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Wer war diese rußige Hexe nur? Sie war vollkommen verrückt! Trotzdem hätte ich sie in diesem Moment küssen können, diese große und stilsichere Abigail oder wie auch immer sie sich nannte

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Wer war diese rußige Hexe nur? Sie war vollkommen verrückt! Trotzdem hätte ich sie in diesem Moment küssen können, diese große und stilsichere Abigail oder wie auch immer sie sich nannte. Gleichzeitig wollte ich sie aber auch beißen, dafür dass sie meinen Engel nun unter ihre schwarzen Arme nahm, die schon etwas heller wirkten.
Ich bewegte mich schnell und flink, bis die Hexe und ich neben Miranda standen. Auch Nikolai trat zu uns und nickte mir leicht zu. „Artiglio d'argento, sagtest du? Ein starker Name." Er schaute auf die Verwüstung. „Vielleicht sollten wir an dieser Stelle einen Neuanfang in Betracht ziehen. Wie es aussieht hat unsere Feuerklinge einiges an Macht zugewonnen." Jetzt lächelte er anerkennend, während er das Chaos um uns herum betrachtete. „Wir würden den ein oder anderen Mann verlieren, bevor wir deiner Herr werden könnten."
Nikolais Geste, die den ganzen Raum mit einbezog, sprach für sich und überzeugte die meisten, einige wenige hatten jedoch noch mit der Tatsache zu kämpfen, einen Kopfgeldjäger in ihren Reihen aufnehmen zu müssen. Es stand in den Schriften, dass jedes Clanoberhaupt einen Sitz und eine Stimme im Trogovat erhielt. Selbst wenn sie sich weit entfernt aufhielten, durften sie nicht übergangen werden. Darüber hinaus war ein einzelner Clan privilegiert, sich ein eigenes Gebiet zu nehmen. Folglich waren mein Engel und ich erstmal unantastbar, doch genaueres würde ich ihr erst später erzählen, wenn sie nicht mehr so aussah, als würde sie gleich unter der Last eines einzigen, schwarzen Armes zusammenbrechen.
Lara, ich würde sie niemals wieder als meine Mutter bezeichnen, gehörte eindeutig zu den Abstreitenden. Ihr Gesicht sprach Bände, was sie normalerweise niemals zugelassen hätte. Zumal auch ihre Haare schon bessere Zeiten gesehen hatten. Die perfekte Frisur hatte sich gelöst und einzelne Strähnen waren vom Ruß ganz matt. Kraftlos hingen sie an den knochigen Wangen hinab. Der rote Lippenstift war nur noch ein verschmierter Strich, ein klaffender Riss in dem wütenden Gesicht dieser bemitleidenswerten Frau.
Ich streifte Miranda sachte am Arm um ihre Aufmerksamkeit auf meinen Gesichtsausdruck zu lenken. Sie lächelte leicht und verschränkte ihre Finger mit meinen, sodass ich auf unsere verbundenen Knöchel einen leichten Kuss hauchen konnte. Ganz wie erwartete wurde mein Engel rot. „Warte nur bis wir zuhause sind.", flüsterte ich ihr zu.

„Ich freue mich schon drauf." gab sie zurück.
Parallel zu unserem Austausch hatte sich Lara durch die Herumstehenden gedrängt. Sie stand nun zwischen einer anderen, leicht kraftlos wirkenden Frau, dessen Haaransatz graue Strähnen aufwies und einem der Gregory, spitzes Gesicht, klare Augen, eindeutig Falke.
„Was genau tuen Sie da, Vorsitzender? Einem Verbrecher einen Clan zu gewähren. Das ist ungeheuerlich. Wir können einem Kopfgeldjäger nicht vertrauen. Sie wissen so gut wie ich das ihre Loyalität einzig ihrer kleinen Gruppe von Nightlight untersteht. Nicht zuletzt ist das Töten sein Beruf, was den lieben Seth hier zu einem Meister der Täuschung und der Entsorgung von Beweismitteln macht. Vielleicht ist dieses kleine Halbblutweibchen ja seine Komplizin, Sie haben ja gehört was Herr Benjamin geäußert hat."
Die Unruhe, die sich um uns herum aufbaute, war zu erwarten. Schließlich hatte es diese dämonische Frau wieder einmal geschafft, den Kern der Wahrheit hinter einer Fassade der Dienlichkeit zu verstecken. Gerissen, das musste ich ihr lassen.
Ich räusperte mich. „Was kann ich tun um mich in Eurer aller Augen unschuldig aussehen zu lassen? Nikolai, Miss Domane, lasst mich Ihnen versichern, dass ich nicht für den Tod an meinem Mentor, den ich über alles respektiert habe, verantwortlich bin."
„Hört, hört!", schrie ein Verfechter von Laras Glauben.
„Lasst ihn sich beweisen!", antwortete jemand, der mich anscheinend zu befürworten schien.
„Wie soll das gehen!?" Wieder der Verfechter.
„Lasst die Götter entscheiden."
Wer auch immer derjenige war, der das Wort für mich ergriffen hatte, ich sollte ihm danken. Er hatte mir einen Weg geebnet.
„Ja", stimmte ich zu, „lassen wir die Götter entscheiden. Um meine Unschuld zu beweisen, suche, finde und bringe ich die Träne Andartes dem Trogovat. Die Götter selbst werden mir ein zweites Mal den Weg weisen, sollten sie mir wohlgesonnen sein."
Laras Lachen stach in unser aller Ohren. „Und wie genau willst du das schaffen? Ein schon lange verschollenes Relikt wie die Träne, die vor tausenden von Jahren entwendet wurde, kann man nicht so ohne weiteres finden."
„Lass das meine Sorge sein", antwortete ich.
„Und woher wissen wir, dass du dich nicht aus dem Staub machst, sobald unsere wachsamen Augen nicht mehr auf dir ruhen?"
Ich war erstaunt als Nikolai erneut das Wort ergriff. „Eine wahrlich begründeter Verdacht." Ein Schauer rannte über meinen Rücken, als der Vorsitzende meinen Engel betrachtete. „Aber kein Problem, das nicht gelöst werden kann. Miranda, Tochter unseres alten Freundes Adam White, würdest du uns in dieser Situation zur Seite stehen?" Erwartungsvoll schaute er zu unserer kleinen Gruppe, die sich gerade einen Machtwechsel mit einer weit größeren Gruppe lieferte.
Wir waren ein Clan, eine Familie. Das wusste auch meine Gefährtin. Das spürte sie in ihren Knochen und im Geiste. Durch unser Band nahm ich ihre Emotionen wahr, ihre unglaubliche Entschlossenheit, meinen Namen rein zu waschen. Für eine bessere und vor allem gemeinsame Zukunft würden wir beide kämpfen. Unsere Seelen hatten zueinander gefunden und mussten bald weit weg von dem anderen ausharren. Die nächsten Worte würden schmerzen, aber was ist schon Schmerz im Angesicht einer Zukunft?
„Vorsitzender", erhob Miranda das Wort. „es wäre mir eine Ehre, hier auf meinen Gefährten zu warten, um Euch allen von seiner Unschuld zu überzeugen." Sie zog eine herzallerliebste Grimasse; die Nase leicht gerunzelt und die Brauen zusammengekniffen. „Natürlich gefällt es mir nicht von ihm entfernt zu sein. Wir haben uns doch gerade erst gefunden. Doch ich vertraue darauf, dass er das Unmögliche möglich macht. Wer weiß, vielleicht wird das verehrte Trogovat ihm noch dankbar sein."
„Sehr gut, schmiere Honig um die Großmäuler, du schlaues Engelchen. Überlass die großen, gefährlichen Missionen getrost der Feuerklinge." Eine imaginäre Hand griff mir zwischen die Beine und ich presste die Lippen aufeinander, um nicht zu stöhnen. Der Gorillawandler schaute daraufhin fragend in meine Richtung, weshalb ich ihm die Zähne zeigte. Fast schon ein Fletschen. Eindeutig nicht seine Angelegenheit!

Wieder spürte ich die Hand und umschloss sie mit meiner eigenen Macht. Fest hielt ich sie umschlossen und schon bald ließ das Gefühl nach, auch wenn mich Miranda nun mit Bildern von altmodischen Folterinstrumenten strafte.
„Das werden wir sehen sobald die Zeit reif ist", beendete Nikolai das Gespräch mit meinem Engel, um sich danach wieder an die murmelnden Mitglieder zu wenden. „Irgendwelche weiteren Einwende? Und wehe mir kommt einer mit den Worten, seine Tätigkeit oder Abstammung würden ihn ungeeignet machen! Über solch eine Diskrimination sollten wir längst hinaus sein! Oder will hier auch nur einer, dass sich der Vorfall 1769 noch einmal wiederholt?" Die versammelte Menge verstummt, niemand erhebt die Hand. „Keiner? Hätte mich auch gewundert", brummte der Ratsvorsitzende und klopfte mit dem halb hölzernen, halb eisernen Hammer, der nicht mehr ganz in Form zu sein schien, auf die dafür vorgesehene Scheibe des halb verbrannten Tisches.
Nach dem dritten, erfolgreich ausgeführten Schlag trat Bewegung unter die verrußte Menge. Niemand im Raum wollte sich den Segen einer Dusche noch länger verwehren.
Mein Engel sah mich mit ihren großen braunen Augen an, ein Traum dunkler Schokolade und ich konnte die Erleichterung darin sehen, wie auch in meinem eigenen Herzen spüren.
„Ich glaube nicht, dass ich es noch eine Minute länger ausgehalten hätte", gab sie mir mit einem Seufzen zu verstehen, der in mir ganz andere Gedanken weckte. Im Moment wollte ich sie einfach an mich ziehen, doch noch musste ich warten bis die Mehrheit den Saal verlassen hatte. Denn nicht gerade wenige Blicke stachen mir in den Rücken, und wenn ich es spüren konnte, konnte sie es auch.
Im Endeffekt standen nur noch Lara Domane, meine Gefährtin, der Ratsvorsitzende Nikolai und ich selbst im Raum. Der Magier Benjamin, dieser räudige Fuchs, hatte sich verflüchtigt und seinen Geruch zwischen den anderen Mitgliedern untergehen lassen. Wahrlich ein Fuchs.

Wenn ich ihm das nächste Mal begegnen würde... Naja, er sollte sich besser wünschen, dass dies nie geschah.

My other Half - Panther's chains Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt