Kapitel 2

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Gleich am ersten Schultag hatten wir in den ersten zwei Stunden Zaubertränke bei Professor Snape. Nach einem entspannten Frühstück in der Großen Halle lief ich mit Penny und Ruby also hinunter in die düsteren Kerker der Schule. Aaron hatte in seinen ZAG in Zaubertränke nur mit Hängen und Würgen ein Annehmbar erhalten und wäre damit niemals in Snapes Kurs gekommen. Er war darüber allerdings auch ziemlich froh. Er hatte von uns allen am meisten Respekt, ja fast schon Angst vor Snape. Vielleicht hing es damit zusammen, dass Snape ihn gleich im ersten Schuljahr kopfüber von der Decke baumeln ließ, obwohl das verboten war. Aaron war vermutlich noch immer traumatisiert davon. Zumindest konnte er Snape absolut nicht leiden.

„Wieso muss das Schuljahr gleich so grauenvoll beginnen?", murmelte Ruby und verzog leidig das Gesicht. Ruby war wirklich gut in Zaubertränke, aber sie mochte Snape nicht sonderlich. Penny hingegen schien sich auf Zaubertränke zu freuen. Sie hatte eine angeborene Begabung für Tränke und deshalb war es auch ihr Lieblingsfach. Ich hingegen war eigentlich eine ziemliche Niete und kam bis jetzt nicht darauf klar, dass ich in meiner ZAG-Prüfung ein Ohnegleichen geschafft hatte. Vielleicht hätte ich in dem Fach besser sein können, aber es interessierte mich einfach nicht genug. Aber für eine Aurorenausbildung war es leider erforderlich.

Wir betraten den düsteren Klassenraum und setzten uns an einen Vierertisch. Da vermutlich nur wenige Schüler Zaubertränke weiter machten, hoffte ich, dass der vierte Platz einfach leer blieb.

„Was machst du denn hier, Grimmauld?", fauchte Lydia beinahe, als auch sie den Raum betrat. Sie sah mich entgeistert und gleichzeitig herablassend aus ihren stechend blauen Augen an. Ich verdrehte nur die Augen und ignorierte sie.
„Wie sollst du denn bitte ein Ohnegleichen geschafft haben?", stichelte sie trotzdem weiter.
„Wieso sollte ich es nicht geschafft haben, Lydia? Ich brauche im Gegensatz zu dir keinen Blutstatus oder das beste Haus, um mir den Kurs zu erschleichen", fauchte ich sie an. Gleichzeitig wusste ich aber auch, dass ich eigentlich nicht gut genug für ein Ohnegleichen gewesen sein konnte.
„Wertloses Schlammblut", knurrte die Blonde laut. Ich schnaubte verächtlich.
Die Wahrheit war, dass ich nicht wusste, was für einen Blutstatus ich hatte. Ich wusste nicht, wer meine Eltern waren und hatte nie erfahren, ob sie magische Fähigkeiten hatten oder nicht. Aber im Gegensatz zu Lydia war mir mein Blut völlig egal.

„Setzten Sie sich hin, Thomson!", durchkreuzte Snapes tiefe Stimme den Raum, bevor er eilig nach vorne lief und sich dort schwungvoll umdrehte. Sein Umhang flatterte dabei bedrohlich umher. Lydia drehte sich weg und setzte sich mit einem verächtlichen Lachen.

„Sie alle haben das Privileg, noch zwei weitere Jahre in der Kunst der Zaubertränke unterrichtet zu werden. Erweisen Sie sich als würdig oder ich lasse Sie aus meinem Unterricht suspendieren. Sie halten gefälligst den Mund, wenn Sie nicht gefragt werden und stellen auch sonst keine dummen Fragen. Heute werden Sie den Trank der lebenden Toten brauen. Versagen Sie nicht, ansonsten werde ich ernsthaft darüber nachdenken, dem ein oder anderen etwas davon zu verabreichen."
„Das meint er doch nicht ernst, oder?", flüsterte Ruby mir zu.
„Das meine ich ernst, Miss Kingham. Und nun sitzen Sie hier nicht rum, ich verlange Perfektion!" Ruby schaute mich eingeschüchtert an, stand dann aber mit mir auf, als ich die Zutaten suchen ging, die in meinem Buch ‚Zaubertränke für Fortgeschrittene' abgedruckt waren.

„Snape, würde das niemals machen", raunte ich ihr zu, als wir vor einem großen Schrank standen und uns im allgemeinen Treiben niemand sonderlich beachtete.
„Wieso hasst er uns so?"
„Weil wir Gryffindors sind, ganz einfach." Ich zuckte mit den Schultern und Ruby seufzte leise.

Wir drei Gryffindors machten uns an die Arbeit und fügten dem Trank nacheinander verschiedene Zutaten hinzu.
Ruby rührte nach einer ganzen Weile noch immer verzweifelt in ihrem Wermutsud herum, während aus meinem Kessel leichter bläulicher Dampf stieg. Penny gab uns immer wieder Tipps und half so gut sie konnte, wofür ich ihr ehrlich dankbar war. Snape begutachtete unsere Ergebnisse immer wieder kritisch und von Mal zu Mal wurden seine Blicke finsterer.

Am Ende der Stunde ging er noch einmal umher und schaute sich unsere Ergebnisse an.
Ich war nicht fertig geworden und starrte etwas betrübt auf die fliederfarbene Flüssigkeit vor mir.
„Schwach, Grimmauld", meinte Snape nur zu meinem Trank und ging weiter. Lydia grinste fies zu mir rüber, doch als Snape zu ihr lief, verschwand ihr Grinsen ganz schnell.
„Damit können Sie nicht einmal einer Fliege etwas zu Leide tun, Thomson. Also tun Sie nicht so, als wären Sie was Besseres", herrschte Snape sie an, was Lydia kurz zum Schweigen brachte.

„Füllen Sie alle eine Phiole Ihres Ergebnisses ab und bringen Sie sie beschriftet nach vorne. Dann waschen Sie die Kessel aus und verschwinden Sie. Ich will niemanden mehr von Ihnen sehen."
Stumm folgte ich der Anweisung und räumte dann meine Tasche zusammen. Lieblos stopfte ich mein Exemplar ‚Zaubertränke für Fortgeschrittene' in die alte Ledertasche und wollte bereits aus dem Raum gehen, als ich durch ein Gespräch aufgehalten wurde.
„Professor?" Es war Lydia, die ihren Hauslehrer ansprach.
„Was ist?"
„Es ist doch richtig, dass man in Ihren Unterricht nur mit einem Ohnegleichen kommt, Sir?", fragte sie.
„Ja, das stimmt."
„Warum ist Lily dann hier? Sie ist eine Versagerin in Zaubertränke." Empört sah ich auf und funkelte Lydia finster an. Doch sie konnte es leider nicht sehen, da sie mir den Rücken zugekehrt hatte. Allerdings war Snape sich meiner Anwesenheit durchaus bewusst und warf mir einen raschen Blick zu.
„Miss Grimmauld wäre wohl kaum hier, wenn sie kein Ohnegleichen in ihrer ZAG-Prüfung gehabt hätte", entgegnete Snape zornig.
„Vielleicht haben Sie bei ihr ja eine Ausnahme gemacht", vermutete Lydia. Jetzt wurde es spannend. Allein bei Snapes Blick musste ich breit grinsen.
„Verlassen Sie auf der Stelle dieses Klassenzimmer, Thomson! Und wagen Sie es ja nicht, meine Autorität je wieder in Frage zu stellen. Zehn Punkte Abzug für Slytherin", erwiderte er mit einer Härte in der Stimme, die ich selten gehört hatte. Lydia drehte ohne ein weiteres Wort um, rempelte mich wütend an und verließ den Raum. Nun waren bis auf Snape nur noch Ruby und ich da.

Doch Lydias Worte stimmten mich nachdenklich. Ich war schließlich selbst noch immer am Rätseln, wie zur Hölle ich die Bestnote erreichen konnte. Ich hatte nicht nur einmal daran gedacht, dass es sich dabei um einen Irrtum handelte.

„Professor...?" Ich musste Snape einfach danach fragen. Ruby blieb unsicher aber tapfer an meiner Seite stehen. Der Lehrer drehte sich zu mir um und wartete mit gleichgültiger Miene darauf, dass ich sprach.
„Hat sie Recht?", fragte ich nur.
„Sie sind erbärmlich im Brauen von Zaubertränken, Grimmauld", meinte er. Ich schluckte schwer. Ich wollte in keinen Unterricht, den ich nicht verdient hatte.
„Aber in der Prüfung hatten Sie leider mehr Glück als Verstand. Ihr Trank war passabel und das nötige Wissen für diesen Unterricht haben Sie", fügte er hinzu.
„Was genau bedeutet das jetzt?" Ich sah ihn etwas verwirrt an.
„Was steht auf Ihrem Zeugnis?", fragte er trocken.
„Ein Ohnegleichen, Sir."
„Damit hat sich die Frage dann wohl erledigt." Er drehte sich bereits um, aber ich hielt ihn noch einmal auf.
„Und ist das die Note, die ich in der Prüfung verdient habe? Sir?" Snape schaute wieder zu mir und sagte kurz nichts.
„Ich vergebe keine Noten, die Schüler nicht verdienen, Grimmauld." Professor Snapes Stimme klang dabei plötzlich ungewohnt sanft, auch wenn seine Augen davon unberührt blieben.
Ich nickte kurz und schlug dann den Rückwärtsgang ein.
„Danke, Professor", murmelte ich und eilte mit Ruby aus dem Raum.

Wir nahmen erst wieder ein normales Tempo an, als wir die Kerker hinter uns gelassen hatten.
„Was war das denn gerade?", fragte Ruby erstaunt und blieb stehen. Ein paar Schüler liefen genervt um uns herum, weil wir so plötzlich stehen geblieben waren.
„Was meinst du? Ich habe mich von Anfang an gefragt, wie ich die Prüfung bestehen konnte."
„Das meine ich nicht." Sie schüttelte energisch den Kopf. Deshalb sah ich sie planlos an und wartete auf eine Erklärung.
„War Snape gerade nett zu dir?" Sie sprach es aus, als wäre es eine Unmöglichkeit. Aber wie ich so darüber nachdachte, fiel es mir auch auf. Er hatte mich mal nicht angeschrien und auch nicht so verachtend geguckt wie sonst. Stattdessen hatte er fast versöhnlich geklungen.
„Merkwürdig", murmelte ich, zog Ruby schließlich aber weiter zu Zauberkunst bei Professor Flitwick. Wir waren jetzt schon spät genug dran.     

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Was glaubt ihr, warum ist Snape plötzlich nett zu Lily⁉️

Btw... Ich wünsche allen wunderschöne Weihnachten, ein tolles Fest mit Familie und Freunden und hoffentlich viele Geschenke!!❤🎄🎅

Snape - Sein letztes GeheimnisWo Geschichten leben. Entdecke jetzt