Ein Taxi fuhr in diesem Moment die Straße entlang und mir wurde klar, dass es jetzt endgültig Abschied hieß. Abschied für eine lange Zeit. „Mach es gut meine Liebe und melde dich mal, wenn du angekommen bist!" Ich nickte und gab ihr einen Kuss auf die Stirn: „Mache ich Mum, versprochen!" Fest umklammert, hielt ich den Griff des Koffers, schulterte meinen Rucksack und trat an den Straßenrand, an welchem nun das Taxi hielt. Ein letztes Mal drehte ich mich noch zu meiner Mutter um, die mit Tränen in den Augen, in ein Taschentuch schniefte und mir dann zum Abschied zuwinkte. Es schmerzte sie so zu sehen und einen Moment fragte ich mich, ob ich nicht ein wenig zu hart zu ihr war. Vielleicht hätte ich für den Anfang in einen anderen Staat ziehen sollen und nicht eine halbe Erdumrundung machen. Doch es war jetzt so und ändern würde ich nichts mehr, ich konnte es nicht. Davon abgesehen wollte ich es auch nicht ändern. Für mich war diese Entscheidung die einzig richtige. Egal was andere dachten. Mein Leben, meine Entscheidungen. Der Fahrer des Taxis öffnete den Kofferraum, sodass ich mein Gepäck hineinlegen konnte. „Ruf an Rose, egal wie spät es ist okay?"
„Mach ich!", rief ich und schloss die Autotür hinter mir. Tief durchatmend sah ich aus dem Fenster, wo meine Mutter sich auf die Stufen meines alten Wohngebäudes niedergelassen hatte. „Wo soll es hingehen Miss Cleveland?" „Zum Flughafen bitte." Er nickte, startete den Motor und fuhr los. Meine Mutter wurde immer kleiner und als wir schließlich um eine Ecke bogen, verschwand sie aus meinem Blickfeld. Das war der Moment, in dem ich mich nicht mehr zusammenreißen konnte. Tränen liefen mir über die Wangen, ich begann zu schluchzen und suchte in meiner Tasche nach einem Taschentuch.
Jetzt wo ich hier saß und der Abstand zwischen uns beiden immer größer wurde, fühlte ich die Aufkommende Kälte, die sich in mir ausbreitete. Mit gemischten Gefühlen lehnte ich meinen Kopf gegen die Scheibe des Fensters und ließ meinen Blick über die Stadt werfen. Gebäude rauschten an uns vorbei, Männer in teuren Anzügen und Frauen in ansehnlichen Kleidern, die fröhlich und lachend die Clubs verließen oder auf ein neues Casino zueilten. Schlief diese Stadt denn nie? Aus einer der vielen, kleinen Kapellen, trat ein Brautpaar. Er in einem schwarzen Anzug, mit weißer Ansteckblume und sie in einem pompösen, rosa Albtraum von Rüschenkleid. Sie sah wie eine Prinzessin aus einem Disney Film aus. Eine Bad-Day Version davon.
Ich hatte nie übers Heiraten nachgedacht. Wollte lieber erst einmal in einem Beruf durchstarten, bevor ich eine Familie gründete. Trotzdem war ich eine der ersten in meinem Freundeskreis gewesen, die vor den Traualtar getreten war. Schwerer Fehler. Auch auf den Straßen wurde es voller, immer mehr Autos mischten sich in den morgendlichen Verkehr und machten ein weiterkommen so zu einem Problem. Wie meine Mutter schon erwartet hatte, waren wir in den Frühverkehr gekommen.
Die meisten Autos, die ich aus dem Fenster beobachten konnte, waren teure Limousinen oder Gelände- und Sportwagen. Hier fuhr die High-Society gerade nach Hause. Ich hatte nie wirklich verstanden, wieso manche dieses Luxusleben liebten. Vielleicht lag es daran, dass ich nie wirklich viel Geld besessen hatte. Keiner meiner Eltern verdienten viel.
Meine Mutter besaß einen kleinen Blumenladen inmitten der Stadt. Sie verdiente zwar viel durch Hochzeitsgestecke und andere große Bestellungen, doch die Ausgaben waren immens. Und mein Vater, welcher abends in einer Bar arbeitete, verdiente nicht gerade das meiste. Deshalb hatte ich mir schon früh vorgenommen, später einmal einen Beruf auszuüben, bei dem ich gut verdienen würde. Nicht, weil ich reich werden wollte, nein, ein Leben in Luxus sagte mir gar nichts zu. Man sah es doch immer im Fernseher, wie abgehoben manche Leute durch ihr Geld wurden. Ich wollte nur genug verdienen, um auf eigenen Beinen stehen zu können, mir eine schöne Wohnung leisten und hin und wieder auch einmal etwas Gutes für mich tun. In den Urlaub fahren zum Beispiel. Die Welt bereisen, neue Orte kennenlernen.
Lächelnd wischte ich mir die Tränen aus dem Gesicht, es war Zeit für einen Neuanfang und mit dem Job, den ich in Gyeongju gefunden hatte, würde es hoffentlich klappen. Die Jinsil, war eine der erfolgreichsten Zeitungen in Süd-Korea mit ihrem Hauptsitz in Seoul. Es gab etliche Nebenfirmen in anderen Städten, ebenso in Gyeongju. Nachdem ich meine Bewerbung abgeschickt und eine Zusage erhalten hatte, war ich mir hundert prozentig sicher gewesen, dass mein Leben von jetzt an, eine neue Wendung einschlagen würde. Hoffentlich irrte ich mich nicht.
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Mianhae- Kirschblüten Sommer// #Wattys2018/19
FanfictionRose Cleveland hat die Nase voll. Sie will weg aus der Stadt, die sie zu sehr an ihren Ex erinnert und die sie schon ihr ganzes Leben hasst. Gelegen kommt es ihr daher, dass sie einen Job bei einer Zeitung in Süd-Korea bekommt, der es ihr Ermöglicht...