Kapitel 36

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Chris hatte nicht gelogen. Er kannte tatsächlich die richtigen Leute und wusste, wo sie die besten Partys des Jahres veranstalteten. Hier gab es Lampions in ausgefallenen Farben und eine atemberaubende Sammlung an verschiedensten Lichterketten. Es funkelte und glitzerte, wie an Weihnachten. Doch anstatt frischer Zimtsterne roch ich den Geruch von Alkohol.

„Für sie nicht", brummte Chris, als mir ein Junge einen Shot vor die Nase hielt. Ich verdrehte genervt meine Augen. Chris war nicht mein Aufpasser und ich hatte nicht die geringste Lust dazu, von ihm wie ein kleines Kind behandelt zu werden.

„Wir sind nicht hier, damit wir nüchtern um dreiundzwanzig Uhr nach Hause gehen können!", beschwerte ich mich.

Chris hob eine Braue. „Wir können auch bis Mitternacht bleiben."

Für diesen Satz boxte ich ihm in die Seite. Chris schenkte mir ein schwaches Lächeln. Er deutete hinüber zu einer Gruppe von Jugendlichen, die mithilfe einer drehenden Flasche in der Mitte, Partyspiele spielten.

„Chris, was machst du denn hier?", rief ein fremder Typ zu uns rüber. Seine pechschwarzen Haare standen wie Igelstacheln von seinem Kopf ab. Verrückte Welt.

„Ich wollte nur mal gucken, was ihr so macht!" Chris winkte ab, doch der Typ ließ ihn nicht mehr aus den Augen. Nun kam er dichter. Ich roch den Ärger bereits, als Chris mich wiedermal überraschte. Er klopfte dem Fremden freundschaftlich auf die Schulter. Verblüfft trat ich zurück.

„Das ist Ian. Wir waren früher ziemlich gut befreundet", sagte Chris.

„Das stimmt nicht ganz!" Ian lachte laut auf. „Wir waren dann ziemlich gut befreundet, wenn Chris neuen Stoff mitgebracht hat."

Ich lächelte gequält, denn ich fühlte mich so fehl am Platz, wie schon lange nicht mehr. Hätte ich gewusst, dass Chris hier alte Bekannte treffen würde, mit denen er sich über das Drogengeschäft unterhielt, wäre ich nicht mitgekommen. Es störte mich zwar nicht, dass er die Drogen verkaufte, doch ich bekam trotzdem jedes Mal ein flaues Gefühl in meiner Magengegend. Das konnte nicht gut enden.

„Bedien' dich." Chris zog ein Tütchen aus der Hosentasche seiner Jeans. Geschickt spielte er es seinem Freund zu. Ian begutachtete das weiße Pulver kritisch. Ich distanzierte mich unbewusst.

„Danke, Mann." Verblüfft ließ er das Tütchen in seine Tasche gleiten. „Jetzt kann es losgehen!" Nun sah Ian zu mir. „Herzlich Willkommen, Chris Freundin!"

Ich beobachtete, wie Chris seinen Kumpel prüfend ansah. Seine Augen hatte er dabei ein wenig zusammengekniffen. Er mochte es nicht, wenn mich andere Männer ansprachen. In diesen Situationen war er sehr sensibel. Es brauchte nur noch einen kleinen Funken und Chris ging hoch wie eine Bombe.

„Willst du mitmachen bei dem Spiel?" Chris deutete zu Ian, der sich wieder zu seinen Freunden gesellt hatte.

Ich zuckte mit den Schultern. „Klar, warum nicht?"

Also gingen wir zu den Jugendlichen, die sich in einem Kreis versammelt hatten. Einige von ihnen waren schon völlig betrunken. Ein blondes Mädchen war eingewickelt in einen Schlafsack. Sie rollte sich auf dem Boden und ihre aufgedrehte Freundin lachte sie deswegen aus. Ich musste unwillkürlich lächeln. Chris warf mir einen vielversprechenden Blick zu. Gleich würde die Party erst so richtig beginnen!

„Jen, entschuldige, dass es so lange gedauert hat!" Eine mir bekannte Stimme riss mich aus meinen Gedanken. Chris bekam davon nichts mit, doch ich drehte mich auf dem Absatz um. Vor mir stand meine Freundin Steph, ein Tablett mit Shots im Arm.

Sie hatte sich ihre Haare gelockt und trug ein glitzerndes Top aus Pailletten. Ich hatte gar nicht gewusst, dass sie hier Freunde hatte. Immerhin sprach sie oftmals ziemlich abfällig über dieses Viertel. Verwundert sah ich meine beste Freundin an. Unsere Blicke streiften sich. Am liebsten hätte ich irgendetwas Lockeres gesagt.

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