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Der nächste Tag brach an und ich packte gerade meine restlichen Sachen zusammen. In einer halben Stunde würde mich ein Taxi zum Flughafen bringen. Meine Hände zitterten unkontrolliert, die Aufregung war kaum noch zu bändigen.

Zufrieden schloss ich den Verschluss meines Koffers. Das sollte genügen für zwei Wochen. Da noch etwas Zeit war, beschloss ich, mich von Jong-Suk und Donghee zu verabschieden. Soweit ich wusste hatten sie beide heute frei. Ein Blick aus dem Fenster genügte, um meine Vermutung zu bestätigen. Unten auf dem Bürgersteig standen sie und versuchten ein großes Paket zu tragen.

Ich beschloss zu ihnen hinunter zu gehen. Meine Jacke überziehend, hechtete ich schon fast die Stufen hinunter und vergaß dabei völlig mir Schuhe anzuziehen. Kalter Wind fegte mir entgegen, also zog ich die Jacke noch enger um meinen Körper. „Guten Morgen ihr beiden!", rief ich erfreut und schlüpfte durch mein Gartentor. Beide Männer wandten die Köpfe um. Jong-Suk grinste mit hochrotem Kopf: „Oh, guten Morgen Rose. Du bist noch hier? Ich dachte du wärst schon auf halbem Weg nach Seoul."

„In einer halben Stunde kommt das Taxi. Außerdem wollte ich nicht gehen, ohne mich wenigstens von euch zu verabschieden!" „Das freut uns. Warte kurz, wir bringen das eben in Jong-Suks Wohnung und kommen dann wieder!", meinte Donghee, wobei er ganz außer Atem klang. Was zur Hölle befand sich nur in diesem Paket. Gegen den Gartenzaun gelehnt, wartete ich bis die beiden zurückkamen.

Der eisige Wind, der heute durch die Straßen fegte, ließ mich frösteln und erst jetzt bemerkte ich, dass ich noch meine Hausschuhe trug. Egal, ich müsste eh noch einmal rein und meine restlichen Sachen holen. Seufzend schloss ich für einen Moment die Augen.

Nicht mehr lange und ich würde zum ersten Mal Seoul in echt sehen. Eine leichte Angst hatte mich neben der Neugierde gepackt. Langsam machte ich mir Sorgen, mich nicht zurechtfinden zu können. Auch wenn ich aufgeregt war, so war meine Abneigung gegen riesige Metropolen nicht verschwunden. Doch für diesen Job würde ich meine Grenzen überschreiten.

„Nur zwei Wochen, dann bist du erst einmal wieder hier!", sagte ich mir immer wieder. Zu Beginn hatte ich auch eine gewisse Begeisterung gespürt, für meine Angst war dort kein Platz gewesen. Doch jetzt wo die Anreise kurz bevorstand, wusste ich nicht, ob ich richtig entschieden hatte. Seit wann zweifelte ich eine Entscheidung von mir so an? Ob es an der Angst lag? Nur worin bestand sie?

War es die Angst zu versagen? Den Job nicht hinzubekommen und mich auf ganzer Linie zu blamieren. Mr. Min wäre sicherlich begeistert, wenn ich aufgeben würde.

War es die Angst vor der Stadt alleine? Lag es vielleicht nicht an dem Angebot, sondern einfach nur daran, in eine riesige Metropole zu ziehen?

„Worüber denkst du nach?" Eine Hand legte sich sanft auf meine Schulter. Schreiend sprang ich zur Seite, so sehr in meine Gedanken vertieft, dass ich nicht bemerkt hatte, wie jemand neben mich getreten war. Donghee tauchte vor mir auf: „T-Tut mir leid, ich...ich wollte dich nicht erschrecken!" Am liebsten hätte ich ihm geantwortet, dass alles gut war, nur bekam ich wegen des Schreckes kein Wort heraus.

Erst als Jong-Suk ebenfalls zu uns nach draußen trat, hatte ich mich wieder ein wenig beruhigt. „Alles gut, ich war bloß so sehr in Gedanken versunken. Da habe ich dich gar nicht bemerkt!" Verlegen strich Donghee sich durch die Haare. Jong-Suk hingegen grinste wie ein Honigkuchenpferd. Wenn ich ehrlich darüber nachdachte, sah man ihn meist nur grinsen. Aber vielleicht lag es auch nur daran, dass wir uns noch nicht so lange kannten. Sicherlich hatte auch er manchmal schlechte Tage.

Jong-Suk lehnte sich lässig gegen den Zaun: „Sag mal Rose. Willst du etwa so nach Seoul reisen?" Er deutete auf meine Hausschuhe, die ich immer noch trug. Ich sah an mir herunter. Das es ausgerechnet die weißen mit dem Einhorn drauf sein mussten. Sie waren ein Geschenk meiner Mutter gewesen.

Mianhae- Kirschblüten Sommer// #Wattys2018/19Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt