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Weiße Wolken, flauschig wie kleine Schäfchen, zerstoben, als wir hindurchflogen. Verträumt sah ich aus dem kleinen Fenster, hinaus in den blauen Himmel, an dessen Horizont, langsam eine leichte röte aufkam. Es wurde bereits Abend und ich wusste nicht genau, wie lange wir schon in der Luft waren, da ich die meiste Zeit über geschlafen hatte. 

Soweit man sah, nichts als Himmel und Wolken, von dem Boden keine Spur zu erkennen. Ein Glück, dass ich keinerlei Probleme mit dem Fliegen hatte. Ich lehnte mich zurück, entspannte mich und versuchte die anderen Passagiere auszublenden, die sich teilweise miteinander unterhielten. Neben mir saß eine junge Frau, vielleicht Anfang dreißig, die gerade dabei war ihre kleine Tochter zu beruhigen. Offenbar hatte die kleine Angst, ihr liefen Tränen über die Wangen und sie umklammerte den Teddybären in ihren Armen. 

„Ganz ruhig Maria. Es kann nichts passieren." „Aber es ruckelt so komisch Mama. Was ist, wenn wir abstürzen?" Sie hob ihren Blick. Die Panik war ihr deutlich anzusehen. „Wir stürzen nicht ab meine Süße. Wir kommen sicher an und dann werden wir deinen Papa besuchen. Das ruckeln kommt von Luftlöchern, das ist ganz normal." Mit ihren großen, braunen Reh Augen sah sie ihre Mutter an: „Wirklich? Wir werden ganz sicher bei Papa ankommen?" 

„Natürlich Maria. Papa freut sich schon ganz doll dich endlich wieder zu sehen." Ein leichtes Lächeln zierte meine Lippen, während ich zu der Kleinen sah, die sich nun zufrieden in den Sitzt zurücklehnte. Ihre Mutter dagegen schloss für einen Moment die Augen, das Gesicht leicht verzehrt. Ging es ihr nicht gut? Besorgt beugte ich mich leicht zu ihr herüber. 

„Alles in Ordnung?", fragte ich vorsichtig, woraufhin sie kurz zusammenzuckte und mich einen Moment verwundert musterte, bevor sie ein gezwungenes Lächeln aufsetzte. „Machen sie sich keine Sorgen, mir ist nur ein bisschen übel, dass vergeht gleich wieder." Sie lehnte sich ebenfalls in ihrem Sitz zurück, schloss die Augen und versuchte sich zu entspannen. Einen Moment musterte ich sie noch argwöhnisch, entschied dann aber mich rauszuhalten. Wenn sie der Meinung war, dass alles in Ordnung schien, wollte ich mich lieber nicht einmischen. 

Ich steckte mir abermals meine Kopfhörer in die Ohren, um mich ein wenig mit Musik abzulenken. Ein Blick auf die Uhr verriet mir, dass es gerade sechs Uhr abends war und laut der Flugbegleiterin würden wir um acht Uhr morgens am Flughafen in Busan landen. Von dort aus würde ich dann mit einem Taxi nach Gyeongju fahren, was ungefähr eine halbe Stunde dauern dürfte. 

Seufzend fuhr ich mir durch die Haare und dachte darüber nach, dass ich in einigen Stunden auf einem völlig fremden Kontinent landen würde. Irgendwie musste man meiner Familie und meinen Freunden recht geben, ich war vollkommen verrückt geworden. Allerdings war es mir egal. Die Sprache war kein Problem für mich, ich hatte Jahrelang mit einer Koreanerin zusammen Musikunterricht gehabt. Nach den Stunden waren wir oft zusammen in Parks oder Cafés gegangen und sie hatte mir ihre Sprache beigebracht. Leider lebte sie schon seit einigen Jahren nicht mehr in Amerika, sondern war zurück in ihre Heimatstadt Seoul gezogen. 

Wie war noch mal ihr Name gewesen? Seo-Hyeon, wenn ich mich nicht irrte. Sie war eine dieser Stillen Personen gewesen, die sich selten meldete und auch nur das nötigste mit einem Sprach, wenn sie im Unterricht war. Sobald man allerdings außerhalb der Musikstunden Zeit mit ihr verbrachte, war sie der aufgeweckteste und fröhlichste Mensch, den ich je gesehen hatte. Jedenfalls solange man sich nicht inmitten von Menschenmassen befand. 

Ihr Vater war ein erfolgreicher Manager, weshalb sie mit zehn Jahren nach Las Vegas gezogen war. Kennengelernt hatte ich sie dann fünf Jahre nachdem sie nach Amerika gekommen war und sieben Jahre waren wir fast unzertrennlich gewesen. Komisch, dass mir ihr Name dann so fremd war. Eines Tages hatte sie dann plötzlich den Kontakt abgebrochen, als sie erfuhr, dass ihr Vater irgendwann zurück nach Seoul ziehen würde. Seit diesem Tag hatten wir weder miteinander Telefoniert noch uns gesehen. Wenn ich nur ihre Nummer hätte, dann würde ich sie sofort anrufen und ihr erzählen, dass ich nach Süd-Korea kam. Ob sie noch in Seoul lebte? Oder war sie vielleicht auf die große Reise gegangen, von welcher sie mir immer erzählt hatte? 

Mianhae- Kirschblüten Sommer// #Wattys2018/19Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt