20 Vertrauen und Hingabe

160 18 27
                                    

Nach einem langen Tag voller Anfeindungen und immer gleichen  Erklärungen saß Ritter Thorn von Goldwald in einem wollenen Wams  zusammengesunken auf seinem Bett.
Er hatte seine Aufgaben erfüllt, niemandem war etwas geschehen und ein königlicher Befehl war für ihn bindend. Verdammt!
Müde rieb er sich das Gesicht und stützte seinen Kopf in die großen Hände.
Nicht zum ersten Mal wünschte er sich, er könnte sich einfach aus der Burg schleichen und nie zurückkehren.
In seiner Jugend hatte er sich regelmäßig vom Sitz seiner Familie, Goldwalds Wehr, gestohlen.
Er war jedoch jedesmal auf die elterliche Burg zurückgekehrt, wenn ihm das Geld ausgegangen war.
Diese Ausflüge verschmolzen in seiner Erinnerung zu einem trunkenen Gewirr aus Leibern und Übelkeit und dankbar beließ er es in dem Nebel, der es umgab.
Das war in der Zeit gewesen, bevor sein Vater in die Hauptstadt und den Kleinen Rat berufen worden war.

Thorn bewegte die breiten Schultern und das Bett unter ihm ächzte.
Bald wäre sein Sohn alt genug, um als Page zu dienen und seine Ausbildung  zum Ritter zu beginnen. Er hatte die Hoffnung noch nicht aufgegeben,  dass er sie hier, in Oranborn aufnehmen würde, wo er ihn dabei beobachten könnte, wie er zum Mann reifte.
Warum musste die neue Königin mit den Winteraugen ihm die Zeit bis dahin so schwer machen?
Er  hatte den Jungen bereits einmal gesehen. Vor einigen Jahren waren seine  Mutter und sein vermeintlicher Vater, die Baronin und der Baron von  Wildegast, zu einem Besuch an den Hof gekommen. Es war das vollkommenste  kleine Geschöpf gewesen, dass Thorn je begegnet war.

Die Mutter des Kleinen, seine ehemalige Liebschaft, verhielt sich, als würde sie ihn nicht kennen. Zumindest waren die Summen, die der ältere von Goldwald zu zahlen gezwungen gewesen war, um ihren Mund und den ihres Vater geschlossen zu halten, gut angelegt worden.
Er wußte damals nichts von den Verstrickungen und Geheimnissen seiner eigenen Familie, aber sein Vater gab ihm allein die Schuld an den unerfreulichen Vorfällen. Der glaubte außerdem, dass Thorn die Familie derer von Goldwald beinahe dem sicheren Untergang anheimgestellt hatte. Der Ursprung der unerfreulichen Vorfälle, lag jedoch in einem Zerwürfnis der beiden Alten.
Thorn hätte das Mädchen sogar geehelicht, aber ihr Vater untersagte es wutentbrannt.
Danach war die Geduld des alten Grafen mit ihm zu Ende gewesen.
Dessen Verbindungen ins Königshaus und zum Obersten Bruder, sowie eine weitere Menge Goldes brachten ihn in der Leibgarde unter. Sicher war auch sein Ruf, der Held von Maidenhafen zu sein, dienlich dabei.
Ihm war die Tragweite des Eintritts in diese Bruderschaft nicht bewußt, als er sich dazu bereit erklärte und die Drohungen seines Vaters, seinen kleinen Sohn und ihn selbst in die Leere schicken zu lassen, bewirkten ein Übriges. Thorn hatte keinen Grund gehabt, an den Worten des Alten zu zweifeln.
Er hatte seine Eide geschworen und sich an sein Schwert binden lassen.
Nun saß er hier und musste aushalten, was das Schicksal für ihn bereithielt.
Nach diesem endgültigen Bruch mit dem Alten hatten beide fast vier Jahre kein Wort miteinander gesprochen.
Diese Zeit vermisste Thorn im Moment besonders.

Ein Klopfen riss ihn aus seinen Erinnerungen an die Zeit der Ruhe und den festen Druck der Schenkel der Baronin.
„Herein!"
Die Dienerin, Margie, die Ihre Majestät aus Brückfelding mit in den Palast gebracht hatte, schob schüchtern die Tür auf und schlüpfte ins Zimmer, wie eine verängstigte Maus.
Sie knickste unbeholfen und hielt ihm einen kleinen, ungesiegelten Umschlag hin.
Thorn versuchte in ihrem Gesicht zu lesen, was ihn erwartete, aber ihre Augen zuckten nur nervös im Raum umher.
Er nahm ihn und lächelte das Mädchen beruhigend an. Sie errötete stattdessen.
Nachdem er den Umschlag geöffnet hatte, überflog er das Papier.
In einer leicht nach rechts geneigten, grazilen Handschrift waren eilig  ein paar Worte niedergekritzelt worden. Was konnte sie wollen?
Er nickte der Dienerin zu. „Ich werde da sein."
Sie  knickste noch einmal und verschwand, nachdem sie den Gang vorsichtig auf und ab gespäht hatte, so plötzlich, wie sie gekommen war.
Thorn zündete den Brief an einer Kerze an und warf ihn in die leere Feuerstelle, wo er zu einem Häufchen Asche zusammensank.
Der Tag war für ihn offenbar noch nicht zu Ende.
Er streckte sich auf seinem Bett aus, um zu warten, bis die Nacht hereingebrochen war.

Wenn der Schnee fälltWo Geschichten leben. Entdecke jetzt