Am nächsten Morgen stand ich Zeitig vor dem Spiegel im Badezimmer. Neben mir auf dem Waschbecken, Unmengen an Puderdosen, Wimperntusche, Make-Up und einer ganzen Palette an Liedschatten. Wozu ich diese Ganzen Dinge besaß, obwohl ich sie selten benutzte, wusste ich nicht. Doch heute war kein Tag wie jeder andere.
Es war Sonntag und zwar genau der Sonntag, an welchem ich Mr. Lee kennenlernen würde. Daher hatte ich meine schönste Bluse angezogen und sie mit einer grauen Jacke kombiniert. Strumpfhose und Rock bildeten das perfekte Outfit. So hätte ich sicherlich auch zu einem Vorstellungsgespräch gehen können. Unsicher hantierte ich mit dem Pinsel herum und versuchte das Make-Up gleichmäßig auf meinem Gesicht zu verteilen. Beim Rouge tat ich mich ein wenig schwer und so waren meine Wangen etwas mehr rosa, als geplant. Egal, würde schon nicht großartig auffallen.
Mein Bus würde in einer Viertelstunde kommen, also musste ich mich beeilen. Schnell legte ich Wimperntusche und Lidschatten auf, wobei ich versehentlich eine zu dunkle Farbe ergriff. Doch im Eifer des Gefechts viel es mir nicht auf. Was war schon schlimm an einem dunklen Braunton? Nach einem Lippenstift greifend, überlegte ich, ob es ratsam war, auch diesen Aufzutragen. Ich ließ ihn in meine Tasche gleiten, für den Fall, dass ich ihn später noch brauchen würde. In Windeseile und während ich bereits die Treppe hinunterhastete, band ich mir die Haare zu einem Dutt zusammen.
Heute entschied ich mich für High-Heels. Sicher gewagt, da ich normalerweise flache Schuhe bevorzugte, doch in Verbindung mit meinem Outfit, machte ich sicher einen guten Eindruck. Und ich wollte auf Mr. Lee garantiert nicht, wie ein unerfahrenes Schulmädchen wirken. Dieser Mann sollte sehen, dass ich es Wert war, den Job zu übernehmen. Wie sagte mein Vater immer: „Der erste Eindruck zählt!"
Und da mein erstes Aufeinandertreffen mit Mr. Lee nicht sonderlich gut war, die Sache mit dem Gekrakel und dem heruntergefallenen Tippex, wollte sich einfach nicht aus meinen Gedanken vertreiben, wollte ich bei unserem nächsten Treffen einen guten Eindruck machen. Schnurstracks lief ich in Richtung Bushaltestelle, wobei ich ein Affentempo drauf hatte. Nach einigen Metern meldete sich mein Muskelkater in den Beinen bei mir und prompt knickte ich mit dem Fuß um. Verdammte Stöckelschuhe.
Inzwischen schnaufte ich wie eine alte Dampflock, die so langsam den Geist aufgab. An meiner Kondition musste ich dringend arbeiten.
Sobald ich an der Haltestelle angekommen war, ließ ich mich auf die kleine Bank nieder. Noch fünf Minuten. Mit etwas Mühe entspannte ich mich wieder, jetzt wo ich an der Haltestelle saß. Immer wieder warf ich verstohlene Blicke auf die Uhr meines Handys, nur um festzustellen, dass die Zeit sich dadurch im Schneckentempo zu bewegen schien. Deshalb schaltete ich es aus und verstaute es tief unten in meiner Tasche. Nur um der Versuchung wiederstehen zu können.
Stattdessen überprüfte ich den Fahrplan, welcher hinter mir an der Wand hing. Von hier fuhr ein Bus bis direkt zum Flughafen, an welchem ich gelandet war. Allerdings nur einmal in der Woche. Ansonsten gab es einige Buslinien, die ebenfalls außerhalb der Stadt fuhren und einen zu einem großen Bahnhof brachten. Von dort aus konnte man mit Schnellzügen bis nach Seoul fahren. Hoffentlich musste ich darauf nicht zurückgreifen.
Lange Zugfahrten waren mir noch nie wirklich bekommen. Vielleicht lag es aber auch nur an der Angst, der Zug könnte in einer Kurve entgleisen. Wieso ich keine Angst vor einem Absturz hatte, war mir schleierhaft. Im Grunde konnte jederzeit und überall etwas passieren. Seufzend schüttelte ich den Kopf.
Wieso machte ich mir gerade jetzt über so etwas Gedanken? Noch während ich einen letzten prüfenden Blick auf den Plan warf, hörte man den dröhnenden Motor des alten Busses. Mit einem lauten Knallen des Auspuffes blieb er neben der Haltestelle stehen. Die Türen schwangen auf, sodass ich einsteigen konnte. Der Fahrer warf mir einen merkwürdigen Blick zu, als ich mir eine Karte kaufte. Hatte ich etwas in den Haaren, oder vielleicht zwischen den Zähnen?
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Mianhae- Kirschblüten Sommer// #Wattys2018/19
Fiksi PenggemarRose Cleveland hat die Nase voll. Sie will weg aus der Stadt, die sie zu sehr an ihren Ex erinnert und die sie schon ihr ganzes Leben hasst. Gelegen kommt es ihr daher, dass sie einen Job bei einer Zeitung in Süd-Korea bekommt, der es ihr Ermöglicht...