Kapitel 14

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Der Morgen im ärmlichen Viertel war genauso geplagt von Müdigkeit, wie der alltägliche Morgen in meinem Zuhause, bei meiner Nana. Es machte keinen Unterschied, wo ich mich befand, sondern viel mehr mit wem ich dort war.

„Hast du gut geschlafen?", brummte Chris. Er stand von der Couch auf. Seine Haare waren komplett zerzaust und er trug bloß seine Boxershorts. Das kannte ich nicht einmal von Liam so, also drehte ich mich abrupt von Chris weg.

„Ich habe davon geträumt, dass mich jemand quer durch das Land jagt. Dein blöder Film von gestern Abend ist schuld!", rief ich Chris nach. Er verschwand im Badezimmer.

„Du hast gesagt, ich kann mir einen Film aussuchen!", hörte ich Chris schmunzelnd sagen. Dann ging die Dusche an. Das Wasser prasselte laut und ich setzte mich zurück auf die Couch. Sie war nicht ganz so bequem wie das Bett, in dem ich die letzte Nacht geschlafen hatte, doch ich hätte mir ebenso gut vorstellen können, auf der Couch zu schlafen. Nächstes Mal würde ich mich von Chris nicht mehr breitschlagen lassen, das Bett zu nehmen. Immerhin war ich der Gast.

Während ich noch meinen Gedanken nachhing, öffnete sich schon wieder die Tür zum Badezimmer. Chris lief in Richtung der Küche und verschwand schließlich hinter einer Ecke. Ein Geräusch, welches sich nach der Kühlschranktür anhörte, sorgte dafür, dass mein Magen zu knurren begann. Ich folgte also den verlockenden Geräuschen, nur um Chris dann doch in seinen Boxershorts zu sehen.

„Kannst du dir nicht wenigstens zum Essen etwas Vernünftiges anziehen?", fragte ich stirnrunzelnd. Chris sah an sich herunter. Zögerlich zog er etwas aus dem Kühlschrank heraus. Es entpuppte sich als Toastbrot, welches Chris sofort in den Toaster steckte.

„Avery, was ist an Boxershorts unvernünftig?" Chris grinste mich herausfordernd von der Seite an. Mir stockte augenblicklich der Atem. Ich musste instinktiv weggucken.

„Es ist einfach unvernünftig, halbna-" Ich schüttelte meinen Kopf, als Chris mich immer noch angrinste. Er machte einen Schritt auf mich zu, wobei die Kühlschranktür mit einem leisen Klappen hinter ihm zufiel.

„Was wolltest du gerade sagen?" Chris kam dichter und ich machte einen provisorischen Schritt nach hinten. An meinem Rücken konnte ich bereits die kühle Betonwand spüren. Mein Herz machte einen Satz. Bei jedem anderen Menschen wäre ich in spätestens diesem Augenblick geflüchtet. Nur bei Chris nicht.

„Ich wollte gar nichts sagen." Ich lächelte peinlich berührt.

„Da war doch was ..." Chris stand nun direkt vor mir und ich kniff wie ein kleines Kind meine Augen zusammen. Mich würde er nicht provozieren können, beschloss ich. Und ich konnte unglaublich stur sein, wenn ich es wollte.

„Avery ..." Chris zog meinen Namen unnötig in die Länge. Seine raue Morgenstimme hinterließ dabei eine Gänsehaut auf meinem Körper. Ich musste unwillkürlich blinzeln. Als er seine Arme ein wenig anhob, öffnete ich meine Augen gänzlich. Fragend sah ich Chris an, doch er gab mir keine Antwort. Stattdessen legte er seine Hände an meine Taille. Es war fast so, als hätte jemand seine Hände nur für diesen Zweck geformt. Sie passten perfekt und sorgten für ein aufregendes, aber trotzdem wohliges Gefühl in mir.

Meinetwegen hätte dieser Moment ewig dauern können. Und als Chris seinen Blick auch noch hob, um mir direkt in die Augen zu sehen, war es vollkommen um mich geschehen. Ich atmete unkontrolliert. Es war einfach unglaublich, wie mein Körper auf Chris reagierte. Dabei hatte ich gedacht, dass mir jemand wie Chris jemals so gut gefallen könnte. Es war nicht nur sein Aussehen, sondern viel mehr seine Art zu reden, zu gestikulieren und sein total bescheuertes Grinsen. Damit konnte Chris mich sogar richtig aufregen und ich würde trotzdem nicht mehr weggehen wollen. Chris hatte es geschafft, mich in seinen Bann zu ziehen.

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