Kapitel 20

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Bis Samstag waren es nur noch zwei Tage, die Ruby und ich dazu nutzen, einige Nachforschungen zum Zaubereiministerium zu betreiben, damit wir uns am Wochenende nicht ganz blöd anstellten. Zusätzlich beschattete ich wie üblich Lydia Thomson, die ungewöhnlich viel Zeit außerhalb des Schlosses zu verbringen schien. Allerdings sah ich sie kein einziges Mal wieder im Verbotenen Wald verschwinden.

Am Samstagmorgen saßen wir beinahe alleine beim Frühstück in der großen Halle. Snape war bereits da und sagte uns auf dem Rückweg zu seinem Büro, dass wir uns etwas Normaleres als die Schuluniform anziehen sollten, damit man uns nicht gleich als Hogwarts-Schülerinnen erkannte. Dazu gab er noch deutlich lauter eine schnippische Bemerkung darüber ab, dass wir am Wochenende schon wach waren und ob wir wohl endlich mal lernen wollten. Ein paar Slytherins kicherten daraufhin leise.

Schon wenig später liefen wir zusammen durch die Gänge zu Snapes Büro. Ich klopfte gar nicht erst, sondern betrat einfach den Raum, was Ruby nur ungläubig gucken ließ. Aber er wusste ja, dass wir kommen würden.
„Das seid ihr ja", begrüßte Snape uns gehetzt. „Kommt rein, ich muss gleich los."
„Wo gehst du hin?", fragte ich und sah ihn neugierig an.
„Ich habe nur einen Termin bei der Schulleiterin. Hier, nehmt den Kamin." Er reichte uns eine Schüssel mit Flohpulver. „Ich habe Harry eine Eule geschickt. Ihr findet ihn im zweiten Stock in der Aurorenabteilung."
„Okay", nickte ich und griff in das Flohpulver. Ich war noch nicht oft auf diese Weise gereist und schon gar nicht bis nach London, aber das würde schon klappen.
„Bist du später da, wenn wir zurück kommen oder sollen wir einen anderen Kamin nehmen?"
„Der hier ist der sicherste", meinte Snape nur und reichte Ruby die Schüssel, die ebenfalls nach dem Pulver griff.
Ich trat vor den Kamin, schmiss das Flohpulver hinein und sagte laut und deutlich „Zaubereiministerium". Augenblicklich drehte sich alles und ich geriet in eine Art Tunnel. An allen Ecken und Enden zog und drückte es an mir und es fühlte sich an, als würde ich durch einen Fleischwolf gedreht werden. Dieses Gefühl hielt deutlich länger an, als ich es bisher erlebt hatte, aber ich konzentrierte mich dennoch fest auf mein Ziel. Schließlich war es vorbei, als ich glaubte, mich jeden Augenblick übergeben zu müssen, und ich landete auf einem harten Boden.

Ich richtete mich auf, klopfte mir den Dreck von der Kleidung und schaute mich dabei um. Das riesige Atrium des Zaubereiministeriums war mit allerlei Gold geschmückt. Durch die Fenster schien magisches Tageslicht. Wir befanden uns unter der Erde und doch schien mir die Decke endlos zu sein. Ich starrte gerade den vergoldeten Springbrunnen in der Mitte der Halle an, als Ruby neben mir auftauchte.
„Ist das krass", hauchte sie und sah sich genauso begeistert um wie ich. Die unzähligen Menschen, die neben uns liefen, blendeten wir völlig aus. Zu gebannt waren wir von der Macht, die dieses Gebäude ausstrahlte.

„Lily Grimmauld und Ruby Kingham. Wir haben uns eine Weile nicht mehr gesehen", erklang da eine Stimme und vor uns erschien Harry Potter. Er trug ein blaues Jackett und eine dunkle Jeans, ein weißes Hemd und die typische runde Brille. Seine berühmte Narbe war durch seine Haare ein wenig verdeckt. Er grinste breit, während er weiter auf uns zu kam.
„Hallo, Harry", lächelte ich und er erwiderte das Lächeln sofort.
„Schön, mal wieder ein paar Gryffindors zu sehen, die ich kenne", lachte er und bedeutete uns dann mit einer Handbewegung, ihm zu folgen.
„Freut mich auch."
„Ihr müsst nur kurz zur Kontrolle am hinteren Ende des Atriums. Ist nichts Wildes", erklärte er und begleitete uns zu einem grimmig dreinblickenden Sicherheitszauberer, der unsere Zauberstäbe kontrollierte und ein paar Daten erfasste. Dann bekamen Ruby und ich jeweils eine Besucherplakette und es konnte weiter gehen.
Wir gingen geradewegs auf einen der Aufzüge zu.
„Erschreckt euch nicht, sie sind ein bisschen unsanft", meinte Harry schmunzelnd und hielt sich dann an einer Schlaufe an der Decke fest. Ruby und ich taten es ihm gleich und sofort setzten wir uns ruckartig in Bewegung.
„Zweiter Stock: Aurorenzentrale", sagte eine Lautsprecherstimme und das Gitter schwang auf.
„Folgt mir in mein Büro, dort können wir ungestört reden", meinte Harry und wir folgten ihm stillschweigend. Während er auf eine Tür zuhielt, sahen Ruby und ich uns fasziniert um.
„Vielleicht sollte ich doch Aurorin werden", wisperte Ruby und ich lachte auf.

Anschließend betraten wir Harrys Büro und setzten uns auf zwei Stühle vor einem riesigen Schreibtisch.
„Also erst mal eine Frage", setzte Harry an. „Warum hat Snape euch beide geschickt?"
„Er hat einen Termin bei Professor McGonagall", meinte ich nur und wich seinem Blick aus.
„Aber da ist noch mehr", bohrte Harry weiter.
„Sag es ihm, Lily. Ich glaube nicht, dass Harry es weiter erzählt, wenn du ihn darum bittest", meinte Ruby und Harry nickte sofort.
„Professor Snape... ist mein Dad", sagte ich also gerade heraus und Harry staunte nicht schlecht. Mit großen Augen starrte er mich an. „Ist eine lange Geschichte", fügte ich noch hinzu. Diese neue Information schien ihn erst einmal sprachlos zu machen. Aber Harry fing sich schnell wieder und wechselte das Thema.
„Na schön, warum seid ihr hier? Snape wollte den Grund nicht in dem Brief erwähnen."
„In Hogwarts geschehen merkwürdige Dinge. Im Verbotenen Wald tauchen Acromantulas auf, die angeblich von woanders stammen und schwarzmagisch beeinflusst sind, eine Slytherin, Lydia Thomson, sucht nach irgendwas Wichtigem im Raum der Wünsche und dann wäre da noch Zaharia Travis, der Snape und mich beinahe umgebracht hätte", erzählte ich in Kurzfassung.
„Du warst die Schülerin, die dabei war?" Harry schaute wieder geschockt drein.
„Ja, ich war aus purem Zufall dort", nickte ich.
„Kannst du uns irgendwelche Hinweise oder Informationen zu Travis geben?", fragte Ruby.
„Habt ihr den Minister noch nicht gefragt? Also Snape oder McGonagall oder sonst wer?"
„Doch, aber sie haben bisher keine Informationen von ihm bekommen, die uns weiterhelfen. Snape meinte, dass du uns vielleicht weiterhelfen kannst. Um Hogwarts zu beschützen."
„Euch ist klar, dass ich eigentlich nichts sagen darf?", fragte Harry und sah uns fragend an. Ruby und ich antworteten beide nicht, sondern sahen ihn geradewegs an.
„Ja, so sind wir Gryffindors", lachte er dann kopfschüttelnd. Dann begann er zu erzählen.
„Zaharia Travis hat im zweiten Zaubererkrieg in den vordersten Reihen von Voldemort gekämpft. Als die Schlacht gewonnen war, wurden viele Todesser vom Ministerium aufgespürt und nach Askaban gebracht. Viele werden auch jetzt noch gesucht. Eigentlich ist es unmöglich, aus Askaban zu entkommen, besonders seitdem die Dementoren dort wieder Wache halten.
Inzwischen ist klar, dass Travis nicht wirklich ausgebrochen ist. Also nicht aus eigener Kraft. Er ist an den Dementoren und dem Wachpersonal unbeschadet vorbeigekommen."
„Aber wie?"
„Er wird denselben Weg genommen haben wie das Personal, deshalb ist er keinem Dementor begegnet. Die Sicherheitsvorkehrungen in Askaban sind allerdings so gut, dass das unmöglich ist. Es sei denn..."
„... Es gibt einen Verräter", beendete ich seinen Satz.
„Ganz richtig. Das Ministerium ist dabei, jeden einzelnen Mitarbeiter zu prüfen, aber das könnte Monate dauern."
„Und dieselbe Person hat Travis dann auch nach Hogwarts gebracht?", fragte Ruby.
„Keine Ahnung, könnte sein, muss aber nicht."
„Welche Möglichkeiten gäbe es denn, jemanden nach Hogwarts zu schmuggeln?", überlegte ich.
„Das kommt, denke ich, ganz darauf an, wer ihn rein lässt. Wäre er geflogen, wäre es sicher aufgefallen und die Brücke wird er auch nicht genommen haben. Aber seit in Hogwarts wieder Ruhe eingekehrt ist, werden die Geheimgänge nicht mehr strickt kontrolliert. Das wäre wohl am wahrscheinlichsten. Aber die wenigsten kennen die sicheren Geheimgänge", meinte Harry.
„Okay, das ist aber schon mal gut zu wissen. Dann kann ich Snape sagen, dass er die Geheimgänge bewachen lassen soll."
„Mach das ruhig. Aber jetzt erzähl mir mal, wie du das mit dir und Snape rausgefunden hast", sprach Harry neugierig.

Ich seufzte und erzählte ihm schließlich zusammen mit Ruby die ganze Geschichte. Harry hörte gebannt zu und schüttelte immer mal wieder ungläubig den Kopf.
„Das ist... wow", meinte er schließlich, als ich alles erzählt hatte.
„Ich hab es noch immer nicht ganz gecheckt", murmelte ich.
„Er hat dich nach meiner Mutter benannt", überlegte Harry dann und musterte mich.
„Ja... Muss komisch für dich sein."
„Nein, ist es nicht, mach dir darüber mal keine Gedanken", lächelte er und stand dann auf. „Ich muss langsam weiter. Ich bringe euch noch zurück ins Atrium, wenn ihr mögt."
„Ja, das wäre toll."
„Danke für euren Besuch. Ich werde mal schauen, ob ich noch irgendwas herausfinden kann. Ich melde mich dann bei dir, Lily", versprach Harry.
„Das ist super lieb, danke."
„Ihr werdet die nächsten Helden Gryffindors, da bin ich mir sicher. Wenn ihr später auch mal Auroren werden wollt, meldet euch bei mir. Ich kann sicher ein gutes Wort für euch einlegen", lachte er und grinste uns an.
„Da kannst du mit Lily drüber reden. Ich will Lehrerin werden", grinste Ruby und stieß mir dabei lachend in die Seite.
„Das ist auch gut. Na kommt."

Harry führte uns zurück zu den Aufzügen und von dort aus gingen wir wieder zurück in die Eingangshalle und verabschiedeten uns von Harry. Kaum waren wir wieder alleine, eilten wir zu einem der Kamine hinüber und gelangten schließlich über das Flohnetzwerk zurück nach Hogwarts. 

Snape - Sein letztes GeheimnisWo Geschichten leben. Entdecke jetzt