Es gibt noch so einiges, was ich lernen muss...

1.3K 70 8
                                    

Ich genoss die frische Luft. Wie lange hatte ich darauf verzichten müssen? Monatelang hatte ich nur einen stickigen Kerker um mich herum. Keine Sonne, kein Mond, keine Sterne, keine Wolken… Und nur diese modrige, feuchte Luft. Es war einfach nur ein schönes Gefühl, das alles wieder zu haben. Auch wenn ich es nur von meinem Fenster aus sah.

Noch einmal nahm ich einen tiefen Atemzug – zum gefühlten tausendsten Mal. Auch wenn ich keine Luft brauchte, es fühlte sich einfach herrlich an. Ich kletterte auf den Fenstersims und ließ die Füße die Außenwand hinunterbaumeln. Mein blick war in die Ferne gerichtet. Ich sah nichts außer die wunderschöne Landschaft, sie sich dort auftat.

Irgendwie komisch, dass solch grausame Dinge wie sie hier geschehen, von einer so wunderschönen Natur umgeben war. So wie ich hier saß, konnte ich alles sogar für einen kurzen Moment lang vergessen. Ich lehnte den Kopf an den Fensterrahmen, schloss die Augen und versuchte meine Gedanken abzustellen und einfach nur meine neu gewonnene „Freiheit“ zu genießen.

Die Tür ging auf und Demetri stand plötzlich in meinem Zimmer. Ohne hin zu gucken, wusste ich, dass er es war. Ich roch, dass es der Tracker war. Und er wusste, dass ich wusste, dass er da war. Spätestens als er anfing zu Sprechen war ich mir einhundertprozentig sicher, dass er es war.

„Dir ist klar, dass du getötet wirst, wenn du da runter springst, oder?“ Ich hörte, wie er sich an die geschlossene Tür hinter sich lehnte. Aber ich drehte mich nicht um, auch wenn mein Instinkt danach schrie, ihn anzusehen. Vermutlich purer Überlebensinstinkt. Wenn ich ihm den Rücken zukehrte, konnte ich nicht so schnell reagieren, wenn er mich angreifen wollte. Und die Anzeichen für einen Angriff konnte ich erst recht nicht erkennen.

„Ich hab nicht vor zu springen.“ gab ich teilnahmslos zurück. Ich wollte einfach meine Ruhe haben.

„Gut.“

„Woher weißt du eigentlich, dass ich hier sitze?“ wollte ich wissen.

„Einer der Wachen hat mir gesagt, dass er dich am Fenster hat sitzen sehen, als er zurückgekommen ist.“ gab er gleichgültig zurück.

„Wie kann man hier her nur freiwillig zurückkommen?“ seufzte ich.

Demetri schnaubte.

„Das ist unser Zuhause. Das Leben hier bietet mehr Bequemlichkeiten als das Leben als Nomade. Das wirst du schon noch lernen.“

„Ich bezweifle dies.“ konterte ich bissig.

„Dir bleibt keine Wahl als hier zu bleiben. Irgendwann wirst du dich damit abfinden.“ Das klang beinahe wie ein Versprechen… aber mehr wie eine Drohung.

„Wenn du mir nicht glauben willst, kann ich das verstehen. Ich wollte selbst nicht hier sein.“

Jetzt drehte ich mich doch um.

„Was? DU? Es kommt mir eher so vor, als willst du hier nicht mehr weg.“ Jetzt war ich verwirrt. Wirklich verwirrt.

Ich stieß mich von dem Fensterrahmen ab und wandte mich so um, dass ich ihn ansehen konnte. Demetri sah auf den Boden, schien aber zu grinsen. „Da bin ich nicht der Einzige, falls du das glauben solltest.“ meinte er und setzte sich auf das Sofa neben der Tür. Nun wandte ich mich ganz um und saß mich anders herum hin, um Demetri angucken zu können. Langsam wurde ich neugierig.

Wieder grinste er. „Vielleicht erzähl ich dir meine Geschichte, wenn du den test überleben solltest.“ Er wirkte nicht so, als ob er daran glaubte. Das ich den test bestehen sollte, meine ich. Aber was zur Hölle war mit diesem Test?!

Demetri schien mir meine Verwirrung anzusehen. „Dein Gesicht spricht Bände. Das musst du als allererstes lernen.“

„Was?“

Der BlutspenderWo Geschichten leben. Entdecke jetzt