Vierundzwanzig

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Ich konnte es nicht fassen.

Wie konnte er mich einfach ausschließen?

Hatte ich nicht schon bewiesen, dass ich genauso auf dem Schlachtfeld nützlich bin? Alle Männer im Lager wussten es.

Nur Jared wollte nicht.

Ich war wütend aus dem Zelt gestürmt. Dabei hatte Jared noch einmal nach mir gerufen, als ich jedoch weiter ging, lief er mir nach und ergriff schnell meinen Arm.

"Warte doch."

"Nein! Ich verstehe dich nicht! Wieso soll ausgerechnet ich, von allen soll ich, weg? Ich habe schon so viel geschafft und durchlebt, ausgerechnet jetzt soll ich gehen? Was denkst du dir?"

Ich sah seine Sturheit, die nicht weniger groß war als meine eigene.

"Ich will nicht, dass dir noch etwas passiert, reicht es dir etwa nicht? Dies hier ist kein Spiel."

"Ich weiß besser als jeder andere, dass dies kein Spiel ist! Aber es ist mein Reich, mein Vater hat es angefangen, es ist an mir es zu beenden!"

"Nur wegen dem verfluchten Thron?! Du wolltest es doch nie! Wieso musst du dich in den Tod stürzen?!"

"Du darfst und ich nicht? Hast du überhaupt eine Ahnung was die Männer hier zuerst dachten als ich her kam? Eine Frau kann das nicht, eine Frau ist dafür nicht in der Lage, eine Frau verträgt den Schmerz nicht! Bist du genauso?!"

Ich ging mit meinen Anschuldigungen zu weit, ich wusste es, ich spürte es, ich sah es an seinem verletztem Blick. Er hatte noch nie so über mich gedacht, er hatte mich noch nie für eine einfach Frau gehalten, doch es gab kein zurück mehr.

"Nein, das weißt du." Flüsterte er, seine Sturheit war mit einem Mal gebrochen. "Ich will nicht, dass du dich wegen der Krone verpflichtet fühlst."

"Schwer ruht die Krone auf dem Haupt." Gab ich bissig zurück und machte mich frei.

Ich war übermüdet, erschöpft und mit der Situation überfordert, das Letzte was ich hatte gebrauchen können war ein Streit.

Dennoch war es zu spät. Ich war nicht so weit gegangen um dann vor aller Augen fortzulaufen, alles würde seinen Sinn verlieren. Weshalb dann die schnelle, geheime Selbstkrönung?

Selbstverständlich blieb meine Auseinandersetzung mit dem General nicht ungehört, trotzdem wagte es niemand in meiner Nähe auch nur ansatzweise etwas darüber auszusprechen.

Ich suchte die Verletzten auf.

Der Geruch, der mir entgegen schlug, obwohl ich nicht mal in der unmittelbaren Nähe war, ließ mich die Zähne zusammen beißen um mich nicht zu übergeben.

Es schien ewig her zu sein seit ich das letzte mal gegessen hatte.

Ich hatte gar nicht gewusst, dass es mehrere Ärzte gab. Der, der mich behandelt hatte sah mich sofort.

"Majestät, was macht Ihr hier? Ihr solltet Euch ausruhen solange die Zeit noch da ist."

"Ich bin gerade zu aufgewühlt um still zu sitzen, da ich sonst nicht weiß wo ich wie helfen kann, dachte ich mir ich kann euch hier vielleicht helfen, so sehe ich auch wie schlimm es um die Verletzten steht."

Meine Worte waren aufrichtig. Ich hatte wegen dem Streit mit Jared keine Ruhe, ich brauchte eine Beschäftigung um erst einmal nicht daran zu denken.

"Na gut, aber solltet Ihr am Rande der Kraft sein, dann scheut Euch nicht sofort zu gehen. Vieles ist hier kein schöner Anblick und über den Geruch brauchen wir sicher nicht zu sprechen."

Damit hatte er Recht. Der Geruch war noch viel unerträglicher sobald man bei seiner Quelle stand.

Ich durfte, auf meinen eigenen Wunsch hin, bei dem Begutachten und der Versorgung assistieren, was ebdeutete, dass ich eine Wasserschale turg und den Inhalt nach jeder Behandlung aus wechselte.

Ich durfte selbst verbinden, nach dem ich darauf bestanden hatte, es mir beibringen zu lassen damit ich diese Aufgabe übernehmen könnte.

"Ihr seid ein Segen für diese Männer." Der Arzt hatte sich zu mir gestellt, als ich dabei war benutzte Verbände im Wasser zu waschen. "Es motiviert die anderen Soldaten und hält die Verletzten am Leben."

"Ich habe nichts besonderes getan."

"Ach nein? Ihr seid zu diesen Männern gegangen, habt ihre Wunden versorgt und ein jedem ein Lächeln und aufbauende Worte geschenkt. Diese Männer waren bereit schon morgen zu sterben, doch nun fühlen sie sich wieder gebraucht. Ihr seid in ihren Augen nicht nur als Frau hin gegangen, für diese Männer ist es ein berauschendes Gefühl, dass sich ihre Königin sorgt. Niemand besucht je die Verletzten, entweder er wird gesund und kann wieder in die Schlacht oder er stirbt im Bett, mehr stand ihnen nie zur Auswahl."

"Haben diese Männer, denn keine Familien?" Der Gedanke wie leichtfertig sie ihr Leben aufgaben stimmte mich traurig.

"Alle die hier her kommen, sind in den Augen anderer, zum Sterben verurteilt. Selten sehen sie ihre Familien je wieder, Generäle dürfen hin und wieder auf eigenes Risiko das Lager verlassen, doch nur wenn sie sich mit einem besonderen Verdienst ausgezeichnet haben."

Mir viel wieder ein was Jared damals sagte, es war ihm egal ob er in der Schlacht starb, dann würde seine Schwester gutes Geld für seinen Tod erhalten. Er als der liebste General des Königs hatte sicher eine große Summe. Mein Magen zog sich zusammen.

Alle diese Männer hatten keinen Grund  sich am Leben festzuhalten, sie waren alle bereit aufzugeben, nur damit der Schmerz vorbei war und sie nicht wieder in den Kampf müssten.

"Das ist nicht Richtig. Wie können wir von diesen mutigen Männern, die unser Reich verteidigen, erwarten sich selbst aufzuopfern ohne, dass sie eine entsprechende Gegenleistung erhalten?"

Ich verstand nicht viel von der Politik und noch weniger verstand ich die Handlungen meines Vaters, doch so konnte es doch nicht Richtig sein. Wie konnte überhaupt diese ganze Auseinandersetzung so lange andauern?

"Niemand von ihren Familien erwartet sie nach Hause und der größte Teil hier ist verheiratet."

Ich traute meinen Ohren nicht, wie konnte es sein, dass niemand auf sie wartete?

"Nicht mal die Ehefrauen?"

Der Arzt schüttelte den Kopf. Mit einem mal erschienen mir die Worte so kindisch, plötzlich wollte ich nichts sehnlicher als zu ihm.

"Ich muss gehen."

Damit stürmte ich los.

Ich hätte nicht wütend werden dürfen, es war meine Schuld. Ich hätte ihm so schreckliche Sachen nicht unterstellen sollen.

Ich fand ihn bei den Waffen, auch er sah ruhelos aus, während er die Klingen schärfte.

"Endlich."

Ehe er verstand was geschah war ich ihm schon um den Hals gefallen.

"Es tut mir leid, ich habe nicht nachgedacht."

"Was ist los? Ist etwas passiert?"

Ich löste mich um ihm ins Gesicht zu sehen, so sah ich zu ihm herab, ich hatte ihm nicht die Möglichkeit gegeben aufzustehen.

"Ich will nicht, dass du nichts zu verlieren hast."





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