Laina ließ sich weinend auf den Boden ihrer Zelle gleiten und betrachtete wimmernd die Blutlarche, die zu ihrer Zelle hinunterlief, doch der Anblick von Hicks Leiche blieb ihr Thor sei Dank erspart. Sie war dankbar, dass sie nicht um die Ecke sehen konnte, denn anhand der Blutspritzer konnte sie mit Sicherheit sagen, dass der leblose Körper wirklich furchtbar aussehen musste. Allerdings hallte das Geräusch des Aufpralls des Schädels immer noch in ihrem Kopf. „Das hast du jetzt davon, mich zu verlassen!", schrie Astrid hasserfüllt und kletterte die Leiter hoch. Laina blieb alleine zurück und weinte in einer Ecke ihrer Zelle um ihren nun toten Freund Hicks.
Oben angekommen konnte Astrid ihr Lachen nicht länger zurückhalten. Auch Hicks, der bereits neben seinem Drachen stand, fing laut an zu lachen: „Das hast du einfach klasse gemacht, Mylady" - „Das war unglaublich lustig. Und der Farbbeutel, den ich nachdem du gegangen bist auf den Boden werfen durfte ... Genial, das sah total aus wie Blut!", sie konnte sich nicht mehr einkriegen. „Hat lange gebraucht, bis ich die richtige Farbe gefunden hatte ... Aber es hat sich gelohnt! Laina denkt, ich bin tot und wird uns deshalb nicht mehr belästigen und sie hat genug Nahrung, um Monate zu überleben, bis dahin müsste sie bestimmt von jemandem gefunden werden", sagte Hicks. „Ich bin nur froh, dass ich dich endlich wiederhabe, Süßer!", umarmte Astrid ihn. „Und ich erst", Hicks löste sich und gab ihr einen Kuss auf den Mund. Aber bald wurden sie von einer Stimme über ihnen unterbrochen: „Hey! Seid ihr Zwei endlich fertig? Ihr solltet lieber von hier verschwinden!" - „Wir sind schon weg", lachte Astrid. „Besser so! Nicht, dass Laina euch noch hört, aber ihr könnt ja auf der Klippe weitermachen", schlug Heidrun grinsend vor und wackelte mit ihren Augenbrauen als Andeutung. Kopfschüttelnd, aber lächelnd erhob sich das Pärchen auf ihren Drachen und flog neben Windfang. „Ich werde Lainas Schiff ein wenig in Richtung der entfernten Dörfer bringen. Ihr könnt derweil den Anderen erzählen, was wirklich passiert ist und dass ihr nie getrennt wart", schlug Heidrun vor. Hicks nickte und Astrid bedankte sich für ihre Hilfe, bevor sie wegflogen.
„Ich bin so froh, dass Laina die Zwei nicht auseinanderbringen konnte", seufzte Heidrun erleichtert und befahl ihrer Drachendame das Schiff zu ziehen. Sie selbst hatte sich noch kurz zurück unter Deck geschlichen, um zu prüfen, ob auch alles glaubwürdig aussah. Laina weinte immer noch in ihrer Zelle, als sie das Skelett, welches Astrid vorhin mit dem Farbbeutel auf den Boden geworfen hatte, betrachtete. Der Anblick sah nur zu realistisch aus. Das Skelett war eins von Raff und Taff's Scherzartikeln, mit denen sie ständig Leute reinlegten. Sie wollte gar nicht wissen, woher oder aus was es gemacht war, doch es sah sehr realistisch aus, besonders da Hicks es mit seinen alten Klamotten angekleidet hatte. So würde Laina, sobald sie in einigen Monaten aus ihrer Zelle kommen würde, definitiv denken, dass er tot sei! Die Zwillinge würden bestimmt sauer sein, dass sie es sich einfach genommen hatten, doch sie war sich sicher, wenn sie den Zwei von dem unglaublichen Streich erzählen würde, würden sie nicht mehr sauer auf Hicks und Astrid sein oder zumindest nur dafür, dass sie nicht dabei sein hatten dürfen.
Schließlich schlich sich Heidrun wieder auf das Deck. Nach einem langen Flug sah sie von Windfang aus in weiter Ferne zwei Inseln. Es würde einige Wochen dauern, bis das unbemannte Schiff nur durch das Segel dort ankommen würde, aber Laina würde bestimmt gefunden werden. Die einzige Frage war, auf welche der zwei Inseln sie Laina zusegeln lassen sollte. Schnell warf sie einen Blick auf ihre Karte, welche sie stets dabei hatte und fand die vor ihr liegenden Inseln. Die Linke war ohne Zweifel die Insel des Stammes der flüsternden Bäume. Sehr nette und offene Menschen. Sie waren sehr wohlhabend und richteten oft Wettkämpfe in unterschiedlichen Spielen - wie beispielsweise Keule und Klaue - aus. Heidrun war ihnen schon mal begegnet und wusste daher, dass diese Leute Laina nur zu gerne aufnehmen würden und es ihr dort bestimmt sehr gut gehen würde. Etwas weiter rechts lag die Insel der Barbaren. Es war ein furchtbarer Ort. Wenn man erstmal auf der Insel gestrandet war, dann - so hieß es - kommt man da nie wieder fort. Das Oberhaupt war ein gemeiner Tyrann, der seine Bevölkerung dazu zwang, schlimme Arbeiten zu verrichten. Das Leben dort war die Hölle. Früher waren schlimme Verbrecher auf diese Insel geschickt worden, doch mittlerweile war diese Strafe bei den meisten Inseln als viel zu hart anerkannt und verboten worden. Die Menschen, die das Pech hatten auf dieser Insel zu stranden, waren auf ewig verloren. Ein grausames Leben stand ihnen bevor. Eins, welchem sie nicht entkommen konnten.
Jetzt lag die wichtige Entscheidung über Lainas Zukunft also ganz allein bei Heidrun. „Oh, Windfang, was soll ich tun? Links würden sie Laina sicherlich gut behandeln, aber kann ich diesen unschuldigen Leuten das zumuten? Wie kann ich sicher sein, dass Laina keine Gefahr für diese Leute darstellt? Ich meine, nach allem, was sie Hicks und Astrid angetan hat! Eigentlich hätte sie es verdient auf die Insel der Barbaren zu kommen! Das ist genau der richtige Ort für eine Verbrecherin wie sie! Aber soll ich das wirklich tun?", unsicher schaute Heidrun zwischen den beiden Optionen hin und her. Auch ihr Drache wusste keine Antwort. Laina war eine Verbrecherin. Sie war bereit dazu, Leute zu entführen und zu töten! Und von den Wortfetzen her, die Laina in ihren Träumen gestammelt hatte, konnte Heidrun sich sicher sein, dass sie schon oft derartige Taten begangen hatte. Das Schlimmste daran war, dass die Braunhaarige im Schlaf dabei stets lächelte. Ein teuflisches Lächeln, welches ohne Zweifel erkennen ließ, dass es ihr Spaß machte, unschuldige Leute zu ermorden, nur um an ihr Ziel zu kommen. Bei dem Gedanken ballten sich Heidruns Hände zu Fäusten.
Laina war sicherlich einer der herzlosesten und hinterhältigsten Menschen, denen sie je begegnet war, aber hatte sie nicht noch eine Chance verdient, nachdem sie nun glaubte, Hicks verloren zu haben? Aber hatte sie Hicks wirklich so sehr geliebt? Ehrlichgesagt bezweifelte Heidrun das! Sie wusste, dass schon so viele andere Jungen durch Lainas Hand gestorben waren. Bei dem kleinsten Fehler oder auch nur, wenn einer zu langweilig für dieses braunhaarige Mädchen geworden war, konnte es dazu kommen. Da bestand für Heidrun kein Zweifel, denn in der Nacht von Astrids Brief hatte sie nicht richtig schlafen können und als sie aufgewacht war, hatte Laina Namen gemurmelt. Dutzende Namen. Frauen und Männer. Erst der Name, dann die Todesart und zum Schluss der Grund. Oft mehr als nur lächerliche Gründe, wie, dass ein Junge eine Verabredung vergessen hatte oder mit einem anderen hübschen Mädchen über belanglose Dinge geredet hatte. Heidrun lief bei dieser Erinnerung eine Träne über die Wangen. Ihr taten die Opfer so leid. Es war nur leises Gemurmel gewesen, doch sie hatte genug davon verstehen können. Auch dieser stolze Unterton in den Wortfetzen der Mörderin. Heidrun hatte danach kein Auge mehr zumachen können. Sie hatte sich nicht getraut es jemandem zu sagen, aus Angst, dass ihr keiner glauben würde. Nur Hicks hatte sie es am folgenden Tag gebeichtet, denn er hatte schon längst die Vermutung gehabt, dass Laina hinter Astrids Verschwinden steckte. Und da er ja vorgeben hatte müssen, mit dieser Killerin zusammen zu sein, war es ihr sofort klar gewesen, dass sie ihn warnen müsste. Aber obwohl Hicks geahnt hatte, dass die Braunhaarige nicht so unschuldig war wie sie tat, hatte Heidrun ihn seinem Gesicht lesen können, dass selbst Hicks nicht mit derartig schlimmen Sachen gerechnet hatte.
Doch plötzlich kam Heidrun der Gedanke, dass Hicks selbst eins von Lainas Opfern hätte sein können! Sofort wurde ihr schwindelig. Beinahe fiel sie von ihrem geflügelten Reptil. Wenn Hicks einen Fehler gemacht hätte, hätte Laina ihn dann umgebracht? Dieser Gedanke steckte in ihrem Kopf fest. Wenn etwas schief gelaufen wäre, Laina hätte Hicks bestimmt umgebracht und wäre abgehauen! Wer weiß, ob sie Astrid je gefunden hätten! Vermutlich nicht und ihre beste Freundin wäre verdurstet. Unglaubliche Wut und doch auch Trauer druchfuhren sie. Es hätte so schlimm enden können! Aber wenn sie Laina zu den Barbaren schickte, würde sie dort sicherlich gefoltert werden und bis zur totalen Ermüdung oder sogar ihrem Tod in den dortigen Minen arbeiten müssen. Die Barbaren kannten keine Gnade! Doch was sollte Heidrun tun? Sollte sie nochmal Gnade walten lassen? Oder sollte sie Laina für ihre Taten in ihr sicheres Verderben schicken?
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Mädchenalarm auf der Klippe
FanfictionEs ist gerade eine ruhige Zeit für die Drachenreiter, doch das soll sich ändern! Dieses Buch enthält 2 voneinander unabhängige Geschichten, die jeweils ein neues Mädchen beinhalten, welches auf verschiedene Arten ein Problem für Hicks birgt. 1. Miss...