Mit gemischten Gefühlen bemühte ich mich, meine Angst nicht allzu sehr Preis zu geben. „W-Was kann ich für sie tun Mr. Min?", fragte ich betont freundlich. Deutlich konnte ich die Blicke der anderen spüren, die sich leise tuschelnd unterhielten. Das machte sicher einen guten Eindruck. Die neue und dazu noch Amerikanische Kollegin wurde gleich sicherlich vor versammelter Mannschaft zusammengestaucht. Ich war wirklich ein Glückspilz.
Doch es kam anders. Mr. Min, immer noch wütend, deutete auf seine offene Bürotür: „Kommen sie mit. In mein Büro. Unverzüglich!" Geschwind wand er sich um und eilte hinüber in sein Büro. Einen Moment blieb ich sitzen, nicht wissend, was nun auf mich zukam. Jisoo warf mir einen aufmunternden Blick zu, ehe ich aufstand und Mr. Min folgte. Schließlich wollte ich ihn nicht warten lassen. „Schließen sie die Tür!"
Nickend ging ich seiner Bitte nach und blieb dann vor dem Schreibtisch stehen. Mr. Min saß an seinem Schreibtisch und sortierte einige Zettel. Unauffällig ließ ich einen Blick durch den Raum schweifen. Er war aufgeräumt, an einer Seite stand ein großer Schrank mit unzähligen Aktenordnern. Ein kleiner Kopierer, sowie ein Faxgerät standen auf einem kleinen Beistelltisch neben seinem Schreibtisch.
Die Wände waren kahl, es gab keine Bilder. Nur eine Uhr hing hinter ihm an der Wand und...Ich stutzte, hing da eine Zielscheibe mit einem Foto?
Als ich genauer hinsah, erkannte ich eine Lächelnde, blonde Frau, welcher ein Dartpfeil in der Stirn steckte. Etwas geschockt musste ich feststellen, dass sie mir ein wenig ähnlich sah. Jedenfalls von den blonden Haaren her. Und sie war wie ich keine Asiatin. Ob dies seine Ex-Freundin war?
Hoffentlich hatte er sie eben gut verdeckt, ansonsten hatten Mr. Lee und Mr. Park sie ebenfalls bewundern können. Ich riss meinen Blick von der Dartplatte los und richtete ihn stattdessen auf Mr. Min. Dieser schien bereits wieder vergessen zu haben, dass ich anwesend war. Ich räusperte mich. Genervt blickte er auf: „Sind sie immer noch hier?"
„Tut mir leid, aber sie wollten mit mir sprechen!", verteidigte ich mich, mit leichter Genervtheit in der Stimme. Allmählich riss mir bei diesem Kerl der Gedultsfaden. Mr. Mins Augen wurden schmal, ebenso wie seine Lippen. Innerlich machte ich mich bereit, angeschrien zu werden.
Als er allerdings sprach, bemühte er sich, einen höflichen Ton beizubehalten: „Ich wollte ihnen lediglich ausrichten, dass sie sich unverzüglich auf den Weg zu Mr. Park machen!" Etwas stutzig musterte ich ihn. Hätte er mir das nicht bereits an meinem Schreibtisch sagen können? „O-Okay...Soll ich sofort..."
Er machte eine schnelle Handbewegung, als würde er fliegen verscheuchen. Irgendwie erinnerte dieser Mann mich an meinen alten Englisch Lehrer. Dieser war ein ebenso unausstehlicher Mensch gewesen. War man nicht pünktlich musste man länger bleiben. Vergaß man seine Hausaufgaben, gab es zwei Stunden Nachsitzen.
Im Grunde hatte er an allem etwas zu meckern gehabt und ich erinnerte mich noch genau an einen bestimmten Tag. Wir hatten als Hausaufgaben einen Aufsatz über die Englische Hauptstadt aufgehabt, indem wir aus der Sicht eines Reisenden schreiben mussten, der diese Stadt zum ersten Mal besuchte. Ich hatte ihn fertig geschrieben und war auch guter Dinge zum Unterricht gekommen.
Als er unsere Hausaufgaben eingesammelt hatte, mussten einige ihren Aufsatz vor der Klasse vorlesen. So auch ich. Klar, dass ich es gemacht hatte, auch wenn ich immer ein wenig nervös wurde, wenn ich etwas vortragen musste. Ich stand vorne vor meinen Klassenkameraden und begann meine Hausaufgaben zu lesen, als er mir plötzlich dazwischen schrie: „Miss Cleveland weiß offenbar nicht, welche Währung England hat. Ich gebe ihnen einen Tipp, der Euro ist es nicht!"
Nach einer kurzen Pause fügte er hinzu: „Unsere Miss Cleveland würde demnach dumm aus der Wäsche gucken, wenn sie bezahle möchte und man ihr sagt, dass sie das falsche Geld hat!" Er hatte mich vor der gesamten Klasse bloßgestellt und das nur, weil ich mich in all der Aufregung versprochen hatte.
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Mianhae- Kirschblüten Sommer// #Wattys2018/19
Hayran KurguRose Cleveland hat die Nase voll. Sie will weg aus der Stadt, die sie zu sehr an ihren Ex erinnert und die sie schon ihr ganzes Leben hasst. Gelegen kommt es ihr daher, dass sie einen Job bei einer Zeitung in Süd-Korea bekommt, der es ihr Ermöglicht...