Dreißig

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Ich werde nie das Bild vergessen welches sich mir damals bot.

Als ich Eskos Mordlust in seinen Augen sah, mit der glänzenden Klinge über mir, dabei mir den letzten Stoß zu geben.

Doch dann hielt er inne. Seine Augen waren aufgerissen, seine Arme zitterten, ungläubig sah er sich um, während ihm Blut aus dem Mund floss. Erst jetzt sah ich die Klinge in seiner Brust.

Hinter ihm stand Ivars, er musste meine Wand umgangen haben.

"Bruder ..." Es rasselte in seiner Kehle.

"Nein." Raunte ich, Eskos Schwert fiel zu Boden, genauso wie er selbst, ich war schon bei ihm um ihn aufzufangen.

"Nein. Nein. Nein." Flüsterte ich immer wieder.

Ivars war neben uns und hielt die Hand unseres Bruders, Tränen liefen ihm ununterbrochen über das Gesicht, immer wieder verließen ihn verzweifelte Schluchzer.

"Verzeih." Sprach er undeutlich.

Auch ich weinte, immer wieder das selbe Wort wiederholend.

Nein. Nein. Nein.

Es konnte einfach nicht war sein.

Natürlich war es nicht entschuldbar was er getan hatte, doch es änderte nichts daran, dass nun mein kleiner Bruder sterbend in meinen Armen lag.

Eskos Blick ging zum Himmel, er hatte verzweifelt versucht jemanden von uns anzusehen, als seine Versuche erfolglos blieben gab er auf. Er röchelte, hustete und spuckte Blut, er bemühte sich etwas zu sagen was nicht gelang.

Dann erlosch jegliche Kraft seiner Muskeln, er atmete aus und nicht wieder ein.

Ein taubes Gefühl breitete sich in mir aus.

"Was nun?" Sprach Ivars gebrochen.

Ich wusste nicht was nun, ich hatte meinen Bruder verloren, er war es der mir am nächsten war und er war es der mich verraten hatte. Was tat man in solchen Situationen?

"Wie hatte er dies tun können?"

Ivars schien mit der Frage überfordert. "Was weiß ich."

"Denkst du der Graf hatte damit zu tun?"

"Nein. Esko hatte sich viel früher dafür entschieden, der Graf war ihm einfach nur Mittel zum Zweck."

Er hatte sicher Recht damit, Ivars hatte immer Recht, aber es änderte nichts an dem schrecklichen Gefühl, dieses taube Nichts.

Fast wie damals als ich Jared und Vater verloren hatte.

Nur die Kälte in mir war da, sie umhüllte mich und sorgte dafür, dass ich meinen Verstand, in diesem ganzen Wahnsinn um mich herum, nicht verlor.

Ehe ich wusste was ich tat war ich auf gestanden.

"Wohin gehst du?"

"Den Wahnsinn bekämpfen." In Wirklichkeit wusste ich nicht was ich tat, ich ließ mich von der Kälte leiten.

Das nächste was ich wahrnahm war Jared mit einem abgebrochenem Pfeil in der Schulter, einer blutenden Seite und einem Pfeilregen ausgesetzt.

"Es reicht!"

Jeder Soldat der versucht hatte mich auf meinem Weg aufzuhalten, lag erfroren auf dem Boden.

Bei meinem Schrei breitete sich abrupt Stille aus.

Die Pfeile waren in ihrem Flug erstarrt um dann zu Boden zu fallen.

Ich hatte mich mit der größten Wut, die ich je verspürte hatte, genährt. Der alte Mann verlor jegliche Regung.

FrühlingstauWo Geschichten leben. Entdecke jetzt