Die Sache mit Felix Gallagher

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Dorothy nutzte ihren Nachmittag gewissenhaft und schlenderte über den Campus. Sie trug heute eine olivgrüne Hose und ein helles Oberteil, welches ihr ausgesprochen gut stand. Darüber hatte sie ihren grauen Mantel angezogen. Während sie umher lief, wanderten ihre Augen neugierig herum und registrierten jeden Schüler. Aber sie suchte nicht wie üblich ihre Freunde oder George. Sie suchte Felix Gallagher. Vielleicht würde sie etwas herausfinden, das ihnen helfen konnte.

Sie fand den Jungen auf einer Bank, hinter einer Hecke. Er war unauffällig, aber jeder kannte ihn. Felix war ausgesprochen klug für sein Alter und hatte die besten Noten in Mathematik und Wissenschaften.
Er war klein, schmal gebaut, trug abgenutzte Lederschuhe, eine graue Hose mit Hosenträgern, ein weißes Hemd und eine dicke, gelbe Jacke. Gallagher besaß hohe Wangenknochen und eine spitze Nase, die sein Gesicht definierten. Auf dieser Nase saß eine Brille mit kreisrunden Gläsern, über all dem thronte ein rot-brauner, zerzauster Haarschopf.

"Felix Gallagher?", fragte Dorothy, mehr aus Höflichkeit, da sie ja genau wusste, dass er es war.
Der Junge nickte, schaute sie aber nicht an, sondern starrte unentwegt zu Boden. Dorothy merkte, dass das nicht der richtige Zeitpunkt war, aber sie konnte jetzt auch nicht wieder gehen. Jede Spur war wichtig und ihnen lief die Zeit davon.

Sie setzte sich zu ihm: "Ist etwas nicht in Ordnung?" Endlich sah er sie an. Seine Augen waren nass und rot. Felix hatte geweint. Und er zitterte. Klar. Es war kalt. Aber doch nicht so kalt, dass man zittern musste.
Der Junge schniefte einmal und wischte sich die Tränen weg.
Seine Brille fiel zu Boden und er hob sie mit einem leisen "Oh" wieder auf.

"Es ist alles in Ordnung. Wer bist du?", fragte er sie. "Dorothy. Moore. Ich bin eine Stufe über dir. Ich will dir jetzt aber nicht zur Last fallen, wenn es dir nicht gut geht, dann-" "Nein, nein. Was ist los? Was brauchst du?"
Dorothy grinste in sich hinein. Sie hatte es geschafft und nun würde sie Informationen bekommen. Bedacht verlegen strich sie sich eine Locke aus dem Gesicht und schaute Felix absichtlich nicht an. Sie hoffte, dass es so verträumter wirken würde. "Also", begann sie, "I-ich habe da eine Freundin und sie... Sie findet dich sehr nett. Und sie fragt, ob du nicht... Ob du nicht mal mit ihr ausgehen würdest. Also... Nur, wenn du noch nicht vergeben bist?" Felix zuckte zusammen und krallte die Finger auf die Steinfläche.
"Ich...", plötzlich entspannte er sich und neue Tränen stiegen ihm in die Augen, "Ich weiß nicht."

Vorsichtig legte Dorothy eine Hand auf seine Schulter. Etwas bedrückte ihn. Hatte es mit dem Mädchen auf dem Foto zu tun?

"Hey. Was ist denn los? Soll ich deine Freunde holen?" Felix schüttelte den Kopf und blickte Dorothy dann skeptisch an. Und ihm fiel etwas ein: "Bist du nicht eine Freundin von dem blonden Mädchen, die alle Mörderin nennen?"

Das Mädchen hätte einfach lügen und es leugnen können, aber ihr Gefühl sagte ihr, dass die Wahrheit angemessener war. "Ja. Alva. Aber sie ist keine Mörderin." "Ich weiß." "Was hast du gesagt?"
Es war so leise gewesen, dass sie es fast überhört hätte. Und es hätte nichts bedeuten können.

Eine lange Pause entstand. Felix rang mit seinen Gefühlen, das konnte Dorothy spüren.  Aber schlussendlich nahm er doch den Mut zusammen und erzählte es ihr.

"Ich weiß, dass Alva keine Mörderin ist. Alva kann es gar nicht gewesen sein... Weil es... Sie hat es mir eben erzählt. Sie ist doch verrückt. Wie konnte ich sie je lieben? Sie ist gefährlich und verrückt." Dorothy starrte ihn verwirrt an: "Von wem sprichst du?" "S-Sophia. Ich... Sie... Wir waren zusammen, ja ich weiß, sie ist älter als ich, na und? Sie ist- Sie war perfekt. Alles war perfekt. Und dann ist sie durchgedreht." "Sophia?" "Kuscova."

Dorothys Gedanken rasten. Sie wusste, sie hatte den Namen schon einmal gehört, erst letztens hatte sie sich mit Josie darüber unterhalten, wie-

Da wurde es ihr bewusst.
Sophia Kuscova war eine der Mädchen, die in der Küche halfen und endlich ergab das Foto, das Mr. Marsh gemacht hatte, einen Sinn.

Der Tanzbär // AbgeschlossenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt