Als ich zu Hause ankam, stand das elektrische Gartentor offen. Die Mittagsblumen blühten in der strahlenden Sonne, der Rasen wuchs in einem satten Grün. Bald würde mein Vater wieder mit seinem knallorangenen Rasenmäher das Gras abmähen und meine kleine Schwester würde unbedingt auf seinem Schoß mitfahren wollen. Sie liebte besonders den Schnellgang des Rasenmähers, aber alleine fahren durfte sie noch nicht. Ihre Beine waren nicht lang genug, um die Kupplung treten zu können. Außerdem war das Mähen mit den scharfen Messern des Mähwerks noch zu gefährlich, betonte unser Vater immer.
„Avery!", hörte ich einen schrillen Schrei aus dem Haus. Die Fenster waren auf und Mia lehnte an der Fensterbank. Sie winkte mir aufgeregt zu.
„Hey, ich habe gerade an dich gedacht", sagte ich, als Mia die Terrassentür aufstieß. Sie sprang mir entgegen, wobei ihre braunen Locken hochflogen. Ich hatte Mühe, meine kleine Schwester zu halten, so schnell war sie mir in die Arme gesprungen.
„Echt? Wieso hast du an mich gedacht?" Mia hielt sich an meinen Händen fest, doch dann rutschte sie langsam an mir herunter, bis sie wieder mit ihren Füßen auf dem Boden aufkam. Ihr Lachen war so herzlich, dass in mir eine wunderbare Wärme aufstieg.
„Ich habe daran gedacht, dass ihr bald mal wieder den Rasen mähen solltet." Ich lächelte und Mia klatschte aufgeregt in ihre Hände. „Kann es sein, dass du immer mehr Sommersprossen kriegst?" Ich strich mit meinem Finger über Mias Nase und sie lachte laut auf. Die Sommersprossen verteilten sich über ihre Nase, bis hin zu ihren Wangen.
„Wo sind Mum und Dad denn?", fragte ich. Mia deutete zum offenen Gartentor.
„Haben sie dich alleine hiergelassen?" Entsetzt betrachtete ich das Gartentor. Unsere Eltern hatten immer sehr viel Acht auf uns gegeben. Einfach wegzufahren, das war eigentlich nicht ihre Art.
„Mum hat gesagt, du kommst bestimmt bald nach Hause", flüsterte Mia. In ihren Augen sammelten sich Tränen an. Eilig kniete ich mich vor meiner kleinen Schwester auf den Rasen. Ich sah Mia irritiert an, denn ich verstand nicht, was für meine Eltern wichtiger sein konnte als ihre kleine Tochter.
„Nicht weinen, Süße. Was hältst du davon, wenn wir uns eine Pizza aufbacken? Das dürfen wir sonst nicht, aber wenn Mum und Dad schon mal weg sind ..." Ich hob meine Augenbraue, um Mia zu überzeugen. Das brachte sie normalerweise immer zum Lachen. Doch heute nicht. Sie wischte sich mit ihrer kleinen Hand über die Augen.
„Gut, dann entscheide ich, was wir essen", murmelte ich. Nachdenklich kratzte ich mich an der Stirn. Mia beobachtete mich dabei. Ihre sonst so leuchtenden, grünen Augen waren immer noch gefüllt von salzigen Tränen.
„Pizza Hawaii?" Mia sah mich mit großen Augen an. Ich nickte sofort.
„Soll ich dir dann wieder mit der Ananas helfen?", wollte ich wissen.
„Das wäre gut." Mia wischte sich noch einmal die Tränen aus den Augen, bevor sie nach meiner Hand griff.
Wir betraten das Haus, schlossen die Terrassentür hinter uns und ich legte meine Tasche mit den Schulbüchern ab. Mia lief schon zum Gefrierschrank vor. Ich folgte ihr schließlich und gemeinsam holten wir unsere Pizzen aus dem eiskalten Fach heraus.
Mia erzählt von ihrem Tag, von dem Heidelbeerjoghurt, den sie nach dem Frühstück gegessen und von den Sammelfiguren, die sie von einer Freundin geschenkt bekommen hatte. Ich hörte ihr währenddessen konzentriert zu, warf hier und da sogar ein paar Witze ein. Mia schien sich wieder ein wenig beruhigt zu haben, doch mich ließ die Tatsache nicht los, dass meine Eltern Mia normalerweise nicht alleingelassen hätten. Das hatten sie noch niemals getan.
„Was hältst du davon, wenn wir nach dem Essen zu Nana gehen?" Ich strich Mias Locken zurück und befestigte den Zopf mit meinem Haargummi.
„Können wir auch Blumen pflücken und Joghurt essen?", hakte Mia nach. Etwas verwirrt von dieser Frage, nickte ich. „Klar." Dann stellte ich Teller auf den Esstisch.
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Lügennetze
Teen FictionAverys perfekte Welt bricht auseinander. Um ihr Ansehen zu bewahren, flüchtet sie sich in Lügen. Doch ausgerechnet der von ihren Freunden verhasste Chris weiß Bescheid und obwohl Avery sich mit Händen und Füßen dagegen zu wehren versucht, schleicht...