Mich beunruhigte Mutters plötzliche Wandlung. Sie kam nicht zum Frühstück und auch zum Mittag meldete sie sich durch eine Dienerin unpässlich, sie ließ auch zu keiner Tageszeit jemanden zu sich.
Auf die Frage, was genau sie denn hätte, konnte mir auch keiner etwas sagen.
Ablenkung brachte mir Mittags die Übung mit Esko, selbstverständlich lungerte Amir bei den Soldaten herum und er konnte es kaum glauben als er mich sah.
Ich trug eine Hose und ein einfaches Leinenhemd, darüber war eine dicke Fellweste. Mir war sehr schnell aufgefallen, dass mich die Kälte nicht ansatzweise so schlimm traf wie die anderen Menschen.
Doch Esko verlegte unser Training nach drinnen in ein riesiges Kellergewölbe, welches ich noch nie betreten hatte. An den Wänden waren unterschiedliche Waffen aufgestellt, mein Bruder deutete zu den Schwertern.
"Sie werden alle zu schwer für dich sein, doch probier selbst welches du am besten handhaben kannst."
Beinahe ehrfürchtig trat ich an die Waffen, betrachtete jedes und wiegte von jedem das Gewicht in meinen Händen. Bis ich mich anschließend für eines entschied welches mir nicht ganz so schwer vorkam, dennoch konnte ich nicht abstreiten, dass es nicht anstrengend war.
Alleine das Halten, während mir Esko verschiedene Haltungen erklärte, erschöpfte mich. Als er mich dann anwies das Schwert endlich zu heben um das Parieren zu üben, spürte ich wie meine Muskeln zitterten.
"Wenn es zu schwer ist solltest du es auf sich beruhen lassen, schließlich ist es nichts für Mädchen." Warf er ein als er meine Haltung korrigierte und dabei meine Anspannung bemerkte.
"Ich bin kein Mädchen." Presste ich zwischen zusammen gebissenen Zähnen hervor.
Ich bemerkte, dass er nur sehr, wirklich sehr, halbherzig mit seinem Schwert auf mich einschlug, so dass ich kaum seine Waffe auf meiner spürte. Genau dies machte mich wütend, nicht auf ihn, er war mein Bruder und hatte bemerkt wie schwer mir dieses Training fiel. Die Wut betraf mich, wie unfähig ich war ein einfaches Schwert zu halten, dass mein Gegner noch nicht mal mit vollem Einsatz bei der Sache war.
Dies musste ich schnell ändern.
Esko gab mir eine lange Pause. "Du musst deine Fähigkeiten zu deinem Vorteil nutzen."
Fragend sah ich ihn an. "Welche Fähigkeiten meinst du? Bis jetzt habe ich nur bemerkt, wie ich kaum das Schwert halten kann."
Er verdrehte die Augen. "Du hast sie schon so lange und bist immer noch nicht im Stande sie Taktisch einzusetzen. Ich meine das Eis. Du könntest so viele Vorteile damit bekommen." Er bemerkte meine kurze Unsicherheit und fügte schnell hinzu. "Du musst es wollen."
Mein Bruder erbarmte sich für eine weitere Stunde, dann hatte er so viel Mitleid mit mir, dass er die Übungen beendete.
"Mir schmerzen die Arme kaum." Wand ich ein.
"Morgen wirst du anders darüber denken." Erwiderte er, ich hätte nie geglaubt, dass mein kleiner, wilder Bruder so ernst sein konnte, mit so viel Durchsetzung. Weshalb ich mich seinen Worten fügte und mit ihm den Keller verließ.
Amirs Begeisterung hielt sich in Grenzen, ich konnte es verstehen, er hatte wahrscheinlich erwartet einen ebenbürtigen Kampf zusehen, doch statt dessen hatte er dabei zusehen dürfen wie ich gerade so das Schwert in die Luft hielt.
Was mich am meisten wunderte war dass er nicht gegangen war, er hatte uns bis zum bitteren Ende zugesehen, nie hätte ich ihm so viel Geduld und Ausdauer zugemutet.
"Begeh keine Dummheiten und erhol dich bis es nicht mehr schmerzt. Solltest du weiter machen könnte es viel schlimmer enden, wenn du überhaupt weiter machst." Ermahnte mich Esko noch ein letztes mal bevor sich unsere Wege trennten, Amir folgte seinem Bruder. Seine Begeisterung für mich hatte wohl einen Dämpfer bekommen.
Irgendwie fehlte mir seine Anhänglichkeit. Wenn ich daran dachte, dass ich ihm am Abend viel von meiner Reise, der gekürzten Version natürlich, erzählt hatte, wurde mir warm ums Herz. Noch nie hatte ich so viel Zeit mit einem meiner Geschwister verbracht.
Noch nicht mal mit den Zwillingen hatte ich so viel geredet.
Eigentlich war ich auf dem Weg zu meinen Räumen, als ich die Stimmen meiner Schwestern und die Stimme von Zora hörte. Ich nährte mich dem Raum, es war ein schöner, großer Raum mit vielen Sesseln einem kleinen Tisch und einem Klavier.
Ich sah die idyllische Runde und wollte gerade kehrt machen, denn ich wollte mich ihnen nicht aufdrängen, nur weil ich neugierig über ihr Gespräch war.
"Vienna komm zu uns. Wo hast du heute gesteckt?" Zora winkte mich neben sich. Ein wenig unsicher trat ich herein, doch meine Schwestern schenkten mir überraschenderweise ein Lächeln.
"Ich habe mit Esko trainiert, ich hätte nie erwartet, dass ein Schwert so schwer ist." Erklärte ich Zora.
Lyra sah mit großen Augen zu mir. "Du hast wirklich mit dem Schwert geübt?"
"Ich dachte es wäre vielleicht das Richtige nach dem ich mit dem Bogen geübt hatte. Leider hat sich heraus gestellt, der Kraftaufwand ist nicht vergleichbar."
"Wie kommt es, dass unsere Eltern so viele Missverständnisse über dich akzeptierten? Ich fühle mich schrecklich." Lyra sah so elend aus.
"Du kannst nichts dafür, ich habe selbst nichts unternommen. Maila, ich wollte dich noch etwas fragen, woher hast du so frische, schöne Blumen her? Ich bezweifle, bei uns noch wachsene Blumen zu finden."
Mayla wurde rot. "Versprich, dass du es niemandem erzählst. Sei nicht böse auf uns, aber Zora hat uns etwas über eure Reise erzählt und es kam auch zur Sprache, du und dieser General hättet Gefühle für einander."
"Er würde alles für sie tun." Fügte Zora hinzu. Nun verstand ich wo sie sich die gesamte Zeit aufgehalten hatte, sie hatte mit meinen Schwestern gesprochen.
"Ich bin nicht böse, denn es ist die Wahrheit. Ja, ich liebe ihn und ich verspreche, niemanden zu erzählen woher die Blumen stammen."
"Aber ein General! Du bist außerhalb seiner Reichweite, er ist nicht vom Stand um eine Prinzessin zu begehren." Wand Lyra ein, doch Maila unterbrach sie sofort und sehr grob.
"Nein! Bei so etwas setzt der Rang aus, du kannst niemals bestimmen wem du verfällst."
Nun begann ich Stück für Stück hinter Mailas Worte zu blicken. "Wem bist du denn verfallen?" Ich sah meine jüngere Schwester sehr aufmerksam an, ihr Gesicht wurde rot, blieb jedoch ernst.
"Du kennst den Grafen im Nachbarland, an welcher Grenze unsere Soldaten stationiert sind?"
"Graf Marer, ich weiß, doch er ist schon verheiratet und hat erwachsene Kinder." Daraus wurde ich nicht schlau, der Graf war alt.
"Ich meine auch seinen Sohn, Julien Marer."
Sie wurde still und ich spürte wie sie auf meine Reaktion wartete. "Ich weiß leider nicht wer er ist, kennst du ihn denn Vienna?" Fragte Zora.
"Ja, ich habe von ihm gehört und ich kenne ihn, zumindest als wir noch Kinder waren." Damals war er jeden Sommer zu Besuch und ich war mir sicher, dass Vater plante mich mit ihm zu verheiraten, bis zu dem Vorfall an dem ich nie wieder das Schloss verlassen konnte. "Aber er ist ein gutes Jahr älter als ich und du bist erst sechzehn."
"Ich weiß es genauso gut wie du, aber ich habe mir meine Gefühle nicht ausgesucht. Ich mochte ihn anfangs noch nicht mal, dies musst du mir glauben."
"Wie habt ihr euch überhaupt kennengelernt, Vater pflegte den Umgang mit den Marers nicht mehr."
"Dennoch wurden sowohl wir als auch der Graf zu Feiern eingeladen. Du weißt doch wie es ist, jemanden zu lieben den man eigentlich nicht sollte."
Ja ich wusste es, ich liebte Jared auch wenn er nur ein General war, ich liebte ihn, so sehr, dass mein Herz schmerzte.
Ein Diener klopfte an die offene Tür, ehe er sprach.
"Prinzessin Vienna, ein Gast ist eingetroffen und wünscht Euch zu sehen."
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Frühlingstau
FantasyVienna hat das Königreich unter eine unerbittliche Eisschicht gelegt. Ohne Jared scheint alles sinnlos, das Letzte was sie will ist zur Königin gekrönt zu werden. Doch je mehr sie sich selbst überwindet desto mehr fällt ihr auf, dass etwas innerhal...