Kapitel 18

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Chloe und Steph hatten sich bereits von uns verabschiedet. Josie machte sich auf den Weg in die Bibliothek. Außerdem musste sie nach der Schule noch zu Hause helfen. Dementsprechend standen bloß noch Emma und ich im Schulflur. Wir unterhielten uns über die Prüfungen und auch über das Wetter, aber vermieden Themen wie Drogen, Familie und Freunde. Dabei war ich mir sicher, Emma ahnte bereits, dass ich ihr noch nicht alles erzählt hatte.

„Ist es wirklich in Ordnung, wenn Liam mir bei Mathe hilft?" Emma kaute auf ihrer Unterlippe. „Ich weiß, er ist dein Freund und ich bin deine beste Freundin ... Aber Liam ist ein Mathegenie. Ich will auch nicht durchfallen ..."

„Schon okay", sagte ich schnell.

Skeptisch musterte Emma mich. „Bist du dir ganz sicher? Ich habe vorhin so voreilig gefragt und erst danach ist mir aufgefallen, wie seltsam du darauf reagiert hast."

„Ich war nicht wegen dir so merkwürdig drauf." Ich schüttelte lächelnd meinen Kopf. Emma wirkte zuerst erleichtert, doch dann sah sie mich ernster an, als je zuvor.

„Als du gerade vom Draufsein gesprochen hast, ist es mir wieder eingefallen", merkte Emma an. Ich verdrehte meine Augen, um zu demonstrieren, dass Emma falsch lag mit ihrer Vermutung. Wie lange wollte sie mich noch mit dieser Kleinigkeit aufziehen?

„Ich muss los", verkündete ich, als ich auf mein Handy sah. In einer Stunde gab es bereits Essen und keiner kochte besser als meine Nana.

„Bis dann!" Emma lachte. „Mach nichts Unvernünftiges!"

Mir blieben die Worte im Hals stecken, als ich realisierte, was Emma soeben gesagt hatte. Vor meinem inneren Auge sah ich Chris in seiner Küche stehen. Ich musste an Lianne denken und daran, dass ich Chris gesagt hatte, er würde immer mit mir reden können. Ich seufzte, weil ich wusste, es würde schwer werden, mich von seinen Sprüchen und Launen, von seinen tiefblauen Augen und seiner Art zu trennen.

„Viel Spaß beim Lernen ...", murmelte ich. Emma zeigte mir ihren erhobenen Daumen, was bedeuten sollte, dass schon alles gut werden würde. Dann drehte sie sich um und lief zurück in Richtung der Gruppentische.

Ich machte mich auf den Heimweg. Der Himmel war bewölkt und es fielen vereinzelte Regentropfen. Genervt starrte ich die graublauen Wolken an. Dann blickte ich wieder auf den Fußgängerweg vor mir. Die Steine wurden immer dunkler vom Regen.

Es dauerte nicht mehr lange, da konnte ich die Fachwerkhäuser der Altstadt bereits erkennen. Als Fünftklässlerin hatte ich immer ab genau diesem Zeitpunkt gewusst, wie lange ich noch bis nach Hause brauchte. Ich hatte an das Essen meiner Mum gedacht und mich auf den Nachmittag mit ihr gefreut. Obwohl meine Mutter streng war, war es schade, dass wir uns mittlerweile nicht mehr sahen. Meine Wut auf Mum und Dad war in den letzten zwei Monaten fast gänzlich verflogen. Sie hatten mich zwar belogen, doch sie hatten mir ebenfalls das Leben gerettet, als sie mich damals adoptiert hatten ...

„Das war echt kitschig vorhin"." Chris tauchte neben mir auf. Er sah nicht besonders glücklich aus, das sah ich ihm sofort an"

„Meinetwegen hätte Liam nicht so dick auftragen müsse"." Ich blieb stehen und strich mir eine nasse Haarsträhne aus dem Gesicht. Warum hatte es auch ausgerechnet jetzt anfangen zu regnen"

„Lass uns dort drüben warten, bis der Regen vorbei ist", schlug Chris vor. Ich folgte ihm zu einem kleinen, überdachten Häuschen, welches als Bushaltestelle diente.

Wir betraten das Häuschen und schauten schließlich beide vom Trockenen hinaus in den Regen. Das Prasseln des Regens auf dem Asphalt hörte sich angenehm gleichmäßig an. Ein rotes Auto fuhr an uns vorbei. Die Scheibenwischer wischten in einem schnellen Tempo auf der Autoscheibe hin und her ...

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