Kapitel 25

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Zwei Wochen waren seither vergangen und meine Laune war am Boden. Ich gab es zwar nicht offen zu, aber ich vermisst die wenige Zeit, die ich bisher mit meinem Vater gehabt hatte. Es war völlig still um ihn geworden. Bisher hatte er mich nicht kontaktiert oder mir Neuigkeiten geschickt. Auch alles andere, was ich unternahm, um endlich herauszufinden, was Lydia plante, brachte absolut gar nichts. Ich versagte bei allem, war im Unterricht unkonzentriert und wurde inzwischen immer wieder von den Lehrkräften darauf angesprochen. Ich konnte ihnen nur leider schlecht sagten, dass mir und meinem Vater irgendwer mit dem Tod gedroht hatte. Allgemein fand ich diese ganze Geschichte reichlich merkwürdig, aber ich wollte auch nicht das Risiko eingehen und mich dem widersetzen.

„Lily, versuch dich wenigstens zu konzentrieren. Wenn du so weiter machst, wirst du nie apparieren und durch die Prüfung fallen", seufzte Ruby und rüttelte an meiner Schulter. Wir hatten gerade eine unserer Apparier-Stunden und ich war mit den Gedanken überall, nur nicht hier.
„Miss Kingham hat absolut Recht. Sie haben es noch kein einziges Mal geschafft im Gegensatz zu Ihren Mitschülern. Wenn Sie gegen jemanden wie Zaharia Travis kämpfen können, sollte das Apparieren doch wohl nicht so schwer sein", meinte Mr. Gamilton anklagend und ein Hauch Verachtung klang in seiner Stimme mit. Er war vom Ministerium geschickt worden, um uns Unterricht im Apparieren zu geben. Ich konnte ihn nicht leiden. Das beruhte scheinbar auf Gegenseitigkeit.
„Ach ja? Ist das so? Nur weil ich nicht die schlechteste Hexe im Duellieren bin und in diesem Kampf mein Bestes gegeben habe, weil es um Leben und Tod ging, bedeutet das, dass ich alles können muss? Heiße ich Dumbledore, oder was?", blaffte ich ihn an.
„Sie wagen es...?" Der Ministeriumsmitarbeiter plusterte sich vor mir auf und schien mit seinem Blick Feuer zu speien.
„Miss Grimmauld!", rief eine tiefe Stimme dazwischen. Ich schaute zu Snape hinüber und sackte etwas in mich zusammen. Er hatte Recht. Ich projizierte meine Wut nur auf Leute, die es gar nicht verdient hatten.
„Mr. Gamilton, ich entschuldige mich für das Verhalten meiner Schülerin. Ich werde mich darum kümmern", meinte er zu ihm. Mr. Gamilton nickte kurz und drehte sich dann weg. Snape zog mich zur Seite und sah mich bitterböse an.

„Was sollte das, bitte?", zischte er leise.
„Mich macht das alles einfach fertig. Ich bin nervlich am Ende. Ich kriege nichts mehr hin, ich bin schlechter denn je im Unterricht, ich bin noch immer keinen Schritt weiter bei Lydia und dich darf ich nicht mehr sehen", jammerte ich so leise, dass es niemand anderes hören konnte. Snape seufzte leise.
„Komm heute Abend nach Anfang der Sperrstunde zu mir", meinte er schließlich leise. Dann fügte er noch: „Zehn Punkte Abzug für Gryffindor", hinzu und zwar so laut, dass es jeder hörte. Aber ich war nicht böse darum. Ich würde zu ihm gehen und das machte mir das Herz leichter.

Als die blöde Apparierstunde endlich zu Ende war, lief ich mit Ruby und Aaron zusammen in den Gemeinschaftsraum. Penny war schon da, als wir ankamen. Wir setzten uns zu viert auf ein Sofa und verbrachten die Zeit bis zum Abendessen mit einem Kartenspiel der Weasleys, das sich immer wieder veränderte und ein vernünftiges Spiel dadurch völlig unmöglich machte. Aber wir lachten viel und ich war dankbar dafür.
Nach dem Essen lag ich in meinem Bett und redete mit Ruby, bis mir der Wecker endlich anzeigte, dass ich los konnte.
„Pass auf", bat Ruby mich mit einem leichten Lächeln.
„Ich lass mich nicht erwischen, versprochen", grinste ich vor Vorfreude.

Zehn Minuten später schlich ich mich durch den dunklen Kerkerkorridor bis hin zu Snapes Büro. Ich klopfte leise und öffnete dann die Tür. Ich trat ein und sah mich nach ihm um, aber ich konnte Snape nirgends entdecken.
„Hallo?", rief ich unsicher und lauschte in die Stille hinein.
„Ist es schon so spät?", hörte ich da Snape von oben rufen. Gleich darauf tauchte er auf und kam die steinerne Wendeltreppe hinunter. Ich begann zu grinsen.
„Na, da freut sich aber jemand", schmunzelte er.
„Passiert dir wahrscheinlich nicht oft", grinste ich fies und streckte ihm die Zunge raus.
„Fräulein!", sagte er warnend und blieb vor mir stehen.
„Lass mich, ich darf das", meinte ich trotzig und verschränkte die Arme vor der Brust. Snape verdrehte die Augen.
„Ich dachte mir, du brauchst ein bisschen Nachhilfe im Apparieren. Das rechtfertigt zwar nicht die Uhrzeit, aber es klingt für andere vielleicht nach einem akzeptablen Grund, dich hierher zu bestellen", meinte er.
„Ich hasse Apparieren", seufzte ich.
„Zu Anfang des Schuljahres wolltest du es unbedingt lernen. Und es ist viel einfacher, als du glaubst. Du musst nur alle anderen Gedanken aus deinem Köpfchen verdrängen", meinte er und tippt mir mit dem Zauberstab gegen die Schläfe.
„Hey, ich will nicht aufgespießt werden!", wehrte ich mich sofort dagegen. Snape lachte auf und schwang dann den Zauberstab, aber es passierte nichts.
„Was hast du gemacht?"
„Du kannst jetzt in diesem Raum apparieren", meinte er und drehte mich an den Schultern in Richtung der Tür zum Nebenzimmer. „Stell dir vor, wie du hinter meinen Schreibtisch apparierst. Du musst den Ort genau vor Augen haben, dir ein paar einzelne Details herauspicken. Dann mach die Augen zu und konzentriere dich auf diese Details. Du musst deinem Bewusstsein erlauben, über die körperlichen Grenzen hinaus zu gehen. Du musst den Gedanken zulassen, den Ort zu verlassen und an einem anderen wieder aufzutauchen. Denk nur daran. Und wenn du soweit bist, dann lass es zu, dass du den Ort hier verlässt. Am besten drehst du dich am Anfang dabei. Irgendwann braucht man den Quatsch nicht mehr", erklärte er mir und hielt dabei noch immer meine Arme fest. Dann ließ er mich los und totale Stille kehrte ein. Ich sah mir den Schreibtisch und den Boden dahinter ganz genau an, dann schloss ich die Augen und tat alles, was Snape gesagt hatte. Als ich spürte, dass mein Körper bereit dafür war, drehte ich mich auf der Stelle und öffnete erwartungsvoll die Augen.
Vor mir stand Snape und sah mich mit einem bitteren Lächeln an. Ich stöhnte genervt auf und drehte mich wieder zurück zum Schreibtisch.
„Woran lag es, dass es nicht geklappt hat?", fragte er nach.
„Wie fühlt es sich an, zu disapparieren?", fragte ich ihn stattdessen. Als Antwort hielt Snape mir eine Hand hin und sah mich ermutigend an.
Zögerlich griff ich danach und sofort verschwamm die Umgebung um mich herum. Etwas zog und zerrte an meinem Körper, drückte alles unangenehm zusammen, doch kurz darauf war alles wieder normal und ich hatte mich fünf Meter durch den Raum bewegt.
„Ist gar nicht so schlimm, oder?", lächelte Snape und ließ meine Hand wieder los. Ich schüttelte den Kopf und versuchte es noch einmal alleine. Ich scheiterte wieder.
„Kannst du dich dort hinstellen?", fragte ich nach einer Weile und zeigte auf die Stelle, zu der ich apparieren sollte. Snape durchquerte den Raum und sah mich erwartungsvoll an.
Ich schloss die Augen und stellte mir vor, wo er gerade stand. Ich stellte mir den Geruch nach Kräutern vor, der immer an ihm haftete. Ich stellte mir vor, ihn zu umarmen und all meine Sorgen zu vergessen. Ich konzentrierte mich nur darauf und befahl meinem Körper, meinen jetzigen Standort zu verlassen.

Es drehte sich und mir wurde kurz schlecht. Wieder durchzog mich dieses unangenehme Enge-Gefühl. Nur einen Moment später strauchelte ich und wurde von Snape aufgefangen. Ich schaute mich um und realisierte, dass es funktioniert hatte. Ich war disappariert! Mit einem kleinen Freudenschrei fiel ich Snape um den Hals. Er lachte in sich hinein und legte einen Arm um mich, ließ mich aber viel zu schnell wieder los.
Ich stand mit strahlenden Augen vor ihm, bis ich die Übelkeit spürte, die sich in mir breit gemacht hatte.
„Zu viel gedreht?", fragte er amüsiert. Er hatte meinen Blick wohl bemerkt. Ich nickte nur leicht.
„Komm mit." Er nahm meine Hand und zog mich hinter sich die Treppe hoch. Er ging durch eine Tür in ein kleines Wohnzimmer, das ich bisher nur zweimal betreten hatte. Dort suchte er in einem Regal nach einem Glas. Unterdessen setzte ich mich auf das schwarze Ledersofa.
Als er zu mir kam, reichte er mir das Glas mit einer leicht milchigen Flüssigkeit darin.
„Trink das, dann wird es besser", meinte er und setzte sich mir gegenüber auf einen Sessel. Ich nippte vorsichtig an dem Zeug und sofort ließ meine Übelkeit ein bisschen nach. Hastig schluckte ich alles hinunter und stellte das Glas dann beiseite.
„Besser?", fragte er mit einem Lächeln.
„Viel besser!"

Anschließend blieben wir noch zwei Stunden in seinem Wohnzimmer sitzen und spielten Zauberschach. Snape ließ das Spielfeld zwischen uns in der Luft schweben. Ich war zwar noch immer ziemlich miserable in dem Spiel und verlor ständig gegen ihn, aber es machte unglaublich viel Spaß. Wir lachten viel, auch wenn wir nicht viel miteinander sprachen.

Erst gegen Mitternacht ging ich dann müde aber glücklich zurück in meinen Schlafsaal im Gryffindor-Turm.   

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⏰ Letzte Aktualisierung: May 21, 2023 ⏰

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Snape - Sein letztes GeheimnisWo Geschichten leben. Entdecke jetzt