Letztes "Blutabzapfen"?

1.9K 74 6
                                    

Ängstlich und verunsichert folgte ich Alec. Plötzlich schien er es recht eilig zu haben und zog mich hinter sich her, aber nicht grob, was mich noch immer verwunderte. Auf dem gesamten Weg sagte keiner von uns beiden noch irgendetwas, jeder hing seinen eigenen Gedanken nach.

Meine Angst, dass es diesesmal die letzte Begegnung mit Aro sein könnte, klang nicht ab, sondern wuchs, je näher wir dem Turm und dem kleinen Turmzimmer ganz oben kamen. Ich hatte keine Ahnung, wie Aro auf meine Gedanken reagieren würde. Seine Gabe, alle Gedanken lesen zu können, wenn er eine Person berührte, könnte somit zu meinem endgültigen Tod führen.

Schon komisch, immerhin hatte ich mir monatelang genau dies sehnlichst gewünscht und nun hatte ich solche Angst davor, hier endlich wegzukommen…

Das Einzigste was ich wusste, war, dass Aros Launen ziemlich wechslerisch waren, das Wetter im April war Garnichts dagegen.

Es dauerte nicht lange, bis wir oben ankamen. Alessandro stand wie immer neben der Tür und guckte mich nur grinsend an. „Bis nachher. Ich freu mich schon darauf, wieder dein Blut zu trinken.“ Meinte er höhnisch. Am liebsten hätte ich ihm meine Meinung gesagt, doch ehe ich auch nur die passenden Worte finden konnte, hörte ich Aros ungeduldiges Knurren, Alessandro zuckte kaum merklich zusammen und Alec schupste mich in den Raum, ehe er die Tür verriegelte.

Aro stand mir direkt gegen über, vor dem Fenster und neben dem Bett, so wie beim letzten Mal auch. Nur eines war anders: er grinste nicht, was unweigerlich bedeutete, dass er schlechte Laune hatte. Und dann würde er auch noch meine Gedanken mitbekommen… Mir wurde schlagartig klar, dass es nun wirklich mein Ende sein würde.

„Wieso hat das heute so lange gedauert?!“ knurrte er ungeduldig und kam auf mich zu. Instinktiv machte ich einen Schritt zurück, doch ehe meine Beine den Befehl ausführen konnten, hatte Aro mich am Arm gepackt und zog mich zu sich hin, in der selben Bewegung nahm er meine Hand und überprüfte offenbar meine Gedanken, genau so, wie ich es befürchtet hatte.

„Was fällt dir ein?!“ knurrte er wütend, verstärkte den Griff um meinen Arm und schleuderte mich gegen die hintere Wand. Ich schlug hart mit dem Kopf dagegen, ehe ich auf den Boden fiel. Kurz blieb ich benommen liegen, da sich alles drehte, doch dann rappelte ich mich schnell wieder auf und sah Aro ängstlich an. „Nur weil er der Einzigste ist, der halbwegs nett zu dir ist, heißt das noch lange nicht, dass er dasselbe für dich empfindet wie du für ihn! Schon mal darüber nachgedacht, dass er ein Vampir ist und du ein nichtsnutziger, kleiner Mensch?!“ fauchte er und kam wieder zu mir. Ehe er mir einen heftigen Stoß verpasste und mich wieder gegen die Wand schleuderte.

Jetzt war ich also wirklich dem Tode geweiht… Naja, er hatte sicher Recht. Ich konnte mich doch nicht in einen Vampir verlieben! Sicher hatte ich mir diese starken Gefühle für den Gardisten nur eingebildet, da niemand seit so langer Zeit mit mir vernünftig geredet hatte. Alec war einfach nur etwas netter und nicht so grob wie Felix, Demetri, Santiago oder Afton…

„Dieses Mal wirst du nicht sterben… Noch nicht. Aber wenn ich noch einmal, etwas Derartiges in deinem kranken Kopf finden sollte, stirbst du!“ Ich nickte nur und schloss die Augen, als ich seinen groben Griff an meinen Schultern spürte.

Dadurch das ich kaum etwas zu essen bekam, war ich natürlich ziemlich mager, wodurch ich schwach und sehr knöchrig war. Wenn ich stolpern würde, bestünde große Gefahr, dass ich mir etwas brach. Und wenn ein Vampir mich so grob anpackte, musste ich jedesmal mit gebrochenen Knochen rechnen… Besonders dann, wenn der Vampir stink sauer auf einen war, so wie Aro gerade.

Es wunderte mich, dass er mir nicht absichtlich etwas brach, zugetraut hätte ich es ihm ja. Doch das Einzigste, was er machte, war, mich wieder zu beißen. Grober als jemals zuvor.

Es schmerzte furchtbar, als seine messerscharfen Zähne meine Haut und mein Fleisch durchschnitten. Ich hatte das Gefühl, dass Aro mich so fest biss, dass sich seine Zähne gleich wieder berühren würden! Es tat sogar zu sehr weh, um das ich hätte schreien können…

Eine gefühlte Ewigkeit saß ich an der Wand gelehnt und kämpfte neben den schlimmen Schmerzen und dem Bedürfnis, laut zu schreien und zu zappeln, auch gegen den Drang an, Aro so lange an den langen, schwarzen Haaren zu ziehen, bis er von mir abließ.

Ich spürte bereits, wie ich beinahe das Bewusstsein verlor, als ich spürte, wie ich losgelassen wurde und andere, nicht ganz so große Hände, meine Schultern packten und mir Alessandro das Gift aussaugte. Während dieser Prozedur verfolgte ich - schon halb weggetreten – ein kleines Gespräch, oder eher eine Diskussion, zwischen Aro und Alec.

„Alec, du bringst sie nach unten.“ meinte Aro schroff.

„Meister?“ fragte Alec etwas zögernd.

„Was denn?“ Er klang extrem gereizt…

„Wollt Ihr Euch nicht wieder um ihre Wunde kümmern?“ Woher wusste er das denn? Bestimmt von Jane…

„Nein. Und du machst da auch nichts dran. Von mir aus kann sie sich ruhig entzünden und dieser Göre den Tod bringen. Da rettet man sie schon von der Straße und dann so etwas…!“

Ich verstand Garnichts mehr. Ich hatte ein glückliches Leben gehabt, bis ich hier her geschleppt worden war! In dem Moment, indem Aro den letzten Satz sagte, ließ Alessandro mich los und ich landete wieder auf dem Boden. Ich sah nur noch verschwommen und ganz wage, wie er und Aro den Raum verließen.

Alec kam auf mich zu, als ich mich mit letzter Kraft aufrichtete und meine Hand auf die Wunde presste. „Tut es sehr weh?“ fragte er und kniete sich zu mir auf den Boden. Ich schüttelte nur den Kopf und sah ihm in die roten Augen, wobei ich mir stark ins Gedächtnis rief – so sehr es mir eben noch möglich war – dass auch er zu diesem Clan gefährlicher Vampire gehörte, die Menschen das Leben nahmen. „Nein, ich spür hauptsächlich, dass ich dringend schlafen sollte.“ brachte ich kaum noch heraus. Alec nickte, stand auf und kramte etwas aus der obersten Schublade der Kommode heraus, ehe er mich hochnahm, wie ein Baby in seinen Arm legte, und in den Kerker trug.

In meiner Zelle legte er mich auf die Decken und breitete die restlichen über mir aus. Dann drückte er mir noch ein kleines Päckchen in die Hand. Das letzte was ich noch mitbekam, ehe ich einschlief, war, wie er zu mir sagte: „Aro meinte nur, dass ich nichts an der Wunde machen darf. Aber davon, dass ich dir keine Verbandsmaterialien geben darf, damit du dich selbst um deine Wunde kümmern kannst, war nie die Rede.“

~~~°~~~°~~~°~~~°~~~°~~~°~~~°~~~°~~~°~~~°~~~°~~~°~~~°~~~

Ich hoffe, dass euch das Kapitel gefallen und dass ihr Spaß am Lesen hattet.

Hinterlasst mir doch bitte einen Kommentar, damit ich weiß, wie die Story so bei den Lesern ankommt :)

Der BlutspenderWo Geschichten leben. Entdecke jetzt