Chapter 1. •

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Der frische Frühlingsduft stieg mir in die Nase, als ich tollpatschig aus dem Bus gestolpert bin. Die Ärmel meiner Strickjacke zog ich bis zu den Fingerspitzen, ehe ich zitternd meine Arme um meinen Oberkörper schlang und die Umgebung unter die Lupe nahm.

Vor mir befand sich ein Hof, dessen Rasen und Pflastersteine gut gepflegt waren. Kaum zu übersehen waren zwei große, lachsrote Gebäude. Einige Meter von mir entfernt war ein hölzernes Schild, welches in die Erde gerammt wurde, auf dem drauf geschrieben war: „Willkommen im…“, die darauffolgenden Worte waren schwer zu lesen und in einer krakeligen Schrift geschrieben, und als ich mehrere Minuten grübeln musste, gefror das Blut in den Adern „...Drogeninternat.“

Ich konnte spüren, wie jede Faser meines Körpers sich dagegen sträubte, dieses Grundstück zu betreten. Aber genauer betrachtet hatte ich keine andere Wahl. Dank meiner absolut wundervollen Schule.

Jedes Jahr mussten wir alle ein Referat über ein bestimmtes Thema halten. Ich wusste nicht, welcher Idiot sich diese „Tradition“ ausgedacht hatte, aber wenn ich diesen Menschen in die Finger bekommen würde, wäre das Erste was ich tue, ihm irgendetwas – nicht gerade etwas Weiches – ins Gesicht schmeißen. Denn so etwas wie Mut gehörte nicht wirklich zu meinen Charaktereigenschaften. Wenn es hart auf hart kam, verwandelte ich mich zu flüssigem Kerzenwachs und wollte am liebsten so schnell wie möglich wegfließen.

Ich atmete tief durch, ehe ich langsam einen Fuß vor dem anderen setzte, um mich einige Minuten später vor dem Eingang eines der beiden Gebäude wiederzufinden. Ich wusste nicht, welches Gebäude es war, in dem eine Lehrerin auf mich wartete, aber dennoch öffnete ich die große, hölzerne Tür. Vor mir kam eine große Halle zum Vorschein, indem sich unzählige Menschen befanden. Alle schauten mich idiotisch an, als ich staunend das Gebäude betrat und mich umsah. Diese Halle war mehr als groß. Bilder von unbekannten Künstlern schmückten die Wände. Große Kronleuchter hingen von der Decke herab und erhellten diesen großen Raum. Während die Jugendlichen, die wahrscheinlich in diesem Internat wohnten, eher weniger beeindruckt durch diese Halle liefen. Doch beim genaueren Betrachten stellte ich fest, dass sich hier keine einzige Person aufhielt, die älter als fünfundzwanzig aussah. Doch bevor ich dieses Gebäude wieder verließ, wollte ich mich noch einmal genauer umsehen. Vielleicht traf ich ja doch noch einen Angestellten dieses Internates.

Meine Beine trugen mich in einen leeren Gang, der mit der Halle verbunden war. Im Gegensatz zu der Halle, war dieser Flur eher eine Enttäuschung. Die Wände waren kahl und mit einem langweiligen Beige bestrichen. Dennoch ließ ich mich nicht beirren und lief weiter, als ich plötzlich gegen jemanden mit voller Wucht reinlief, als ich in eine rechte Kurve biegen wollte.

„Kannst du nicht aufpassen?“, fuhr mich eine raue und tiefe Stimme an. Der Geruch von Rauch und männlichem Parfüm stieg mir in die Nase, als ich erschrocken den Blick hob und direkt in ein Paar smaragdgrüne Augen blickte.

„Oh“, stammelte ich – innerlich fasziniert von diesen Augen – nervös.

Der grünäugige Jugendliche runzelte seine Stirn und blickte herablassend auf mich hinunter. „Wie wäre es mit einer Entschuldigung?“, schlug er genauso herablassend vor, als ich nach mehreren Minuten immer noch nichts von mir gegeben habe. Dieser Ton in seiner Stimme ließ mich unmerklich zusammen zucken.

Ich strich eine Strähne meiner roten Haare hinters Ohr, während ich schüchtern auf den Boden glotzte. Mein Herz drohte dank des schnellen Klopfens zu zersprengen. „Vielleicht solltest du dich entschuldigen? Immerhin hast du mich genauso gut angerempelt, wie ich dich“, dachte ich feixend, doch sprach meine Gedanken nicht laut aus. Ich wollte nicht wissen, wie der Fremde wegen einem bissigen Kommentar reagieren würde, wenn er schon so spottend war, nur weil ich mich nicht entschuldigte – obwohl er genauso gut in mich hinein gerannt war.

dangerous » h.sWo Geschichten leben. Entdecke jetzt