Kapitel 30

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Nur noch zwanzig Minuten fehlen mir, dann bin ich offiziell vierundzwanzig. Meine Eltern haben fürs Wochenende mir Mikail und Malik abgenommen, sie meinten, dass sie die Kleinen zu selten sehen.

Es ist gleich soweit. Der achtzehnte September. Ich werde vierundzwanzig. Ich kann es nicht fassen. So schnell zieht die Zeit an mir vorbei.

Alte Erinnerungen kommen mir in den Sinn. Wo ich noch kleiner war und mit Bilal gespielt habe. Meine Schulzeit, Aria und Mina. Die Hochzeit, die Streitereien mit Diliyan. Und die schreckliche Zeit danach.

Drei verdammte Jahre im Zellentrackt vergeudet. Und dass nur, weil ich Diliyan vor einer Vergewaltigung bewahrt habe. Hätte ich das Miststück Dua nicht fast zur Tode verprügelt, wäre es dazu nie gekommen.

Meine Zwillinge kommen mir in den Sinn. Ich fange an in mich hinein zu grinsen. Die ersten Schritte und Laute konnte ich nicht miterleben.

Dafür haben mir meine Eltern die vielen Videos und Fotos von Malik und Mikail gezeigt, als ich entlassen wurde. Die Anfangszeit war schwer, sehr schwer. Ohne Mann, plötzlich zwei kleine Kinder großziehen.

Meine Gedanken schweifen zu Diliyan. Weiß er überhaupt, dass ich jeden Moment Geburtstag habe? Wird er mir gratulieren?

Nachdem er sein Gips abbekommen hat, ist er wieder zurück gegangen. Wir haben ja abgemacht, dass er nur bis zu seiner Krankenzeit bei mir bleibt.

Trotzdem war er jeden Tag da. Von morgens bis nachts. Wir schliefen sozusagen nur in unterschiedlichen Häusern.

Mir fehlten die Berührungen nachts von ihm. In letzter Zeit wurde mir klar, dass ich nur ihn an meiner Seite haben will. Er ist meine einzige  große Liebe.

Ich lachte auf. Wenn man zurückdenkt und sich unsere Vergangenheit ansieht. Wir haben so vieles erlebt, positiv als auch negativ.

Mir kommen die Szenen hoch, wo wir auch mal handgreiflich wurden. Direkt wird mir schlecht. Von dem alten Diliyan ist nicht mehr zu sehen.

Ich schüttle mein Kopf. Wieso mache ich mir so viele Gedanken? Ich werde nie wieder an Diliyan's Seite stehen. Die Zeit mit ihm sollte ich genießen, aber habe ich immer den Hintergedanke, dass wir nicht vereint sind. Er könnte es genauso mit anderen Frauen machen.

Meine Hand ballt sich zu einer Faust. Vielleicht bin ich ein ruhiger Mensch, trotzdem lasse ich nicht sowas zu. Ich bin besitzergreifend, was mir gehört, gehört auch mir. Was mir mal gehörte.

Aber er könnte auch mit mir spielen. Vielleicht ist er gerade bei einer anderen? Küsst er sie auch und sagt ihr schöne Dinge?

Aggressiv blase ich die Luft aus meiner Nase auf. Mein Herzschlag erhöht sich, an sowas will ich nicht denken. Es würde mich endgültig zerstören.

Wieso zweifle ich wieder an Diliyan? Genau wie damals. Am Anfang gab es kein Vertrauen. Dann haben wir uns verstanden und kamen uns immer näher. Irgendwann haben sich auch die Gefühle zueinander entwickelt.

Ich stand wortwörtlich auf Wolke sieben. In der Zeit dachte ich, dass uns nichts trennen wird. Nichts und Niemand.

Aber da habe ich wie immer falsch gedacht. Ich sollte aufhören immer etwas schönes im Leben zu sehen. Die Welt ist vergänglich, so viele Verräter sind hier. Natürlich werden Dinge passieren, die man für unmöglich gehalten hat.

Ich fuhr mir übers Gesicht. Toller Start ins vierundzwanzigste Lebensjahr, Nora. Ungeduldig schaue ich auf mein Handydisplay. Es ist 23:53 Uhr.

Irgendwie habe ich jetzt keine Lust mehr, Anrufe und Textnachrichten zu bekommen, dass heute mein Geburtstag ist. Sollte ich mein Handy ausschalten?

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