollte mich nur kurz vorstellen." Was? Hatte er das gerade echt gesagt? Nun drehe ich mich doch etwas zu ihm herum, dabei drücke ich aber meinen kleinen Bruder an meine Seite um ihn zu beschützen. „Ich bin Eric, einer der Ferox Anführer und Trainer der Fraktionswechsler." Meine Eltern schüttelten seine Hand und dann geht er neben mir auf einmal in die Hocke, um meinen Bruder zu begrüßen. „Hey Großer, wer bist denn du?" Benny sah etwas ängstlich zu mir hoch und ich nickte nur, als Zeichen dafür das er ruhig mit Eric sprechen kann. „Ich bin Benny, der kleine Bruder von Jen." Mein Ausbilder lächelt ihn an. Oh mein Gott, hatte ich Eric überhaupt schon mal Lächeln sehen? Merkwürdigerweise wurde mir ganz warm ums Herz, doch das versuchte ich sofort wieder zu verdrängen. "Du bist gewiss Stolz auf deine Schwester nicht wahr?" Benny nickt leicht. „Sie hat bisher keinen einzigen Kampf verloren und ist echt gut beim Messer werfen." Nun musste ich Schlucken und damit es nicht weiter auffällt, dass ich mich über sein Kompliment freue, schaue ich zu meinen Eltern und lächle diese leicht an. „Wenn ich alt genug bin möchte ich auch ein Ferox werden." Sofort greift meine Mom nach Benny und zieht ihn zu sich rüber. „Bis dahin wird noch viel Zeit vergehen und wer weiß ob du dich dann nicht ganz anders entscheidest." Ein wenig genervt sehe ich zu meiner Mutter rüber. „Es ist am Ende seine Entscheidung und gerade du solltest es dir lieber nicht erlauben, ihn in seiner Wahl einzuschränken." Es macht mich wütend, dass meine Mom auf einmal so reagiert, nur weil Benny eben auch zu den Ferox möchte. „Du tust ja gerade so als wärst du die Mutter des Jahres!" Diese Worte fließen mir total verächtlich über die Lippen. „Wärst du eine richtige Mutter, dann wäre dir schon vor 5 Jahren aufgefallen, das ich damit begonnen habe mich für meinen Fraktionswechsel vorzubereiten." Ich werde an der Schulter berührt weswegen mein Blick kurz nach links ging. Eric, ihn hatte ich ja total vergessen. Er sieht mich einfach nur einen Moment schweigend an und ich nicke, in dem Wissen das er lediglich wollte dass ich mich beruhige. „Ich denke es ist besser wenn ihr nun geht." Mein Dad sieht mich traurig an und nickt dann aber. „Pass auf dich auf Kleines", meint er noch bevor Benny sich befreit und mich noch ein letztes Mal umarmt. „Ich hab dich lieb, vergiss das nie!" Flüstere ich noch leise ehe ich meiner Familie nachsehe. Dass wird vermutlich das letzte Treffen gewesen sein und um meinen kleinen Bruder tut es mir echt Leid. Ohne ein weiteres Wort mache ich mich auf dem Weg zurück zu meiner Wohnung. Viel zu spät bemerke ich das Eric mir folgt. Als ich gerade aufschließe, spüre ich seinen Atem im Nacken weswegen ich mich zu ihm umdrehe. „Lass mich jetzt einfach bitte in Ruhe." Der Mann vor mir nickte und sieht mir direkt in die Augen. „Ich schaue später nochmal nach dir." Ich reagiere nicht drauf und er zieht endlich ab. Schnell gehe ich in meine Wohnung und verkrieche mich direkt in mein Bett.

Mein neues Leben bei den FeroxWo Geschichten leben. Entdecke jetzt