Sechs

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Die Augen der Frau hafteten noch immer auf dem jungen Mann. Dieser war ohne es wirklich zu bemerken schon aufgesprungen.

"Was hast du?" Edwin sah ihn fragend an.

"Wenn sie fertig sind, geh bitte mit Lenita zurück. Ich geh schon mal vor."

Damit wand er sich zum gehen.

"Ich würde jedem raten hier zu bleiben und unserer Geschichte zu lauschen. Denn unser Märchen hat sich geändert, heute erzählen wir euch von einer vereisten Prinzessin, die ihren Prinzen und ihr Herz verloren hat."

Wütend sah Jared zurück zu Shea. Diese alte, dreiste Frau machte auch noch einen Nutzen aus Viennas Geschichte! Sie bemerkte, dass sie seine volle Aufmerksamkeit hatte und fuhr fort.

"Es war einmal eine kleine Prinzessin, diese trug den Winter in sich, sie gefror alles was es wagte das schöne Ding zu berühren. Sie lebte hinter dicken Mauern, doch einmal gelangte ein Prinz zu ihr, er entführte sie und beide verliebten sich. Doch der König war erzürnt über seine geflüchtete Prinzessin und folgte beiden, er schlug den Prinzen in die Flucht und nahm sie wieder zu sich ins Schloss, wo sie sicher war.

Ihr kleines Herz zerbrach und sie verkaufte es an den Winter. Durch ihr zerstörtes Herz befreite sich der Winter aus ihr und legte sich über das Land. Sie selbst war nicht mehr in der Lage jemals wieder Liebe zu empfinden, sie lebte für immer hinter den Mauern, wie eine Eisstatur."

Einen Raunen ging durch die Menge bei der tragischen Geschichte, bis die Kinder unzufrieden murrten.

"Im Leben endet nicht immer alles schön." Gab Shea von sich.

"Wurde unserer Prinzessin auch das Herz gebrochen?" Klang plötzlich eine Kinderstimme.

Entsetzten packte Jared, er war nun zu allem bereit, auch dieser Frau vor allen Leuten, auf dem vollen Platz die Zunge heraus zu reißen. Sie konnte doch nicht wagen Vienna, die baldige Königin, so anzuschwärzen.

"Das kann niemand außer ihr wissen."

Eine Frau nährte sich den beiden Männern. "Ich soll ausrichten, dass Shea gerne mit Euch sprechen möchte."

Sie kam Jared wage bekannt vor, er hatte sie wohl während der Reise mit den Fahrenden kurz gesehen.

"Hab ein Auge auf Lenita, ich bin bald zurück." Jared folgte der Frau ohne Edwin die Möglichkeit zu geben etwas zu Fragen.

Sie brachte ihn etwas aus dem Dorf wo die ganzen Wagen standen. Er wurde angewiesen sich zu setzten, während er wartete betrachtete er alle anwesenden.

Die meisten von ihnen besahen ihn wachsam, beinahe schon misstrauisch, aber er konnte es ihnen nicht übel nehmen. Er hatte schließlich sie alle mit einem unfairen Tausch hintergangen.

"Ich muss feststellen, dass du ohne Pferd und ohne Prinzessin hier bist." Shea zog an ihrer Pfeife, dabei umrundete sie den Mann um sich ihm gegenüber hinzusetzten.

"Was willst du von mir, alte Frau?" Fragte er barsch.

"Oh, wie ich sehe spielst du gar nicht mehr den gut erzogenen jungen Mann, der du vorher warst. Kaum ist das Mädchen nicht da lässt du deine Manieren fallen."

Jared gefiel es nicht wie sie immer wieder auf Vienna zu sprechen kam.

"Wenn es nichts mehr zu besprechen gibt gehe ich wieder, auf mich wartet noch Arbeit."

"Ich hoffe diese Arbeit betrifft das Mädchen, denn der Winter ist für uns Reisende nicht einfach."

Damit hatte sie wieder seine volle Aufmerksamkeit. "Woher willst du wissen, dass sie etwas ändern kann?"

"Sie hat ihn doch frei gelassen, also ist sie doch sicher auch in der Lage ihn wieder schmelzen zu lassen."

Jared schüttelte den Kopf. "Ich bedaure, aber dies liegt nicht in ihrer Macht."

"Nicht ohne dich. Wir werden dir helfen in das Schloss zu gelangen dafür wirst du für den kommenden Frühling sorgen."

"Ich werde alleine zum Schloss gehen und ganz sicher werde ich nicht für Sonnenschein sorgen können. Ich weiß gar nicht wie du darauf kommst."

Er hatte genug von diesem Gerede, die Alte hatte in seinen Augen wohl schon zu viel von ihrem Verstand eingebüßt. Jared war dabei aufzustehen, da sprach sie.

"Du schuldest mir dein Pferd oder bring die Karte zurück. Du kannst dich glücklich schätzen, dass ich nicht den Wagen mit seinem Inhalt verlange."

"Ich habe weder das eine, noch das andere."

"Somit fordere ich deine Schuld ein mit uns zu kommen."

Wut ergriff ihn. Hatte er nicht schon genug Probleme? Waren seine Sorgen nicht schon groß genug? Weshalb musste sie sich jetzt auch noch in seine Belange mischen?

"Weißt du wie ich ihr helfen kann?" Es kostete ihn Überwindung um sie danach zu fragen.

Lange sah sie ihn an. "Wie kommt es, dass die jungen Leute heutzutage so ungeduldig und blind sind? Selbst wenn ich es dir jetzt sage würdest du es nicht verstehen." Schweigend musterte sie ihn ehe sie weiter sprach. "Ich verlange nicht von dir jetzt sofort mit uns zu fahren. Du kannst in Ruhe über mein Angebot nachdenken und deine Arbeit in diesem Dorf verrichten, was es auch sein möge. Wir werden in wenigen Tagen auf brechen, vielleicht morgen Abend, womöglich den Tag darauf, du solltest nicht zu lange zögern."

Als er schon erwidern wollte, er würde auch ohne sie alle an sein Ziel kommen, kam sie ihm zuvor. "Mir kam zu Ohren, dass im Schloss etwas nicht mit rechten Dingen zu geht und ich weiß so stark das Mädchen auch ist, es wird nicht alleine mit allem fertig werden können. Wir alten Leute wünschen uns nichts sehnlicheres als eine Königin wie sie zu bekommen."

"Dafür muss niemand etwas tun, ist doch logisch, sie wird ohne Diskussionen zur nächsten Herrscherin gekrönt, es bedarf keine Hilfe." Jared verstand noch immer nicht ganz worauf diese Frau hinaus wollte und er hatte wahrlich genug seiner Zeit mit ihr verschwendet. Während er sich entfernte rief sie ihm noch etwas hinter her.

"Es gibt Menschen die es auf den Thron abgesehen haben, Menschen die wie ein Schatten hinter ihr stehen, in ihrer unmittelbaren Nähe."

Diese Worte verfolgten ihn bis in das Haus seiner Schwester. Edwin war mit dem Mädchen wieder zurück gegangen und half Noeli beim Kochen. Seine Schwester sah sofort, dass etwas nicht stimmte, Edwin dagegen war einfach neugierig darauf was die Fahrenden hatten mit ihm besprechen können.

Doch keiner sprach ihn an solange Lenita anwesend war. Weshalb Jared während des Essens schweigend über das Gespräch nachdachte. Er wollte mehr als alles andere zu Vienna und es versetzte ihn in Anspannung nur daran zu denken, jemand könne in ihrer Nähe ihr etwas antun.

Womit er überhaupt nicht rechnete war der Besuch spät in der Nacht. Seine Nichte war endlich eingeschlafen und Noeli kam gerade zu den beiden Männern zurück, bereit ihren Bruder zur Rede zu stellen, als es sachte an der Tür klopfte.

Ein kleiner Junge stand draußen und verlangte nach Jared.

"Ich soll ausrichten, wir fahren morgen bevor die Sonne untergeht bis dahin hast du Zeit dich zu entscheiden." Damit ging er, es hatte ihm sichtlich nicht gefallen den Laufburschen zu spielen.

Nun lief Jared die Zeit davon. Sie hatte ihm ein Ultimatum gestellt.














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