Kapitel 14

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Ich wachte auf mit einem schrecklichen Pochen im Schädel. Sofort verzog ich das Gesicht und blinzelte dann in das helle Licht um mich herum. Mein Blick war verschwommen, aber ich nahm die vielen Betten in dem hohen Raum wahr und wusste, dass ich mich im Krankenflügel der Schule befand. Ich fühlte mich total schlapp und völlig erschöpft. Als dann alle Bilder von meinem Kampf gegen Zaharia zurück kamen und ich an den schwerverletzten Snape dachte, war ich schlagartig wach und wollte mich aufsetzen. Allerdings wurde ich mit sanfter Gewalt daran gehindert.
„Beruhigen Sie sich, Lily", sagte eine vertraute Stimme. Ich schaute zur Seite und erkannte Professor McGonagall jetzt mit voller Sehkraft, die ihre Hand noch immer auf meiner Schulter ruhen hatte.
„Professor, was... wo...?"
„Sssch... Sie sind in Sicherheit. Es wird alles gut werden", sprach sie mir beruhigend zu.
„Snape?", brachte ich krächzend heraus und sah sie mit Panik in den Augen an. Ich konnte nicht mit dem Gedanken leben, dass er es nicht geschafft haben könnte. Ich hatte doch gerade erst verstanden, wie wichtig er für mich war. Viel zu deutlich hatte ich seine blutüberströmte Gestalt vor Augen und mir wurde leicht übel.
„Severus geht es den Umständen entsprechend gut, Liebes. Ihn hat es deutlich schlimmer getroffen als Sie, aber Sie haben sein Leben gerettet. Madam Pomfrey wird ihn wieder hinbekommen." Kaum hatte sie das gesagt, sackte ich mit einem erleichterten Seufzen tiefer in die Kissen unter meinem Kopf und schloss für einen kurzen Moment die Augen. Als ich sie wieder öffnete, murmelte ich ein unverständliches „Merlin sei Dank" und raufte mir die völlig wirren Haare. Die Schulleiterin sah mich mit einem mitleidigen Lächeln an, ehe sie aufstand.
„Miss Grimmauld, schlafen Sie noch ein bisschen. Es ist mitten in der Nacht. Ich bin mir sicher, dass Ihre Freunde Sie morgen erwarten werden", lächelte sie.
„Danke, Professor." Dann war ich plötzlich sehr müde und schloss die Augen. Snape ging es soweit ganz gut. Er war am Leben. Eine tiefe Erleichterung machte sich in mir breit. Sekunden später war ich eingeschlafen.

Als ich das nächste Mal aufwachte, schaute ich in sechs besorgte Augen. Meine Freunde saßen um mein Krankenbett herum und sahen zu mir. Kaum hatte ich auch nur geblinzelt, brach das Chaos aus und alle drei begannen wild durcheinander zu reden. Meine Kopfschmerzen waren allerdings noch immer nicht weg und der Lärm verstärkte sie nur noch.
„Leute, aua, Klappe halten", murmelte ich, hielt mir dabei den Kopf und wie auf Kommando waren sie still.
„Lily, was ist denn bloß passiert?", fragte Ruby nach einem kurzen Schweigen. Im gleichen Moment kam jedoch auch Madam Pomfrey an mein Bett, die bemerkt hatte, dass ich wach war. Sie wollte mich untersuchen und bat meine Freunde, sie dabei nicht zu stören. Ich vertröstete sie also auf später und schließlich machten sie sich auf den Weg in den Unterricht.
Den Morgen über versorgte Madam Pomfrey mich mit allerlei Tränken und Salben und als meine Freunde am Nachmittag zurück kamen, ging es mir schon deutlich besser. Zwar war zu schnelles Bewegen ziemlich schmerzhaft, aber die Kopfschmerzen waren weg und das ließ mich endlich wieder klar denken.
Also erzählte ich Aaron, Penny und Ruby haarklein, was am Tag zuvor geschehen war. Jede Einzelheit diskutierten wir zu viert aus und kamen am Ende zu dem Schluss, dass Snape und ich wirklich mehr Glück als Verstand gehabt hatten. Wir hatten aber auch keine andere Wahl gehabt. Hätte Snape mich vorher entdeckt, hätte Zaharia uns vermutlich beide sofort platt gemacht.

Zwei Tage musste ich noch zur Beobachtung im Krankenflügel bleiben, was mir so gar nicht gefiel. Dadurch verpasste ich nämlich nicht nur Unterricht, den ich eh dringend nötig hatte, weil ich die letzte Zeit – sagen wir mal – etwas unaufmerksam war. Ich konnte dadurch auch nicht an unserer zweiten Apparierstunde teilnehmen und das wurmte mich.
„Was habt ihr in der Stunde gemacht? Hat es schon jemand geschafft?", erkundigte ich mich bei meinen Freunden, als sie mich aus dem Krankenflügel abholten und wir zusammen zum Gryffindor-Gemeinschaftsraum liefen. Madam Pomfrey hatte mir nur noch einen Stärkungstrank mitgegeben, den ich morgen früh nach dem Frühstück einnehmen sollte.
„Es war eigentlich genauso wie beim ersten Mal. Und es hat niemand geschafft, zumindest nicht ganz. Helena Pearson aus Hufflepuff hätte beinahe ihren Arm verloren, als sie zersplittert ist", erzählte Aaron.
„Deshalb lag sie im Krankenflügel?", fragte ich erstaunt. Ich hatte mitbekommen, dass Helena gestern zu Madam Pomfrey gebracht worden war, aber bis dato wusste ich noch nicht warum.
„Jap. Die nächste Stunde ist dann in einer Woche", erklärte Ruby.
„Habt ihr mal was von Snape gehört? Madam Pomfrey wollte mir nichts sagen und McGonagall hat beinahe so kryptisch gesprochen wie Dumbledore es immer getan hat."
„Nein, keine Ahnung. Hättest du nicht erzählt, was passiert ist, wüssten die meisten nicht mal, warum Snape überhaupt weg ist. Es heißt, einer der Hauselfen hätte euch im Kerker gefunden, es hat kein Schüler gesehen", meinte Penny.
„Merkwürdig. Ich wüsste zu gerne, wo er jetzt ist", seufzte ich.
„Vielleicht im St. Mungo in London?", schlug Aaron vor.
„Nein, er wird hier in Hogwarts sein. Vielleicht haben sie sein Büro kurzfristig zur Krankenstation umgebaut", meinte Penny. „Ich habe Madam Pomfrey vorhin zu McGonagall sagen hören, dass sie wieder nach ihm geschaut hat. Sie wird dafür wohl kaum nach London gereist sein."
„Meint ihr, ich könnte mal nach ihm schauen? Oder ihn dort wenigstens suchen? Ich musste mit ansehen, wie er beinahe verblutet ist. Ich will ein anderes Bild im Kopf haben. Es macht mich fertig, ihn immer wieder so vor mir zu sehen!"
„Diesmal wird es dir wohl niemand verdenken", meinte Ruby und lächelte leicht.

Deshalb machte ich mich am nächsten Tag gleich nach dem Frühstück auf den Weg in die Kerker. Es war Samstag, also hatte ich genügend Zeit für meine Suche. Um den Klassenraum für Zaubertränke machte ich einen großen Bogen. Stattdessen ging ich noch ein Stück weiter den Gang entlang zu den Privaträumen des Slytherin-Hauslehrers.
Ohne zu überlegen, machte ich mit meinem Zauberstab die Tür auf und trat in den Raum hinein. Hier sah alles ganz normal aus. Ich kannte Snapes Büro durch das viele Nachsitzen nur zu gut. Doch als ich genau hinhörte, vernahm ich leise Stimmen, aus einem anderen Raum. Ich folgte ihnen die steinerne Wendeltreppe hoch, blieb hinter einer angelehnten Tür stehen und lauschte.

„Wie schlimm ist es noch, Poppy?", fragte eine Stimme, die nur Professor McGonagall gehören konnte.
„Er braucht viel Ruhe, Minerva. Eine Woche wird es mindestens noch dauern, bis er wieder auf die Beine kommt", sprach die Heilerin. Ihr Tonfall klang besorgt, aber auch ein kleines bisschen zuversichtlich.
„Zum Glück für ihn war das Mädchen da", sagte sie nach einem kurzen Schweigen. „Nach dem, was sie erzählt, hätte der Kerl ihn gefoltert und anschließend umgebracht, Minerva."
„Lily hat ihm zweifellos das Leben gerettet. Severus kann vom Glück sprechen, dass sie in seinem Klassenzimmer war, als es passierte."
„Hat man das Mädchen dafür schon belohnt?"
„Meine Belohnung besteht vorerst darin, dass ich nicht nachfrage, was sie in Snapes Klassenzimmer gemacht hat. So wie ich sie kenne, heckt sie schon wieder irgendwas aus. Alles Weitere kann Severus selbst mit ihr klären, wenn er wieder gesund ist", meinte Professor McGonagall und ich konnte ein Lächeln in ihrer Stimme hören.
„Nun gut, meine Liebe. Kümmere dich gut um ihn, ich werde bald wieder vorbei schauen", meinte die Schulleiterin dann.
Das war für mich der Zeitpunkt, um zu verschwinden. So schnell und leise wie möglich schlich ich wieder aus dem Raum, bevor die Schulleiterin aus dem Zimmer kam. Dann rannte ich hoch zur Eingangshalle und ging von dort aus in den Innenhof, wo Ruby auf mich warten wollte.

Bei meiner besten Freundin angekommen, berichtete ich ihr alles.
„Er wird wieder, Lily. Und dann kannst du mit ihm reden und dir endlich Klarheit verschaffen. Snape verdankt dir sein Leben. Ich finde, das ist ein guter Grund, um endlich mal Klartext zu sprechen."
„Ja, das hoffe ich... Was machen wir jetzt wegen Lydia?", fragte ich.
„Ich würde sagen, wir warten erst einmal ab, dass Snape wieder gesund wird. Dann kannst du mit ihm reden und anschließend schauen wir weiter. Ich möchte auf jeden Fall nicht mehr alleine in das Klassenzimmer. Wir haben also vorerst sowieso keine Chance, den Vielsaft-Trank zu Brauen. Und bis Snape wieder da ist, lerne ich mit dir, damit du den Stoff wieder aufholst."
„Danke, Ruby, du bist die Beste!" Ich fiel ihr um den Hals und Ruby lachte leise.
Den Samstag verbrachten wir dann allerdings nicht in der Bibliothek oder in der Großen Halle, sondern mit unseren Freunden zusammen auf dem Trainingsgelände. Aaron hatte vorgeschlagen, zu viert eine Art Quiddtich zu spielen. Da mir die Ablenkung sehr gelegen kam, stimmte ich seinem Vorschlag gerne zu. Und obwohl ich es für unmöglich gehalten hatte, hatten wir wirklich viel Spaß an dem Tag und ich konnte Snape für einen Moment vergessen, der in seinem Schlafzimmer lag und noch immer mit seinen Schmerzen kämpfte. 

Snape - Sein letztes GeheimnisWo Geschichten leben. Entdecke jetzt