Chapter 5. •

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„Ach du heilige Scheiße!“, kreischte ich fluchend und fassungslos, während ich mich schnell von diesem Anblick wegdrehte und mir dennoch die Augen mit meinen Händen verdeckte. Dabei merkte ich, wie mir das Blut in die Wangen schoss und wie mir die Röte, wegen der Peinlichkeit, ins Gesicht stieg. Eigentlich hatte ich vor, wieder ganz schnell aus dem Zimmer zu verschwinden und ich diesen peinlichen Moment verarbeiten konnte, um ihn dann anschließend wieder ganz schnell wieder zu vergessen.

Ich habe verdammt nochmal Harry nackt gesehen!

Wieso tust du mir das an, Herr? Willst du, dass ich mir dadurch freiwillig die Augen herausreiße?

Doch mein grandios durchdachter Plan wurde durchkreuzt, indem ich gegen eine Brust knallte. Natürlich gegen Matts Brust, denn er war ja derjenige, der mich hierher führte und mir danach dicht hinter dem Rücken stand.

„Wird anscheinend wirklich zur Angewohnheit“, raunte mir seine tiefe Stimme ins Ohr. „Du kannst übrigens deine Augen wieder öffnen. Lynn und Harry haben jetzt mehr oder weniger etwas an.“

Lynn?!

Die Lynn, dessen Klamotten ich letzte Nacht getragen hatte? Wirklich diese Lynn schlief jetzt mit diesem Ekelpackt Styles?

Als meine Ohren Matts Satz einigermaßen verarbeitet hatten, öffneten sich meine Augen wie von selbst und wanderten zu dem Mädchen mit den lila Haaren, die mich breit angrinste. Sie lag in seinem Bett. Eine dünne, weiße Decke bedeckte die nötigsten Stellen, während Harry neben ihr lag und genervt drein blickte. Sie jedoch grinste breit. Hatte es anscheinend genossen, dass ein Psycho vorhin noch auf ihr lag und es ihr gründlich besorgte.

Bei diesem Gedanken schüttelte sich mein Körper vor Ekelerregen.

Ich wusste nicht wieso oder weshalb, aber eine unglaubliche Wut auf Lynn stieg in mir und war dabei, die Kontrolle meines Körpers und meines Verstandes zu übernehmen. Obwohl ich Lynn nicht wirklich kannte und auch nicht wirklich viel mit ihr zu tun hatte, fühlte es sich wie ein Verrat an. Immerhin führte sie sich mir gegenüber auf, als würde sie mich schon seit Jahren kennen. Als wären wir die besten Freunde unseres Lebens. Sie lud mich auf ihre Geburtstagsparty ein, lieh mir ihre Kleidung aus… und jetzt schlief sie mit jemanden, der nichts Besseres zu tun hatte, als mich zu beschatten, bedrohen und anschließend meinen Vater zu verletzen?

Ich glaub, ich bin hier im falschen Film gelandet.

Ich ballte meine Hände zu Fäusten; jeder Muskel in meinem Körper spannte sich an, während ich die Beiden wütend anfunkelte. „Wir müssen reden, Harry.“ Egal wie sehr ich ihn hasste, ich bevorzugte es lieber, erst einmal mit ihm alleine zu sprechen, ehe ich ihn vor allen bloßstellte. So herzlos war ich nun wiederrum auch nicht. Zudem wollte ich auch ungern eine große Show veranstalten. Es musste ja nicht jeder wissen, wie sehr mich Harry in seinen Klauen hatte.

„Juckt mich nicht“, meinte er nur provokant und grinste mich mit dem üblichen herablassenden Blick an. Ihm schien das hier alles kein Bisschen zu interessieren. Typisch, irgendwie.

Ich verschränkte meine Arme vor der Brust: „Okay. Dann juckt es dich wahrscheinlich auch nicht, wenn ich die Polizei rufe. Ich habe einen ziemlich guten Draht zu denen und wenn ich ihnen mal so erzähle, was hier abgeht…“ –„Ist ja gut! Ist ja gut, man“, unterbricht mich Harry entnervt und harsch. Einerseits war ich ja schon erleichtert, dass Harry mich unterbrach, denn sonst wäre der Vorsatz, keine große Show zu veranstalten, überflüssig.

Einige Minuten gingen von dannen, in denen Harry Lynn grob aus dem Bett schubste, sie nackt durch den Zimmer laufen musste um ihre Kleidung aufzusammeln – wobei diese penisgesteuerten Kranken diesen Anblick mehr als genossen und ich die Augen verdrehen musste – bevor sie dann endlich mal mit Matt einen Abgang machte und mich mit Harry alleine ließen.

Die Tür fiel laut ins Schloss. Harry hatte sich bereits ebenfalls angezogen – mehr oder weniger, er trug nur eine Jeans und präsentierte mir seine vielen Tattoos auf seinem Oberkörper, die teils keinen Sinn für mich ergaben – und stand nun einen Meter von mir entfernt. Was mir jedoch noch irgendwie zu nahe war. Am liebsten hätte ich mich in die hinterste Ecke dieses Raumes verkrochen, um so viel Distanz wie möglich zwischen uns zu bringen, doch ich blieb auf meinem jetzigen Standpunkt stehen und ließ mir von meinen Gedanken nichts anmerken.

Allmählich wurde ich nervös, was sich dadurch entschließen ließ, dass mein Herz im Sekundentakt gegen meinen Brustkorb pochte und ich einen sehr großen Drang verspürte, einen Rückzieher zu machen und die Erinnerungen, die ich hier erlebte, endgültig hinter mir zu lassen. Jedoch versuchte ich mit aller Kraft, meine Nervosität nicht anmerken zu lassen, was sich schwerer erwies, als gedacht.

Mein Mund war staubtrocken, genauso wie mein Hals. Es wurde hier plötzlich unglaublich heiß, wodurch ich zu schwitzen begann. Und dennoch holte ich tief Luft und fing an endlich das auszusprechen, was mir so sehr auf der Seele lag: „Ich weiß nicht, was genau bei dir schief gelaufen ist; ob es an deinen Eltern liegt oder irgendetwas anderes, aber das ist kein verdammter Grund, jemand unschuldiges so derartig fertig zu machen -“

„Was laberst du da für n Bullshit?“, unterbrach mich Harry nicht gerade freundlich, während er mich leise auslachte. Aber anders hatte ich ihn ja noch nie gesehen und würde es womöglich auch nie tun.

„Ich labere von dem, was gestern, beziehungsweise heute Morgen, passiert ist!“ Meine Stimme wurde unabsichtlich lauter und ich war kurz davor vor Wut zu explodieren. Wenn der jetzt auf einen unschuldigen Hasen tat, würde ich mir ein Schießgewehr anschaffen und ihn kaltblütig erschießen.

Harry trat einige Schritte näher und ich wollte schon zurücktreten. Doch dann fiel mir ein, dass ich ihm nicht zeigen wollte, wie sehr ich eigentlich Angst vor ihm hatte. Ich wollte mal den Spieß umdrehen und der Jäger sein – und er der Hase, obwohl ich stark bezweifelte, dass ich ihm jemals Angst einjagen könnte.

„Was ist denn heute Morgen passiert?“, hauchte er nichtwissend und ahnungslos. Aber diese Masche kaufte ich ihm ab, er war definitiv für den Unfall von meinem Vater verantwortlich! Er streckte seine Hand nach mir aus und ich beobachtete, wie sie eine rote Haarsträhne von mir hinters Ohr strich, ehe sie mit ihren Fingerspitzen meine Wange sanft lang fuhr.

Ein kalter und unangenehmer Schauer lief mir über den Rücken, als seine warme Hand meine Haut berührte, während ich innerlich unter Strom stand. Mein Herz schlug so laut und schnell, dass ich es selbst hören konnte und ich befürchtete, dass Harry es auch hörte. So unwahrscheinlich das auch klingen mag.

Es war irgendwie komisch, dass er mich berührte. So zart und leicht. So als würde ich ihn nicht verabscheuen. So, als wäre er ein ganz normaler Junge, mal abgesehen von seinen vielen Tattoos und Piercings, die seinen Körper zierten und schmückten. Einerseits war es so ein ekelerregendes und unangenehmes Gefühl, seine Hand an meiner Wange zu haben, andererseits war es überraschend, wie mein Körper so elektrisierend auf seine Berührung reagierte.

Doch ich war nicht von der dummen Sorte und wusste, dass dies womöglich nur ein Ablenkungsmanöver sein sollte. Wieso sollte Harry Styles mich sonst berühren?

Ich raffte meinen ganzen Mut zusammen, ehe ich Harry wütend in die smaragdgrünen Augen, die emotionslos auf mich herab sahen, starrte. „Tu nicht so auf ahnungslos!“

Ein breites Grinsen, das seine geraden, weißen Zähne entblößte, schlich sich auf seine Lippen. Er sagte nichts, sondern sah mir direkt in die Augen. Wollte mich wohl damit provozieren, doch ich war in seinem Blick gefangen. Nicht in der Lage dazu, noch irgendetwas Vernünftiges zu sagen oder klares zu denken. Ich versuchte mit aller Kraft seinen Blick zu deuten, merkte jedoch dabei nicht, wie er sich mir langsam näherte. Bis seine Lippen einen Zentimeter über meine schwebten. Sein Grinsen verschwand allmählich und seine Augen hatten nur noch meine Lippen im Visier. Aber in diesem Moment schaltete sich glücklicherweise mein Verstand wieder ein und als ich ihn gerade wegschubsen wollte, tat er es.

Er küsste mich.



dangerous » h.sWo Geschichten leben. Entdecke jetzt