Ich presste meine Lippen auf einander, nicht wissend, wie ich darauf reagieren sollte, während ich mich langsam zu Lynn drehte, die mit großen Augen den Raum studierte.
„Ich hoffe für dich, dass das hier keine Verarsche war“, knurrte ich und fixierte sie mit verengten Augenbrauen und wütendem Blick.
Sie schüttelte rasch ihren Kopf und kramte ihr Handy aus ihrer kurzen Jeans. „Sie waren hier, Harry. Vor einigen Stunden waren sie noch hier. Das Blut an den Wänden ist frisch“, mit der einen Hand tippte sie irgendwas in ihrem Handy rum und mit der freien Hand zeigte sie mit dem Zeigefinger auf die Wände, die mit Blut beschmiert waren. Und sie sahen tatsächlich noch frisch aus.
Unwillkürlich lief mir ein Schauer über den Rücken, als ich realisierte, dass dies Alice‘ Blut war.
Als ich wieder zu Lynn sah, führte sie ihr Handy zum Ohr, biss sich auf die Unterlippe und wartete wohl, dass jemand ihren Anruf abhob. „Hey Ian“, trällerte sie freundlich, „ich bin hier im Lagerhaus, aber ihr Alice und Tyler sind weg. Sollte ich mir Sorgen machen?“
Mit einer Geste zeigte ich der lila Haarigen, sie solle auf Lautsprecher stellen, damit ich auch mithören und mitsprechen konnte.
Schallendes Gelächter drang aus dem Hörer, worauf ich meine Hände unbewusst zu Fäusten ballte. „Denkst du, ich würde nicht wissen, dass du direkt Hilfe holen würdest? Du magst die rot Haarige viel zu sehr, um sie zu foltern. Statte Harry doch bitte schöne Grüße von mir und seinem Püppchen ab. Bei Gelegenheit sende ich ihm sende ich ihm noch einen Selfie von ihr und mir.“
Während Lynn ein geschocktes Gesicht zog, riss ich ihr das Handy aus der Hand und sprach klar und deutlich. „Wenn du nicht deine dreckigen Pfoten von ihr lässt, werde ich alles Erdenkliche mit dir anstellen. Ich werde dich finden, Somerhalder. Und wenn ich dich gefunden habe, wünscht du dir, du wärst nie zur Welt gekommen.“
Ich hatte erwartet, dass er mit einer provokanten Aussage zurück schlägt. Doch stattdessen hörte ich eine schwache Stimme, die meinen Namen flüsterte.
„Alice?“ Es tat unglaublich weh, ihre erschöpfte Stimme zu hören und ich wollte nicht wissen, was Ian ihr alles angetan hatte. Das Einzige was ich wollte, war, sie in meinen Armen zu halten und ihre Nähe zu spüren.
„Harry ich bin in einem…“, sagte sie rasch, doch wurde von einem Klatschen unterbrochen, bevor sie zu kreischen zu begann. Schmerzhaft, mit einer schrillen Stimme schrie sie ihren Leid heraus und dieser Schrei prägte sich in mein Gedächtnis, während ich Ian verfluchte und ich mir langsam Gedanken darüber machte, wie ich ihn zum Leiden brachte. Und obwohl Ian an allem schuld war, verspürte ich eine Art Ekel gegenüber mir selbst, da ich Alice allein gelassen hatte. Dass ich nicht gut genug für sie da war und sie vor diesem kranken Typen, den ich einst als normalen Menschen gesehen hatte, nicht schützen konnte.
„Du bist ein toter Mann, Ian. Ein sowas von toter Mann“, presste ich zwischen zusammengebissenen Zähnen hervor, ehe ich das Telefonat beendete und Lynn das Handy wütend in die Hand drückte.
„Wo ist Matt?“
Sie zuckte ahnungslos mit den Schultern. „Ich weiß es nicht. Das letzte Mal habe ich ihn heute Morgen gesehen.“
„Steckt er auch hinter dieser ganzen Sache?“, hakte ich nach.
Sie nickte langsam. „Ja. Aber aus gutem Grund, den wir euch bald erklären werden, wenn wir Alice erstmal gefunden haben und sie in Sicherheit ist.“
Alice‘ P.O.V
Geschockt von seiner Handgreiflichkeit und dem Schmerz, der sich in kurzer Hand auf meiner Wange verbreitete und mir die Tränen in die Augen jagte, schrie ich schmerzvoll auf.
Die letzten Worte von Harrys unglaublich wütenden und dennoch wundervollen Stimme konnte ich nicht verstehen. Es schien so, als wäre ich dank der Ohrfeige ein Wenig weggetreten und erst, als ich erneut eine brüllende Stimme schlich, wurde ich aus meiner Trance gerissen.
„Lass Alice in Ruhe!“, brüllte Tyler aggressiv und bedachte Ian mit einem funkelnden Blick. Doch dieser fing nur an provokant zu lachen und wandte sich von mir ab, um Tyler anzuschauen.
„Wieso verteidigst du sie? Sie hat dich betrogen. Mit Harry. Weißt du das nicht mehr? Oder soll ich dir das Bild, dass du selbst geschossen hast, noch einmal zeigen?“, provozierte Ian weiter.
Und nun verschwand Tylers wütende Miene und würde von Traurigkeit ersetzt, weshalb er auch den Mund hielt und die Augen von Ian abwandte.
Ich hätte mich gerne verteidigt und mich weniger als Schlampe aussehen lassen, doch es gab nichts zu verteidigen. Tyler war zwar auch am Ende unserer Beziehung schuld, aber es war nicht zu bestreiten, dass ich Harrys Küsse erwiderte. So ungern es auch zugeben mag. Ich fand die Tatsache, dass ich Tyler mit Harry betrogen hatte, auch nicht wirklich verlockend, aber was passiert war, war passiert und ändern konnte ich es eh nicht mehr. Auch wenn ich schon von Anfang an anders handeln könnte, mich von Harry von Anfang an fernhalten könnte. Doch das Schicksal wollte es anscheinend so nicht. Und nun saß ich hier, gefangen von einem weiteren Psychopathen, alleine und schutzlos, während ich mich so fühlte, als würde mir die Zeit das Leben aus meinem Körper saugen.
Die Wunden, die mir Ian hinzugefügt hatte, schwächten mich und langsam war es aussichtslos.
Harry wusste nicht wo ich war und Lynn wusste es auch nicht. Wer war dann da bitte noch übrig, der mich retten könnte? Genau, niemand.
„Du kleine, naive Alice“, wandte sich Ian nun wieder zu mir und kniete sich ganz nah vor mich hin. Mein ganzer Körper zuckte zusammen, als seine kalte Hand meine Wange berührte und er einer meiner vielen Strähnen, die mir ins Gesicht fielen, hinter meinem Ohr strich. „Dein neuer Name gefällt mir nicht so besonders. Lucy gefiel mir eindeutig besser.“
Ich runzelte verwirrt meine Stirn und drehte meinen Kopf von Ians Hand weg. „Ich weiß nicht, wovon du sprichst, Ian. Ich hieß nie Lucy.“
Er fing an leise zu Lachen und schüttelte leicht fassungslos seinen Kopf. „Immer alles schön abstreiten, liebe Lucy. Stimmt’s?“ Ich wollte antworten, doch er sprach weiter: „Wie lange habe ich dich nun nicht mehr gesehen? Acht Jahre? Dafür, dass du nun fünfundzwanzig bist, siehst zu ziemlich jung aus. Jedoch finde ich es schön, dass wir wieder zueinander gefunden haben und ich verspreche dir, dass du hier raus kommst, sobald ich dir jeglichen Schmerz auf dieser Welt hinzugefügt habe. Damit du weißt, wie ich mich gefühlt habe, als du mich verlassen hast.“
„Ich kenne keine Lucy, aber sollte sie es geben, kann ich ihre Tat vollkommen nachvollziehen. Du bist ein grauenvoller Mensch, mit dem sich niemand rumschlagen möchte“, entgegnete ich mit leiser und dennoch wütender Stimme.
Seufzend entfernte sich Ian wieder von mir und baute sich vor mich auf, sah machtvoll auf mich herab und genoss es anscheinend, dass er mir überlegen war. „Es wäre so vieles einfacher, wenn du endlich mal aufhören würdest, Dinge zu verleugnen, Lucy.“ Mit diesen Worten schritt er aus dem verdreckten Raum und ließ die Metalltür laut hinter sich ins Schloss fallen.
Stöhnend schlug ich meinen Hinterkopf gegen die Wand hinter mich und schloss erschöpft meine Augen.
Harrys P.O.V
Wir befanden uns mittlerweile wieder im Internat und verschwendeten keine Zeit, weshalb wir auch gerade durch die Flure hasteten, jeder uns so ansah als wären wir bescheuert, und auf der Suche nach Matt waren. Zum Glück wurden wir auch schnell pfündig, als wir sein Zimmer betraten.
„Sag mir bitte, dass du weißt, wo Alice ist“, knurrte ich drohend, wollte die Verzweiflung in meiner Stimme so gut wie es ging vertuschen.
„Ian traut mir genauso wenig wie dir, Lynn. Ich war genauso geschockt, als ich eine leere Lagerhalle wieder gefunden habe“, erklärte er seufzend und fuhr sich durch seine dunklen Haare. „Aber ich habe eine Idee, wie wir sie finden könnten.“
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Ich beugte mich gefährlich nahe über dem Streber und tippte mit meinem Zeigefinger auf seiner Brust, während ich folgendes sagte: „Du wirst uns jetzt helfen, ein Handy zu hacken und deren Aufenthalt herausfinden, kapiert?“
Der Streber, von dem ich noch nicht einmal wusste, dass er hier in diesem Internat wohnte, nickte heftig, worauf ich mich langsam von ihm entfernte und Matt ihm lässig Lynns Handy in die Hand drückte.
Ich wunderte mich, dass Matt mir half. Wunderte mich, dass er doch nicht so ein Arschloch war, wie er sich in den letzten Wochen benommen hatte. Und war froh darüber, dass er jetzt an meiner Seite stand und mich nicht im Stich ließ.
Freak tippte irgendetwas in seinem Laptop und in Lynns Handy ein und es dauerte ungefähr zehn Minuten, bis er uns wieder das Handy in die Hand drückte.
„Und? Wo ist sie?“, drängelte ich neugierig, verzweifelt, panisch und wäre beinahe vor Adrenalin geplatzt.
Freak starrte auf seinen Bildschirm und runzelte die Stirn, ehe er uns drei nacheinander in die Augen sah. „Sie ist hier im Keller. Direkt unter uns.“
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Etwas kürzeres Kapitel, aber hey, dafür kam es super schnell. (: Ich hoffe euch gefällt es und seid froh, dass Alice nicht nur von fiesen Menschen umgeben ist. Und na? Wer könnte Lucy sein und was meint ihr; welche Vergangenheit hatte Ian mit Lucy? ^^
Habt ihr eigentlich noch irgendwelche Fragen? Also ich meine, die Story war ja an manchen Stellen ganz schön verwirrend (: wenn ihr welche haben solltet, dann stellt mir diese doch in den Kommentaren und ich versuche sie zu beantworten. Entweder antworte ich euch so, oder ich beantworte sie in der Story – also das Alice oder Harry die Antwort denkt, wenn ihr versteht was ich mein. (:
Habt noch einen schönen Tag, liebe euch xx
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dangerous » h.s
Fanfiction»Ich liebe dich« - »Ich weiß« © schneeflxttchen. Cover by @Vivi_Lynn