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Da ich nicht mit Sicherheit sagen konnte, ob Seth mich gehört hatte, versuchte ich mich still zu verhalten

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Da ich nicht mit Sicherheit sagen konnte, ob Seth mich gehört hatte, versuchte ich mich still zu verhalten. Mittlerweile hatten sich die meisten Hyänen versammelt und flankierten nun ihren Anführer. Dieser stand mit abgewandten Gesicht ein Stückchen entfernt. In der Hand hielt er ein kleines Wegwerfhandy, in dessen Mikro er aufgeregt hineinredete. Anscheinend war sein Gesprächspartner nicht besonders begeistert von der Situation, der Riesenköter schien Schwierigkeiten zu haben, seine Stimme in einem leisen Ton zu halten.

Immer wieder sah er zu mir hinüber, nur um danach noch schneller zu sprechen. Ich konnte mir keinen Reim auf sein Verhalten machen, fand es jedoch reichlich verdächtig, wie er seine Worte zurechtlegte, um viel zu sagen und doch wenig zu meinen.

Als er seinen Leuten bedeutete, kurz ein Auge auf mich zu haben und sich daraufhin ein Stück fortbewegte, wagte ich es kurz, meine Maske abzulegen und atmete in kurzen Zügen ein und aus. Damit wollte ich nicht etwa noch mehr Aufmerksamkeit auf mich ziehen, sondern versuchte angestrengt, den aufkeimenden Anfall niederzuringen.

Zunächst hatte ich gedacht, meine Energie hätte sich zurückgezogen – womit ich vollkommen recht behielt – doch sie tat es aus einem völlig anderen Grund, als ich zunächst vermutete. Sie hatte sich nicht einfach nur zurückgezogen, oh nein, sie wollte sich neu sammeln. Eine Eigenschaft, die mir bekannt vorkommen müsste.

Mit einem kurzen Blick zu Terry vergewisserte ich mich, dass die Hyänen ihn nicht angerührt hatten. Dennoch machte ich mir Sorgen um seinen Zustand. Zwar hatte ich mit meinem Speichel seine schlimmsten Verletzungen geheilt, dennoch schienen ihm die Köter schwer zugesetzt zu haben. Was wird Clarice sagen, wenn sie ihn so sieht?

Der Riesenköter beendete das Gespräch, als er sah, dass ich zu meinem Freund gekrochen war. Schnellen Schrittes marschierte er auf uns zu, ich duckte mich vor dem kommenden, der jedoch ausblieb. Stattdessen ging er an mir vorbei zu Terry und trat ihn mit einer gezielten Bewegung in den Bauch.

Ich schrie auf. Der Tritt war stark genug, um Terry auf den Rücken zu befördern, sodass ich die blau und grün schillernden Blessuren auf seinem Gesicht ausmachen konnte. Als der Köter zum zweiten Tritt ausholte, warf ich mich vor den Bewusstlosen und ließ die wiederaufgetauchte Energie entweichen.

Lichtreflexionen, Energieblitze und eine enorme Druckwelle schleuderten alles um mich herum zurück und tauchten den Park in einen diffusen Schein. Bäume warfen lange Schatten ins Dickicht, während ihre Äste in hohem Bogen das Weite suchten. Ein paar von ihnen fielen auf Terry und mich hinab, legten sich über uns wie ein frisch gesponnenes Netz.

Ich blinzelte mehrfach. Auch jetzt wirkte das Licht noch in meinen Augen nach. Nur entfernt nahm ich vereinzelte Schemen wahr. Mit dem Handballen versuchte ich der Überlastung meiner Augen entgegenzuwirken, gleichzeitig tastete ich Terrys Bauch nach Brüchen oder Schwellungen ab.

Unter seinem Hemd trug er eine Art Gurt, von dem ich ihn befreite. Der Gurt bestand aus einem Material, dass sich zugleich kühl und angenehm warm anfühlte und hatte Terry vor inneren Blutungen bewahrt. Ein Paar Rippen waren angeknackst, ein oder zwei sogar gebrochen, nichts, was man nicht mit ein paar Wochen Ruhe und einem Knochenrichter wieder hinbekommen würde.

Von einem seltsamen Gefühl erfasst, sah ich auf. Mein Blick kreuzte den des Riesenköters und ich bekam es mit der Angst zu tun. Sollte ich ihm nicht das Hirn weggepustet haben? Wieso steht der noch?

Meine Energie hatte ich bei diesem Ausbruch – der die Erde umgegraben hatte – vollkommen erschöpft. Ich war so gut wie ausgebrannt, es bestand keine Chance, noch eine Attacke dieses Kaliebers zu starten. Wenn ihn so was nicht aufhalten kann, was braucht es dann?

Indem ich all meine Kräfte auf diesen Ausbruch konzentriert hatte, bot ich nun einen mehr schlecht als rechten Schutz. Kurz raschelte es neben mir, doch ich traute mich nicht hinzusehen. Der Blick des Riesenköters hielt mich gefangen und ich sah seine Zunge über die aufgerissene Lippe lecken. Beim Geschmack seines eigenen Blutes schloss er genießerisch die Augen und in genau dem Moment schoss ein schwarzer Schatten aus dem Dickicht. Ehe der Riesenköter auch nur eine Bewegung machen konnte, hatten sich zwei starke Kiefer um seinen Hals geschlossen und drückten erbarmungslos zu. Einzig seinen Kumpanen hatte er es zu verdanken, dass er nicht auf der Stelle starb. Sie warfen sich mit so einer Inbrunst auf den Schatten, dass dieser mit Wucht zur Seite geschleudert wurde und einen Klagelaut ausstieß. Ein animalischer Schrei, der jeden im Umkreis von mehreren hundert Metern aufhorchen ließ.

Ich konnte meine Augen nicht von diesem geschmeidigen Schwarz lösen. Nur einer hatte ein solch seidiges Fell.

„SETH", schrie ich erleichtert. Der große Pantherkopf schwenkte in meine Richtung, der Schwanz zuckte verdächtig.

Durch meinen Schrei hatte ich ihn abgelenkt, wofür er jetzt geradestehen musste. In wenigen Sekunden hatte sich der Mann in die riesenhafte Hyäne verwandelt und fletschte die Zähne. Die Fleischwunden, welche der Pantherkiefer zuvor verursacht hatten, waren kaum noch zu sehen. Stattdessen zogen sich lange, vertikale Narben über den Hyänenhals und das Brustbein.

Langsam umkreisten sich die beiden Raubtiere. Keiner von ihnen war gewillt den ersten Schritt zu tun und somit einen schwachen Punkt freizulegen. Plötzlich bewegte sich etwas hinter dem Panther und ich war schon im Begriff, ihn zu warnen, da schoss ein zweiter, weitaus kleinerer Schatten hervor und tötete den hinterlistigen Angreifer mit einem gezielten Schlag seiner Kurzschwerter.

Der kleinere Schatten drehte sich um und kam auf mich zu. Von Nahem entpuppte er sich als ein unverschämt gutaussehender Mann, höchstens Ende zwanzig. Das volle Haar wurde durch ein einfaches Lederband im Nacken festgehalten, es reichte ihm bis zur Mitte des Rückens.

Etwas außer Atem kam er vor mir zum Stehen. Ich bewunderte die teure Kleidung, die jedoch nicht von seinem breiten Kreuz und den durchtrainierten Armen ablenken konnten. Ein Blick in seine Augen genügte, und mein Herz setzte aus.

Schwärze. Ich blickte in ein Meer aus Blut und Gewalt, aus Bruchstücken aus Jahrtausenden, eine Symphonie der Farbe Schwarz.

„Kannst du laufen?", fragte er mich, während er die Gegend nach möglichen Feinden absuchte. Vorsichtig nickte ich und zwang meine zitternden Beine aufzustehen. Mein Blick huschte zu den Raubtieren und mir war, als würde ich aus der Ferne ein leichtes Nicken des Pantherkopfes wahrnehmen. Das Bild eines guten Freundes erschien in meinem Kopf und signalisierte mir, dass ich diesem Mann vertrauen konnte.

Vor Erleichterung wäre ich beinahe ohnmächtig geworden, doch ich zwang mich bei Bewusstsein zu bleiben. Nachdem ich kurz auf Terry gezeigt hatte, schien der Fremde zu verstehen und warf sich den Bewusstlosen geschickt über seine Schulter. Eines seiner Schwerter ließ er verschwinden, das andere behielt er fest in der Hand.

„Komm." Er zeigte in eine Richtung, die weit von den beiden Raubtieren wegführte. Ich nickte wieder, als Zeichen, dass ich verstanden hatte. Zusammen verließen wir den Schauplatz des Grauens, ein Ort, der nun gespickt war mit den Leichen toter Hyänen und Männern, deren Körper Spuren eines großen Tieres oder Schwertstreiches aufwiesen.

„Schau nicht hin. Geh einfach weiter.", riet mir der Fremde und ich befolgte diesen Rat. Mit jedem Toten, der unseren Weg kreuzte, verschloss ich mein Herz ein Stück mehr und fürchtete, es nie wieder öffnen zu können.

My other Half - Panther's chains Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt