Im Laufe des viel zu langen Tages war ich in menschlicher Geschwindigkeit quer durch den Wald gegangen, in der Hoffnung, hier vielleicht einen Unterschlupf zu finden. Ich kam vier Mal in die Nähe eines Wanderweges, wo sich – bei meinem Glück wie nicht anders zu erwarten – natürlich Menschen befanden, weshalb ich mehrmals dazu gezwungen war, mich zu verstecken und die Richtung zu ändern. Beim vierten Mal wurde mir dieses Spiel allerdings zu blöd. Ich verlor die Geduld und gab einfach ein lautes Knurren von mir. So schnell hatte ich schon lange niemanden mehr rennen sehen. Ich lachte einfach nur über die Panik, die die beiden Wanderer bekamen. Eigentlich sahen sie ja nicht so aus, als würden sie so schnell erschrecken oder Angst bekommen. Beide würden sich hinter einem Schrank wohl nicht verstecken können, so breit waren sie gebaut. Offenbar trainierten sie regelmäßig. Dass solche Männer Angst vor einem kleinen Mädchen wie mir hatten; darüber konnte ich wirklich nur Lachen. Okay, wenn ich an ihrer Stelle gewesen wäre, wäre ich auch vor mir weg gerannt. Immerhin wusste ich nur zu gut, was ich Menschen alles antun könnte. Das, was ich vor Kurzem ausprobiert hatte, war wohl nur ein geringer Bruchteil meiner Möglichkeiten.
Als es allmählich begann zu dämmern, bewegte ich mich sofort freier. Ich achtete nicht mehr darauf, ob jemand in meiner Nähe war. Ich wollte diese Nacht auf jeden Fall etwas finden, wo ich mich versteckt halten könnte. Allerdings stand für mich natürlich fest, dass das nur für den Tag gelten würde. Nachts würde ich durch die Stadt streifen. Londons Nachtleben erkunden. Ich würde sogar in alle Clubs und Diskotheken rein kommen. Die Türsteher sind mit jemandem beschäftigt und ich husche rein. Sollte irgendjemand versuchen wollen mich zu kontrollieren, würde ich einfach abhauen. Zudem würde ich mich auf so ziemlich jedes Konzert und jede Veranstaltung schleichen können. Fragte sich nun nur noch, ob ich es lange mit so vielen Menschen auf einem Haufen aushalten würde. Immerhin war ich noch immer sehr unerfahren. Sollte allerdings irgendwo eine Schlägerei ausbrechen und jemand verletzt werden, sollte ich schnellst möglich da abhauen.
"Vielleicht sollte ich mich nicht sofort ins Nachtleben stürzen." murmelte ich leise vor mich hin. Mittlerweile befand ich mich in einem der Ghetto Viertel der Stadt. Als ich vorhin durch die Straßen gegangen war, hatte ich eine Zeitung gefunden, in der von einem alten Plattenbau die Rede war. Dieser sollte abgerissen werden und sich hier irgendwo auf einem schon seit Wochen gesperrtem Gelände befinden. Da der neue Besitzer des Geländes allerdings verschwunden war, ging der Abriss nicht los. Gut für mich.
Ich hatte absolut keine Ahnung, wo genau ich hin gehen musste. Die Gassen waren teilweise Eng und endeten in privaten Hinterhöfen oder einfach an einer Hauswand. Überall lag Dreck. Hin und wieder hörte ich Geräusche aus verdächtig wirkenden Häusern, die nicht für Minderjährige geeignet waren und die ich am liebsten gar nicht wahr nehmen würde. Es stank oft bestialisch, wenn ich an einer Gasse vorbei kam. Ich musste nicht hin sehen, um den Unterschied zwischen vergammelndem Obdachlosen Junky und verwesender Leiche fest zu stellen. Langsam zweifelte ich an meiner Entscheidung, mich zunächst hier zu verstecken. Immer wieder spielte ich mit dem Gedanken, einfach wieder zurück in den Wald zu gehen, aber immer wieder entschied ich mich aufgrund meiner Neugierde dagegen. Immerhin würde es hier auch tagsüber nicht langweilig werden, weil immer was los war.
Irgendwann wurde es mir schließlich zu bunt, hier durch die Straßen zu irren. Ich begab mich in die nächste Gasse, vergewisserte mich, dass der Besoffene schlief, und kletterte dann an der Wand auf das flache Dach des Hochhauses. Von dort oben hatte ich einen perfekten Ausblick auf all die umliegenden Gebäude. So war es mir auch ein leichtes, das Absperrband zu entdecken, das um den Baustellenzaun gewickelt worden war. Das musste der Plattenbau sein. Er sah schon etwas zerfallen aus, die Fenster fehlten allerdings auch schon. Zum Glück waren nicht allzu viele Lücken in den Wänden, so dass mich niemand sehen würde, wenn ich mich dort drinnen verstecken würde.
Ich beschloss, mir das Ganze mal aus der Nähe zu betrachten und überwund die Distanz innerhalb einer Sekunde. Zunächst sah ich mich in den oberen Stöcken um, dann ging ich immer weiter nach unten, bis ich schließlich im Keller landete. Die Eisentür war kein Hindernis für mich, auch wenn sie abgeschlossen gewesen wäre. Kaum hatte ich die Tür geöffnet, war da ein komisches, sehr leises Geräusch zu hören. Und es roch komisch. Reflexartig stürmte ich aus dem Gebäude und versteckte mich in der Gasse, in der ich zuvor das Haus hoch geklettert war. Ich setzte mich auf den Boden und hielt mir vorsorglich die Ohren zu. Die Explosion war so verdammt laut, dass mein Kopf dröhnte und ich am Liebsten geschrieen hätte. Der Obdachlose wachte durch den Lärm auf und hob den Kopf. Als er mich so zusammengekauert dort sitzen sah, öffnete er gerade den Mund um etwas zu sagen, als ich mich bereits wieder verkrümelt hatte.
"Verdammte Scheiße!" fluchte ich vor mich hin, als ich mich wieder in Richtung des Waldes begab. Hier nochmal so einen perfekten Unterschlupf zu finden, war so gut wie unmöglich. Wer zur Hölle kam den bitte auf die Idee, da unten im Keller Sprengsätze so zu installieren, dass einem die Scheiße um die Ohren fliegt, wenn man die Tür öffnet?! Nur gut, dass ich das Dynamit gerochen hatte. Zuordnen hatte ich es zwar nicht sofort können, aber das leise klicken und das anschließende Geräusch der Zündung gab mir keinen Anlass, auch nur noch den Bruchteil einer Sekunde länger dort zu bleiben.
Ich kletterte wieder auf das Dach eines Hochhauses. Noch wollte ich mich nicht im Wald verstecken. Vielleicht gab es ja auch was interessantes zu sehen. Allemal interessanter als die Bäume und die ganzen Käfer, Spinnentiere und sonstigem Leben war es auf jeden Fall, egal, ob es nun was zu sehen gab oder nicht.
Ich setzte mich mit angezogenen Knien an die Kante des Daches und sah in die Richtung, aus der die Rauchsäule des soeben in die Luft geflogenen Gebäudes zu sehen war. Die Feuerwehr war bereits da, und so wie es sich anhörte, auch ein Haufen Schaulustiger und auch ein paar Reporter. Ich seufzte leise.
"Layla? Was tust du denn hier?" Ertönte plötzlich eine mir verdammt bekannte Stimme. Erschrocken sprang ich auf und starrte entgeistert in die schwarzen Augen des Jungen, der früher einmal mein Schwarm gewesen war. Er hatte sich kein Stück weit verändert.
Als er mich ansah, schein er vollkommen verwirrt, aber gleichzeitig auch schockiert zu sein. "Seid wann?" brachte er halb erstickt heraus und trat einen vorsichtigen Schritt näher an mich heran. Ich konnte mir denken, was er damit meinte. "Noch keinen Monat." antwortete ich ruhig. Ich verstand nicht, wieso er so reagierte.
"Was?! Und dann rennst du ganz alleine durch die Gegend?Weißt du, was da alles passieren kann? Ich meine, du weißt ja kaum was über das Dasein als Vampir, und..."
"Da bleibe ich auf keinen Fall!"
"Wo?"
"Bei diesen Monstern!"
"Genau genommen, bist du als Vampir jetzt auch eines." gab Henry zu bedenken.
"Aber ich werde niemals zu solch einem grauenvollen wie die!"
"Wen meinst du denn?"
"Wenn du auch nur versuchst, mich zurück zu bringen, werde ich dich umbringen müssen! Egal was passiert, da gehe ich nie wieder hin!" schrie ich ihn an und schüttelte heftig den Kopf. Allein bei dem bloßen Gedanken, wieder bei den Volturi zu landen, überkam mich die nackte Panik.
Plötzlich packte Henry mich an den Schultern. "Wen meinst du? Wer hat dich in einen Vampir verwandelt?" verlangte er zu wissen.
"Caius!" schrie ich.
Er ließ mich los und starrte mich einfach nur an. Sein Blick war vollkommen leer, ausdruckslos. Ich könnte nicht sagen, was er diesem Moment empfand.
"Henry, alles okay?" Er antwortete nicht und starrte nur ins Leere.
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Nach verdammt langer Wartezeit geht es nun endlich
weiter.
Alle Klausuren sind geschrieben, jetzt geht es auf die
Ferien zu: also hab ich auch endlich mal wieder
Luft zum Schreiben :D
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Der Blutspender
FanficEin 15-jähriges Menschenmädchen hat ein schweres Leben bei den Volturi (damit fängt alles an). Doch auch als ihr Leben sich zum besseren wendet, hat sie Probleme. Probleme die sie sich nie zu träumen gewagt hätte. Beziehungsprobleme, Liebeskummer un...