Kapitel 19

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„Du hast dir Lucy Gwenn ausgesucht?", fragte Snape spöttisch, kaum dass wir alleine waren.
„Wir dachten, sie sei unauffällig...", murmelte ich und schaute frustriert auf den Boden.
„Vielleicht wäre das so gewesen, wenn du dich nicht erwischen lassen hättest", meinte er und ich hörte den amüsierten Unterton in seiner Stimme nur zu gut.
„Ach, ist doch auch egal. Es hat eh nichts gebracht", seufzte ich und lief zu einem der Stühle vor seinem Schreibtisch und ließ mich hineinfallen. Währenddessen kramte Snape in einem Regal herum und kam mit einer klaren Flüssigkeit in einer kleinen Flasche zurück.
„Trink das!", meinte er und ich gehorchte, ohne zu fragen, was das überhaupt war. Augenblicklich schlug meine Haut wieder Blasen und ich machte dasselbe durch wie zuvor in der Mädchentoilette. Kurz darauf saß ich als ich wieder vor ihm. Allerdings noch immer in Slytherin-Robe, was mir gar nicht gefiel.
Snape sah zufrieden aus und brachte die Flasche wieder weg. Ich stand auf und griff in die Innentasche der Robe. Snape staunte nicht schlecht, als ich eine Gryffindor-Robe herausholte.
„Unaufspürbarer Ausdehnungszauber", grinste ich nur und verschwand dann ohne weiteren Kommentar kurz in seiner Vorratskammer, um die schreckliche grüne Schuluniform los zu werden.
Als ganz normale Gryffindor kam ich keine zwei Minuten später wieder zurück ins Büro.
„Woher kennst du den Zauber?", fragte Snape und deutet dabei auf die Slytherin-Kleidung. Ich zuckte die Schultern und setzte mich wieder. Snape nahm auf der anderen Seite des Schreibtisches Platz.
„Seit der Schlacht um Hogwarts kann man an vielen Ecken nützliche Zauber lernen."
„Wie den Muffliato?", fragte Snape. „Madam Pince ist nicht gerade begeistert davon, dass du ihn des Öfteren in der Bibliothek benutzt."
„Er kommt von dir, oder? Es heißt, der Halbblutprinz hätte den Zauber erfunden."
Snape nickte.
„Und wo lernt man solche Zauber?", fragte er weiter.
„Lass das mal meine Sache sein. Würde dich nur zu sehr aufregen."
Snape sah mich skeptisch an, ließ es dann aber bleiben.
„Was wolltest du bei Thomson?", wechselte er dann das Thema. Ich überlegte kurz, ob ich es ihm sagen konnte. „Du kannst mir vertrauen, Lily!", fügte er eindringlich hinzu, als er mein Zögern bemerkte.
„Ich bin ihr einmal in den Raum der Wünsche gefolgt. Sie hat dort irgendwas gesucht, aber es scheinbar nicht gefunden. Ich weiß nicht, was es ist, aber sie war stocksauer, dass es nicht dort war. Letztens hat Aaron erzählt, dass er gehört hat, wie sie Courtney erzählt hatte, dass sie es gefunden hat. Also brauchten wir Vielsaft-Trank, oder besser die Zutaten, um einen zu brauen", erzählte ich schließlich.
„Und deshalb warst du an dem Abend in meinem Klassenzimmer", stellte er fest. Ich nickte nur leicht und dachte wieder an den Kampf zurück.
„Und was hat sie vor?", fragte er schnell weiter, scheinbar um uns beiden die Erinnerungen zu ersparen.
„Ich bin dabei, es herauszufinden", meinte ich mit einem zerknirschten Lächeln.
„Dir ist klar, dass du verdammt Glück hattest, dass Thomson dich eben nicht auf der Stelle erhängt hat, oder?", meinte er nach einem kurzen Schweigen.
„Es hätte besser laufen können..."
„Hast du was gefunden?"
„Nein." Ich seufzte und auch der Zaubertränkemeister sagte nichts weiter.

„Warum ist der Unterricht heute Morgen ausgefallen?", fiel mir dann ein. Snape begegnete meinem Blick und seufzte dann. Er wusste ganz genau, dass ich nicht locker lassen würde.
„Der blöde Hund von Hagrid hat Alarm geschlagen. Minerva hat mir sofort aufgetragen, mit in den Wald zu kommen. Wir haben zwei weitere Riesenspinnen gefunden. Und Hagrid hatte Recht bei der letzten. Sie sind wilder und noch gefährlicher als die, die bei uns im Wald leben. Und wir sprechen hier von einem der gefährlichsten Tierwesen, die wir kennen. Aber wir konnten sie bekämpfen. Woher die kommen, weiß niemand. Hogwarts ist nicht mehr vollkommen sicher. Wenn eine davon ins Schloss kommen sollte und es nicht sofort jemandem auffällt..." Snape verzog das Gesicht.
„Ihr könntet allen Schülern Arania Exumai beibringen", schlug ich vor.
„Dann wissen Sie, dass etwas nicht stimmt und das Chaos bricht aus. Flitwick wird es unterrichten, aber auch nur in den Jahrgängen, in denen es normal ist. Abgesehen davon schlägt nicht jede Hexe oder jeder Zauberer die Viecher mit diesem Zauber in die Flucht."
„Wie meinst du das?"
„Du bist begabter, als du denkst, Lily. Deine Freunde können froh sein, dass sie mit dir zusammen im Wald waren", meinte er und verzog ein wenig das Gesicht, ehe er es in den Händen verbarg.
„Wie kann ich helfen?", fragte ich entschlossen.
„Das kannst du nicht. Konzentrier dich auf die Schule und geh Ärger aus dem Weg!" Er schaute mich an, als wäre das längst entschieden. Aber seine Aussage machte mich wütend.
„Vor ein paar Sekunden, meintest du noch, dass ich eine begabte Hexe bin. Ich bin nicht hier, um völlig blauäugig durch die Schule zu rennen. Wenn die ganze Schule in Gefahr ist, will ich helfen. Und meine Freunde auch. Weißt du, der große Unterschied zwischen Slytherin und Gryffindor ist, dass ich meine Freunde und die ganze Schule niemals für mich selbst hängen lassen würde." Ich wurde zum Ende hin immer lauter und ich bereute meine Worte, kaum dass ich sie ausgesprochen hatte. Snapes Augen sahen mich verletzt und wütend zugleich an.
„Wirfst du mir gerade vor, dass ich feige bin? Ich will dich beschützen, Lily! Ich könnte es – verdammt nochmal – nicht ertragen, dich zu verlieren. Ich musste schon oft genug mit ansehen, wie du in Gefahr geraten bist. Erst bei der großen Schlacht und dann vor zwei Wochen. Du wärst beinahe gestorben! Abgesehen davon stürzt du dich immer wieder in deine eigenen waghalsigen Abenteuer und raubst mir damit seit deinem ersten Schuljahr hier regelmäßig die Nerven. Deshalb will ich, dass du dich raushältst. Weil ich es nicht verkraften könnte!", schrie er beinahe und stand dabei von seinem Stuhl auf. Er lehnte sich mit den Händen an seinen Schreibtisch, schloss die Augen und schluckte schwer.
„Und ich kann dich das nicht alleine durchziehen lassen", meinte ich fest aber sanft. Er schaute auf und sah mir schweigend in die Augen.
„Du weißt ja gar nicht, wie stolz ich auf dich bin", flüsterte er nach einer Weile.
„Beweis es mir, indem du mich helfen lässt!", bat ich mit flehendem Blick und stand nun auch auf. Snape schien mit sich zu hadern, kam schließlich aber wohl zu dem Entschluss, dass es keinen Zweck haben würde, mir weiter zu widersprechen.
„Bei den Spinnen kannst du nicht helfen, aber du kannst Lydia Thomson im Auge behalten. Vermutlich hast du Recht, wenn du sagst, dass sie was plant", meinte er.
„Das tue ich sowieso schon", meinte ich nur mit einem tadelnden Blick.
Snape seufzte. „Komm am Wochenende zu mir. Gleich Samstagmorgen."
„Was soll ich machen?", fragte ich begeistert.
„Eigentlich hatte ich das selbst vor, aber du kannst genauso gut hingehen", sagte er mehr zu sich selbst, bevor er fortfuhr. „Du musst ins Zaubereiministerium und mit Harry Potter sprechen. Wenn du Glück hast, triffst du ihn dort Samstagfrüh noch an. Wir brauchen mehr Hinweise über Zaharia Travis, aber der Zaubereiminister Kingsley Shacklebolt ist im Moment sehr beschäftigt und hat kaum Zeit. Vielleicht weiß Harry etwas."
„Ich soll ins Zaubereiministerium?", fragte ich mit großen Augen und einem fetten Grinsen im Gesicht.
„Für dich als ach so tolle Gryffindor sollte das doch wohl kein Problem sein", meinte Snape ironisch. Ich beobachtete ihn kurz und bemerkte seinen gequälten Blick.
„Es tut mir leid, was ich eben gesagt habe", flüsterte ich und lief um den Tisch herum. Ich schaute meinem Vater in die Augen und wollte ihn zu gerne umarmen. Ich wusste nur nicht, ob wir beide dafür schon bereit waren.
„Am Anfang habe ich bedauert, dass du nicht nach Slytherin gekommen bist. Als dein Hauslehrer wäre ich die Person gewesen, zu der du mit deinen Problemen gehst. Ich hatte irgendwie das Gefühl, dass ich dich an Gryffindor und McGonagall verloren habe. Aber du bist so mutig und tapfer. Du bist voll und ganz eine Gryffindor und gehörst genau dort hin", meinte er mit einem bitteren Lächeln.
„Ich werde dich nicht enttäuschen. Kann ich Ruby ins Ministerium mitnehmen?" Er nickte nur.
„Danke... Dad." Auf seinem Gesicht erschien ein Lächeln, das ich nur erwidern konnte.

Im selben Moment klopfte es und Professor McGonagall betrat den Raum.
„Severus, wir müssen los zu Hagrid. Verzeihen Sie, Miss Grimmauld", meinte sie und winkte Snape zu sich.
„Denken Sie an den Aufsatz in Zaubertränke, Grimmauld", meinte Snape jetzt wieder kühl und zog mich mit sich aus dem Raum. Draußen drückte er noch unauffällig meine Hand, ehe er mit der Schulleiterin zu Hagrid verschwand.     

Snape - Sein letztes GeheimnisWo Geschichten leben. Entdecke jetzt