"Na toll. Und wie soll uns der Schlüssel jetzt weiterbringen?", maulte George. Er nahm mir den Schlüssel aus der Hand und betrachtete ihn skeptisch: "Also ungewöhnlich oder besonders geheimnisvoll sieht der jetzt nicht aus." Da hatte er recht. Es war ein ganz normaler Schlüssel, wie man ihn kennt. Keine Gravur oder irgendetwas besonderes. Einfach ein normaler, langweiliger Schlüssel. "Der führt bestimmt zu einem Geheimraum!", rief Martin aufgeregt, "Ich sage euch, Mr. Marsh führt etwas im Schilde, Freunde!" "Führte", merkte Dorothy trocken an. Ich überlegte: "Du meinst also, sein Mord war kein Zufall sondern Absicht?" "Das war doch schon von Anfang an klar." Alva riss George den Schlüssel aus der Hand: "Dies hier ist eindeutig ein Hinweis. Wir müssen jetzt nur noch nach der passenden Tür suchen!"
Und das taten wir. Wir stellten die gesamte Schule auf den Kopf und probierten überall den Schlüssel, selbst im Keller. Es dauerte mehrere Tage, da wir ja auch noch anderes zu tun hatten, als nach verschlossenen Türen zu suchen. Wir reichten den Schlüssel pro Tag weiter, damit es nicht zu auffällig wirkte und Alva durfte nicht mit suchen, da sie immer noch unter Beobachtung stand und jederzeit ein Lehrer vorbei hätte kommen können.
Es war der übernächste Donnerstag, als wir uns erschöpft nach einem langen Tag, in der Bibliothek trafen. Die kleine Nische war innerhalb der letzten zwei Wochen zu unserem richtigen Geheimversteck und Treffpunkt geworden. Ab und zu schmuggelten wir selbst Tee oder Kekse hinein.
"Wer hat den Schlüssel?", begann ich und schaute in die Runde. Dorothy legte den kleinen, länglichen Gegenstand behutsam auf den Tisch. "Und?" Sie schüttelte den Kopf: "Nichts. Ich habe wirklich überall nachgeschaut, aber nichts gefunden." "Das war zu erwarten. Als ob wir jemals etwas finden würden. Wir haben einfach keine Hinweise", meinte George. Martin nickte: "Ja. Mit so wenig kommen wir nicht weiter. Aber ich habe schon weiter geforscht und einige Schüler gefragt." "Hast du ihnen etwa von dem Schlüssel und unseren Ermittlungen erzählt?", fragte Alva. Ich erkannte leichte Panik und aufkochende Wut in ihrer Stimme. Martin hob beschwichtigend die Hände: "Ruhig. Nein, natürlich habe ich ihnen nichts erzählt. Das ist schließlich eine geheime Ermittlung." "Hat das Befragen denn auch irgendetwas gebracht?", wollte ich wissen. Schlagartig erschlaffte Martins eben noch selbstbewusste Haltung und er murmelte: "Leider nicht." "Also stecken wir in einer Sackgasse", stellte Frank fest. "Und nun?" Wir schauten uns alle gegenseitig fragend an. Alles hatte so vielversprechend begonnen und so sollte es nun enden? Das konnte doch nicht passieren. Womöglich lief der Mörder immer noch frei herum und könnte noch mehr Leute töten, auch wenn die Polizei alles daran setzte, ihn zu fassen.
"Wir warten", sagte Alva nach einer langen Stille. "Wie bitte?" George klang etwas beleidigt. Er hatte sich mit dem Detektivsein über die letzten Tage etwas angefreundet und fand langsam aber sicher seinen Spaß an der Sache. "Überlegt doch mal. Mehr können wir im Augenblick wirklich nicht tun. Außerdem sollten wir uns auch einmal eine Pause gönnen. Habt ihr denn schon vergessen, dass morgen das Frühlingsfest ist?" Alva blickte in unsere verdutzten Gesichter. "Ihr habt es wirklich vergessen! Wer ist hier neu? Ich oder Ihr?""Ich habe immer noch nichts zum Anziehen", stammelte ich und verfiel in leichte Panik. Wie hatte ich das vergessen können? Ich hatte mich wirklich zu sehr auf die Lösung des Falles fokussiert. Zum Glück hatte ich die beste Freundin der Welt: Dorothy.
"Wir können heute noch gern in die Stadt fahren. Der Bus sollte in einer Stunde kommen. Dann suchen wir dir etwas Hübsches raus. Und komm mir nicht mit: 'Ich habe zu wenig Geld.' Das stimmt nicht. Du bist sehr sparsam und deine Eltern ziemlich großzügig, was dein Taschengeld angeht, also lehn nicht ab", sagte sie und ihre Augen glänzten während sie von Kleidern erzählte, die sie in den Schaufenstern gesehen hatte."Also warten wir?", fragte Frank noch einmal. Wir nickten. Alva hatte Recht. Mehr blieb uns nicht übrig. Wir hatten keine Hinweise.
"Um nochmal auf den Ball zu sprechen zu kommen..." Alva grinste. Wenn sie das tat, bedeutete es meist nichts gutes. Es war ein schelmisches Grinsen. Nicht freundlich, sondern bitter und toxisch wie Giftefeu. Jetzt rutschte sie auf ihrem Stuhl immer weiter nach links, immer näher zu Frank. Wir beobachteten ihr Verhalten skeptisch. Sie legte einen Arm um Frank, der kurz zusammenzuckte, aber sich nicht rührte. Ich wurde plötzlich eifersüchtig. Mir legte sie nie ihren Arm auf die Schulter. Aber die Eifersucht verflog schnell, als Alva mit einer ungewöhnlich sanften Stimme zu sprechen begann: "Sag mal, Frank. Was ist jetzt eigentlich mit dir? Hm? Hast du schon eine Begleitung?" Frank wurde leicht rot: "N-Nein. Ich denke, ich gehe mit M-" "Mit Martin? Aber Martin geht doch schon mit mir und Cat. Aber mach dir nichts draus. Frank. Ich habe gehört, Carter ist noch zu ha- Au!" Frank hatte Alva vom Stuhl geschubst und war aufgestanden. "Frank", setzte Dorothy an, aber George hielt sie davon ab, weiter zu sprechen. Franks Blick zeugte von Hass und Trauer, sein Gesichtsausdruck war leicht verzerrt, als würde er versuchen, einen Schrei zu unterdrücken. Bevor irgendjemand von uns etwas sagen konnte, war er schon durch die Lücke der Bücherregale verschwunden.
"Das hast du dir selbst zuzuschreiben", sagte ich, während ich Alva vom Boden auf half. "Du wusstest doch, wie sensibel er auf das Thema reagiert. Du hättest ihn nicht so reizen sollen", stimmte Dorothy mir zu. Alva rieb sich den Arm, den sie am steinernden Tischbein angeschlagen hatte. Das würde einen blauen Fleck geben. "Aber Frank wird nie weit kommen, wenn er es gar nicht erst versucht", entgegnete sie und starrte mir dabei tief in die Augen. Mal wieder hatte sie mich erröten lassen. "Frank hat sein eigenes Tempo. Man sollte ihn nicht drängen", schaltete sich nun auch Martin ein. Alva senkte den Blick und murmelte ein: "Tut mir leid." "Das solltest du nicht uns, sondern ihm, sagen", meinte George leise, "Ich werde ihn mal suchen gehen. Aber erst mach ich meine Französisch-Hausaufgaben. Martin, könntest du mir helfen?" Martin nickte. Dorothy blickte mich fragend an: "Gehen wir nun in die Stadt oder nicht?" "Ja. Machen wir. Alva, kommst du mit?" Sie schüttelte den Kopf: "Ich habe schon alles was ich brauch, aber danke." "Na gut. Dann komm", sagte Dorothy zu mir. Gemeinsam verließen wir das Versteck und warteten vor dem Internat auf den nächsten Bus, der uns in die nahegelegene Stadt fahren würde.
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Der Tanzbär // Abgeschlossen
Adventure"'Hast du Angst?', flüsterte sie. 'Du weißt, was dort ist und du weißt, was passieren könnte.' [...] Aber ich schüttelte den Kopf und gemeinsam drehten wir den Schlüssel im Schloss herum und lauschten dem leisen Klicken des Mechanismus, als die Tür...