Kapitel 37

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Als wir Chris Wohnung erreichten, war ich schon total erschöpft. Der Weg hatte mich körperliche und mentale Kraft gekostet. Immer wieder war ich den Abend in meinem Kopf durchgegangen. Chris war stets bei mir gewesen. Ich erinnerte mich an keine Sekunde, in der er mich aus den Augen gelassen hatte. Nur wie zum Teufel war es dann soweit gekommen?

Mit einem tiefen Seufzer half ich Chris, sich auf die Couch zu legen. Feine Schweißperlen bildeten sich auf seiner Stirn. Er war ganz benommen, sodass ich ihn bloß mit einer weichen Decke zudeckte und ihm einen zärtlichen Kuss auf die Lippen drückte. Für einen Moment hielt ich inne. Es war alles so schnell gegangen ...

Ich zog die Gardinen zu und knipste das Licht aus. Es war noch weit vor Mitternacht.

Also begann ich, die Küche aufzuräumen. Ich spülte das Geschirr ab, bevor ich den Tisch abwischte und mich letztendlich auf den Küchenstuhl fallen ließ. Mein Kopf dröhnte, wie noch nie zuvor. Ich dachte über Chris nach undmusste anschließend wieder an Emma denken. Die Vorwürfe, die ich mir machte, rissen mich noch tiefer rein. Ich schluckte schwer, als ich spürte, wie sich Tränen in meinen Augen bildeten.

Nein, sagte ich mir, ich musste jetzt stark sein. Für Chris. Für Emma. Für all die Menschen, die mir am Herzen lagen.

Mein Blick schweifte durch die Küche. Er blieb an einer Zigarettenschachtel hängen. Mich packte die Wut über Chris selbstzerstörendes Verhalten. Ich konnte das nicht mehr länger mit ansehen.

Mit rasendem Herzen sprang ich vom Stuhl auf. Wutentbrannt packte ich die Pappschachtel und warf sie energisch in die hinterste Ecke auf den Boden. Ich vergrub das Gesicht in meinen Händen. Dann trat ich vor, hob die Zigarettenschachtel auf und stopfte sie niedergeschlagen in den Mülleimer.

Ich sank zu Boden. So saß ich bestimmt eine halbe Stunde da, starrte ins Nichts und stand anschließend wieder auf, um mir Anziehsachen von Chris zu holen. Die Kommode quietschte leise. Erschrocken schaute ich auf, doch Chris lag schlafend auf der Couch. Er wirkte so friedlich, dass man gar nicht auf die Idee käme, er könnte irgendwelche Probleme haben. Aber die Probleme waren da. Ob mit seiner Familie oder Freunden, alleine oder in Gesellschaft. Ich wusste nicht, was schlimmer war.

Nachdem ich mich umgezogen und Zähne geputzt hatte, überlegte ich, ob ich mich neben Chris legen sollte. Das Schlafzimmer war immerhin gleich nebenan.

Letztendlich entschloss ich mich dazu, mich möglichst leise neben Chris zu legen. In der Hoffnung, dass er dabei nicht aufwachte.

„Was ist passiert?", krächzte Chris plötzlich.

Ich tastete nach dem Kissen und schob es mir unter den Kopf. „Du warst vollkommen neben der Spur, nachdem wir von der Party weggegangen sind."

Chris atmete schwer. Ich starrte in die Dunkelheit.

„Sei ehrlich. Hast du Drogen genommen? Ich weiß, es wäre eine Leichtigkeit für dich, an irgendwelche gefährlichen Substanzen zu kommen, mit denen du dich ausschalten könntest." Man hörte den Schmerz aus meiner Stimme heraus. Dieses Thema quälte mich. Es saugte mir die letzte Kraft aus dem Körper.

„Avery, wieso denkst du das von mir?" Chris setzte sich auf. Unter schmerzerfüllten Lauten ließ er seinen schlappen Körper wieder auf die Couch sinken. Ich spürte seine Hand an meiner Schulter. Er zog mich zu sich und ich ließ es zu.

„Ich weiß einfach, dass du dazu neigst, Probleme jeglicher Art zu verdrängen. Und ich kann mir auch vorstellen, dass ... naja, ich kann mir vorstellen, dass du deine Gedanken irgendwo drin ersticken willst", stammelte ich.

Chris klang empört. „Weißt du, was ich dir versprochen habe?"

„Ja, klar."

„Dann denk daran. Du kannst mir vertrauen. Ich werde dich niemals wieder belügen. Es war ein großer Fehler, mich auf Damian einzulassen! Aber stell dir vor, es war unfassbar unwahrscheinlich, dass ich mich überhaupt verlieben würde. Ich dachte, ich wäre irgendwie unfähig, so etwas zu empfinden. Da war immer nur dieser Hass auf die Welt, auf mich und deswegen habe ich meine Gefühle versucht abzustellen. Auch an jenem Abend", erklärte Chris leise.

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