EPILOG: Ein Freund für die Ewigkeit

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Wir lachten und scherzten. Wir begannen zu überlegen, wo uns unser Weg hinführen sollten. Henry hatte zahlreiche Pläne für unser nun – hoffentlich – freies Leben. Quer durch die Welt reisen, andere Vampire treffen, Werwölfe suchen, Atlantis entdecken; all dies waren nur ein paar wenige seine Ideen. Aber ich musste zugeben, dass das aller interessant klang. Das Wichtigste war allerdings, dass wir das alles zusammen machten. So könnten wir immer alle Erinnerungen teilen. Alleine wäre es viel langweiliger gewesen.

"Lass uns mit der Weltreise beginnen. Das ist etwas, was ich alleine zwar schon mehrmals gemacht habe, aber noch nie mit jemandem zusammen." Henry grinste mich breit an. "Natürlich. Ich wollte schon immer mal die ganze Welt sehen. Wo willst du anfangen?" Meine Vorfreude stieg immer weiter an, als ich begann, mir auszumalen, wie viele verschiedene Orte ich sehen würde, wie viele verschiedene Kulturen ich kennen lernen würde. Wir könnten zwar nicht die verschiedenen Speisen durchprobieren, aber dafür würden wir verschiedenste Menschen probieren können. Klingt psycho? Wir sind Vampire, was erwartet ihr?

"Lass uns mit Alaska beginnen. Die Landschaft ist wunderschön, zudem halten sich da gerne Vampire auf. Vielleicht treffen wir ja auf welche, wer weiß?" Ich nickte nur. Mir war alles recht, solange wir schnellst möglich die Welt bereisen würden. "Na dann: auf gehts!" rief er freudig, nahm meine Hand und rannte los.

Unser Weg führte uns zunächst nach Österreich, anschließend mussten wir durch Tschechien und Deutschland, um durch die Ostsee nach Schweden und schließlich nach Norwegen zu gelangen. Dort angekommen, sprangen wir an der nächstbesten Küste von einer ziemlich hohen Klippe in das Europäische Nordmeer. Dieses durchtauchten wir, weil es Tag war und wir nicht gesehen werden wollten. Raus kamen wir dann schließlich auf einem komplett vereisten und verschneiten Land. "Wo sind wir hier? Sind wir schon in Alaska?" fragte ich nach. Meine Orientierung war vollkommen für den Allerwertesten, aber Henry erklärte mir immer ganz genau, wo wir uns befanden und welche Grenzen wir gerade passiert hatten. "Nein, noch nicht ganz, aber fast. Wir befinden uns hier auf Grönland. Auf Menschen werden wir hier wohl kaum treffen, aber vielleicht sehen wir ja ein paar Tiere, wenn sie nicht vor uns davon laufen. Oder wir treffen sogar einen Vampir, oder eine kleine Nomadentruppe, man kann nie wissen." Ich sah mich staunend um. Alles war weiß, nirgends sah man auch nur einen kleinen dunklen Fleck Dreck. Als Mensch hatte ich oft eher grauen Schnee zu Gesicht bekommen, weil das Weiß verdreckt war. Die Stadt eben.

Henry zog sanft an meiner Hand. "Wir kommen ja noch Mal hier her und gucken uns dann alles genauer an. Jetzt gehen wir erst mal weiter, ja?" er lächelte mich sanft an. Ich nickte nur stumm und folgte ihm. Während unseres Weges erklärte er mir hin und wieder etwas über Grönland, versprach mir aber, mir noch viel mehr zu erzählen, wenn dieses Land auf unserer Reise offiziell an der Reihe war. Momentan waren wir nur auf der Durchreise und er erklärte mir nur das aller nötigste.

Bald kamen wir wieder am Wasser an, die sich als Nares-Straße entpuppte. Die breite Wasserstraße zwischen den ganzen kleinen Inseln und der Großen. Alle gehörten noch zu Grönland. Ich hatte es schnell aufgegeben, mir zu merken, wie oft wir auf dem Land und unter Wasser waren, bis wir endlich durch Grönland und seine ganzen Inseln durch waren. Als wir wieder festen Boden unter den Füßen hatten, sagte Henry mir, dass wir jetzt auf dem Grund des letzten Landes standen, dass wir durchreisen würden. Wir befanden uns in Kanada. Jetzt gab es nur noch Land, da kamen wir am schnellsten voran. "Unser Startpunkt ist nicht mehr weit!" lachte er und rannte wieder los.

Die Ganze Reise über hatten wir unsere Hände nicht los gelassen. Ich war nicht in ihn verliebt, auch er nicht in mich. Wir waren wirklich nur Freunde, die sich immer mehr voneinander erzählten, je länger wir unterwegs waren. Wir kamen uns immer näher. Noch vor Norwegen waren wir bereits sehr gute Freunde. Wir wussten mehr voneinander, als ich jemals von einem Freund oder einer Freundin wusste, als ich noch ein Mensch gewesen war. Wir hatten sehr viel Spaß, selbst an den aller kleinsten Dingen. Zudem genoss wohl nicht nur ich die Nähe zu jemandem, dem ich endlich mal vertrauen konnte. Nach so langer Zeit in Gefangenschaft in der ich nur Angst und Schmerzen empfand, konnte ich endlich wieder glücklich sein. Ich fühlte mich wohl mit Henry. Vermutlich war dies die glücklichste Zeit in meinem bisherigen Leben. Wenn es nach mir ginge, könnte dies wirklich ewig so weiter gehen.

"Da wären wir!" stolz präsentierte Henry mir die Aussicht. "Ist das Alaska?" fragte ich begeistert nach. "Ja. Nicht immer liegt alles unter Eis und Schnee, wie in Grönland." grinste er. Wir standen auf einem riesigen Berg. Von dort aus hatten wir einen wunderschönen Ausblick auf einen See, an dessen anderem Ufer gerade ein Mann mit einer offensichtlich Profi-Kamera unterwegs war. "Schnell, in die Höhle!" Kichernd rannte ich ihm hinter her. Die Sonne stand bereits am Himmel. Auf dieser Entfernung konnte er das Glitzern des Schnees hier oben wahrscheinlich eh nicht von unserem unterscheiden, aber man konnte nie sicher sein. Wir beobachtete ihn, wie er mehrere Fotos schoss und dann weiter ging.

"Lass uns hier blieben, bis es wieder dunkel wird. Die Landschaft ist bei Nacht mindestens genauso schön wie am Tag." Wieder nickte ich. Freundschaftlich legte Henry mir einen Arm um die Schultern und zog mich an sich. Ich lehnte mich an ihn. "Es ist so schön hier." bemerkte ich unnötigerweise. "Ich weiß. Und das ist erst der Anfang. Wir werden noch viele solcher Landschaften zu Gesicht bekommen."
"Wie lange werden wir wohl so leben können?" fragte ich.
"Für immer. Die Volturi haben Angst vor dir." lachte er.
"Sicher?" Ich musste bei der Vorstellung lachen.
"Ja! Du hast doch ihre Gesichter gesehen."
"Ob sie wohl mittlerweile wieder alle zusammen gesetzt haben?"
"Ob sie wohl alle wieder richtig zusammen gesetzt haben?"
Wir stellten es uns beide bildlich vor: verschiedene Arme, Beine, der falsche Kopf. Einfach zu geil.

Wir scherzten noch eine ganze Weile herum und kritzelten verkrüppelte Wachen in den Schnee zu unseren Füßen. Nach einer ganzen Weile hatten wir uns schließlich beruhigt. Kurze Zeit später ging dann auch schon die Sonne unter und wir konnten endlich weiter gehen. Henry stand auf und reichte mir seine Hand um mir aufzuhelfen. Zunächst gingen wir in den Bergen spazieren. Wir hatten einen guten Ausblick und auch bei Nacht war die Landschaft wunderschön. Der Himmel war klar und wir konnten die Sterne sehen. Auf dem höchsten Gipfel setzten wir uns in den Schnee und blickten hinab in das Tal. "Versprichst du mir etwas?" Brach Henry auf einmal die angenehme Stille. Etwas verdutzt sah ich ihn an. "Was denn?" fragte ich vorsichtig nach. "Dass wir immer zusammen bleiben? Egal was passiert?" Er sah mich an. Er wartete auf meine Antwort. Seine Mimik konnte ich nicht deuten, seine Augen waren vollkommen Ausdruckslos. Ich konnte nur erkennen, dass er gespannt auf meine Reaktion war. Ich fing an zu lachen. "Natürlich! Wir sind doch Freunde. Wir bleiben zusammen und helfen uns gegenseitig, egal, was passiert." versprach ich ihm. Auch Henry musste jetzt grinsen. "Kleiner-Finger-Schwur?" Ich fühlte mich sofort zurückversetzt in die Grundschule. Da hatte ich das immer mit meinem besten Freund gemacht. Grinsend hielt ich ihm meinen kleinen Finger entgegen, woraufhin er seinen sofort mit meinem verhackte. "Freunde für immer." lachte er. "Freunde für immer." bestätigte ich. Wir brachen wieder in Gelächter aus. So würde sich die Ewigkeit aushalten lassen. Mit einem Freund für die Ewigkeit.


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Hallo Leute :)
Dies ist das letzte Kapitel meiner FF.
Ich möchte mich für all eure lieben Kommentare
bedanken. Es freut mich, dass diese Geschichte
doch so gut bei euch angekommen ist.
Es ist ein komisches Gefühl, sie nun nach
all der Zeit zu beenden. Sie ist wie ein Baby für mich.
Ein Baby, dass ich jetzt bereits über 4 (!!) Jahre
groß gezogen habe. Ich habe das Gefühl, dass
ich auch ein Stück weit an ihr gewachsen bin.

Ich hoffe, dass ihr genauso viel Spaß beim Lesen hattet,
wie ich am Schreiben. Danke Leute :)

Vielleicht werde ich noch eine Kurzgeschichte zu dieser
FF schreiben, die zeigt, wie Layla und Henry ein paar
Jahre später leben und was sie bis dahin erlebt haben.
Sobald ich dazu eine genauere Entscheidung getroffen
habe, werdet ihr es auf meiner Facebook Seite erfahren :)

Der BlutspenderWo Geschichten leben. Entdecke jetzt