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Es war ein berauschendes Gefühl, zu spüren wie der Wind sich durch mein Sandfarbenes Fell kämpfte, und meine Haut kühlte.

Das gleichmäßige trommeln meiner Pfoten auf dem Waldboden hörte ich schon seit Stunden. Meine Ausdauer war beachtlich. Ich rannte und rannte, immer weiter nach Norden. Unser Territorium hatte ich schon längst verlassen, durchquerte verschiedene abschnitte der Wälder, kam an Bächen und Seen vorbei und schlich über ein großes Feld. Inzwischen war es dunkel geworden. Der Himmel wurde von Sternen bedeckt und der Boden von einer sanften Schneedecke. Gähnend hielt ich nach einem Schlafplatz Ausschau, konnte jedoch keinen passenden finden. Es fröstelte mir, durch den Schnee welcher ab und an von den Bäumen fiel, war mein Rücken ganz durchnässt.

Als ich etwas weiter Hinten eine Höhle entdecken konnte, spitzte ich die Ohren und lief darauf zu. Etwa auf der Hälfte, durchzog mein Rechter Vorderlauf einen ungeheuren Schmerz. Suchend blickte ich mich um und fand die Bärenfalle an meinem Bein. Tief hatte sie sich in mein Fleisch gegraben und färbte den Schnee rot. Jaulend riss ich daran und versuchte das Teil los zu werden. Ohne Erfolg. Würde ich mich jetzt in einen Menschen verwandeln, könnte das böse ausgehen.

Panik machte sich in mir breit. Was, wenn mich ein Rudelloser Wolf angriff? Ich konnte mich nicht wehren.

Die Müdigkeit übernahm die Oberhand und ich sank mit der Bärenfelle an der Pfote zu Boden. Ich belastete das Bein so gut wie gar nicht und schloss die Augen. Morgen würde ich sehen wie ich hier weg komme. Morgen...

Ein knurren ließ mich hoch schrecken. Anhand der Sterne am Himmel und meinem Dröhnenden Kopf hab ich maximal ein bis zwei Stunden geschlafen. Der Schnee hatte sich in meinem Fell verfangen und betäubte die Schmerzende Stelle an meinem Knöchel. Ob er gebrochen war? Wächst er gerade schief zusammen?

„Wer bist du?" knurrte die fremde Stimme in meinem Kopf. Suchend blickte ich mich um und vernahm einen fremden Geruch hinter mir. Ich drehte mich zu ihm und betrachtete den dunklen Wolf vor mir.

„Hanna" sagte ich.

„Du hast hier nichts zu suchen, Hanna! Der Alpha wird sich freuen!" Belustigung schwang in seiner Stimme mit.

„Helf mir aus der Bärenfalle und ich bin sofort weg!" versuchte ich zu verhandeln.

„Vergiss es. Milan? Hol den Boss." Gab der Wolf von sich. Erst jetzt sah ich den kleinen Schwarzen Wolf neben ihm, der sich in der Dunkelheit mehr als nur gut tarnen konnte.

Ich sah panisch zwischen den beiden hin und her. Im nu war der kleine verschwunden. Verzweifelt legte ich den Kopf in den Nacken und begann zu heulen. Schneller als mir lieb war hörte ich wie die sich zwei Wölfe näherten. Ein Grauer Wolf sprang zwischen den Bäumen hervor und knurrte bedrohlich.

„Sie hat das Territorium ohne Erlaubnis betreten, Alpha." Schilderte der Wolf das offensichtliche.

„Und sie ist verletzt!" Milan hatte ein Bündel Klamotten fallen gelassen und schaute meine Pfote besorgt an.

Der graue Wolf trat näher an mich heran. Ich machte mich so klein wie möglich, zog den Schwanz ein, legte die Ohren an und begann zu winseln.

„Scheiße, Hanna?!" hörte ich Theis bekannte Stimme in meinem Kopf.

Ich schaute erschrocken hoch und blickte in zwei rot glühende Augen.

„Theis!" rief ich, teils erleichtert, teils ängstlich.

„Was ist denn mit dir passiert?!" fragte er entsetzt und betrachtete meine Pfote.

„Ich hab mich mit meinem Vater gestritten, bin abgehauen und hab mich ausversehen in der Bärenfalle verirrt." Schilderte ich.

Milan bring ihr meinen Pullover und Eric... Du sagst den anderen Bescheid. Ihre Pfote muss behandelt werden." Wortlos bewegten sich die Wölfe weg von uns.

Als ich mit Theis allein war, atmete ich erst einmal beruhigt aus.

Er verwandelte sich zurück, brach die Bärenfalle auseinander und reichte mir seinen Pullover, den Milan ihm vor die Füße geschmissen hatte. Unter größten schmerzen gelang es mir, meine Menschliche Form zurück zu bekommen und seinen Pullover an zu ziehen. Zwar hatte ich keine Unterwäsche, aber der Pullover war schon mal sehr hilfreich.

„Steig auf!" sagte Theis und legte sich auf den Boden. Ich rutschte auf ihn drauf und vergrub meine Hände in das Fell.

Zügig lief er los. Geschmeidig überwältigte er Felsen und Hügel, drehte sich öfter zu mir um und erkundigte sich nach meinem Befinden.

Sein Körper strahlte Wärme aus, sodass es mir, außer meines schmerzenden Handgelenkes, eigentlich ziemlich gut ging. Fasziniert beobachtete ich, wie sich die Muskelstränge bewegten, als wir den Berg immer höher hinauf stiegen.

Als sich der Wald etwas lichtete, durchbrachen schon erste Sonnenstrahlen die Bäume.

Plötzlich nahm ich die verschiedensten Gerüche wahr. Hier oben lebte ein Rudel? Sein Rudel?! Mir klappte der Mund auf, als ich das Monströse Rudelhaus sah, welches Zwischen einigen Felsbrocken konstruiert wurde. Davor war eine Lichtung mit mehreren kleinen Einfamilienhäusern.

Alles lag friedlich vor uns, schließlich war es ja auch erst früh am Morgen.

Die Türen des Hauses öffneten sich und neugierige Augenpaare schauten mich an. Eine Frau, ja sogar die gleiche Frau, welche auch bei den Alphaspielen anwesend war, schmiss Theis etwas zum Anziehen ins Gesicht.

„Setz dich." Sagte ein Mann mittleren Alters. Das ich nur in einen viel zu großen Pullover anhatte, schien keinen zu interessieren.

„Sie hat sich an einer Bärenfalle verletzt." Sagte Theis, der nun verwandelt und frisch angezogen neben mir stand.

„Das bekommen wir wieder hin." Sagte der ältere Mann und lächelte mich aufmunternd an, als er meine Blutende Hand nahm und sie genauer begutachtete.

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