Thorn sah die junge Gräfin häufig, seit er mit ihr in Oranborn angekommen war.
Die Königinmutter hatte ihren Sohn dazu angehalten, jeden Tag einige Stunden mit seiner Braut zu verbringen.
Meistens wanderte der König in dieser Zeit durch den Palastgarten oder das Grüntuch und seiner zukünftigen Gemahlin blieb nichts anderes übrig, als ihm zu folgen.
Diese gemeinsamen Spaziergänge begleitete Thorn häufig als Leibwache.
Seine Majestät war ein ausgesprochener Einzelgänger und empfand die Gesellschaft der Gräfin als Last.
Für gewöhnlich pflegte Novalis II. stundenlang im Gras zu sitzen und einen Baum anzustarren oder einen Stein zu betrachten.
Dann plötzlich verfiel er in fieberhaften Eifer und kritzelte atemlos irgendeine Eingebung in ein Heft, das er zu diesem Zweck stets mitführen ließ.
Das letzte, wonach ihm der Sinn stand, waren Unterhaltungen, noch dazu, wenn sie Menschen oder andere weltliche Dinge betrafen.
Gerade das waren die Themen, die seine Braut mit zunehmender Verzweiflung zu besprechen versuchte.
Oft überhörte der König sie einfach oder schnitt ihr das Wort ab, wenn irgendein Geräusch seine Aufmerksamkeit auf sich zog.
Sie tat dem Ritter leid. Den endlosen Monologen des Jungen, wie Thorn ihn im Stillen nannte, lauschte sie mit bewundernswerter Geduld und vorgetäuschtem Interesse.
Er bemerkte nicht einmal, wenn sie offensichtlich fror.
Sie stand bereits unter dem besonderen Schutz der königlichen Leibwache, auch, wenn sie noch nicht vermählt war. Deshalb begleitete der Ritter sie an manchen Tagen nach diesen Zusammenkünften zurück in ihre Gemächer.
Einmal wirkte sie besonders bedrückt und er versuchte sie mit einer freundlichen Bemerkung aufzumuntern.
Diese verfehlte ihre Wirkung und plötzlich platzte es aus ihr heraus: „Ich werde mich in diesem Labyrinth nie zurechtfinden. Ich weiß weder, wie ich zu meinen Gemächern gelange, noch wie ich hier herausfinden soll!"
Es schien ihm nicht tatsächlich das zu sein, was sie bewegte, aber es war alles, was sie zu sagen wagte.
„Wollt Ihr Oranborn schon wieder verlassen?", versucht er sie zu necken, um sie von ihrem Kummer abzulenken. Natürlich schlug auch dieser Versuch fehl. Sie sagte nichts und presste nur ihre Lippen aufeinander.
Weil er nicht wußte, was er sonst noch tun konnte, bot er ihr an: „Wenn Ihr möchtet, zeige ich Euch die wichtigsten Wege, damit Ihr nicht mehr so verloren seid, Hoheit."
Sie nickte dankbar und seitdem führte er sie jeden Nachmittag ein wenig herum, wenn er als ihre Wache eingeteilt war.
Seinen Vorschlag hatte er aus Mitleid gemacht, aber bald festgestellt, dass sie nicht so einfältig war, wie er zuerst geglaubt hatte. Hin und wieder machte sie eine scharfsinnige Bemerkung oder teilte mit ihm eine Beobachtung, die anderen sicher entgangen wäre.Heute war es damit vorerst vorbei, denn der Morgen der königlichen Hochzeit war angebrochen.
Der Palast schien seit den frühsten Stunden vor Geschäftigkeit zu summen, wie ein Bienenstock.
Jeder freute sich auf das Fest und alle wollten sich amüsieren und das seltene Vergnügen bis zur Neige auskosten.Thorn saß auf dem Rand des Bettes in seinem kargen Zimmer, in der Nähe der Soldatenunterkünfte.
Den Leibwachen stand jeweils ein eigener Raum zu, während sich die einfachen Burgwachen mit einer Pritsche in den Kasernen begnügen mussten.
Dafür konnten sie ihren Dienst niederlegen. Das war ein Privileg, das ein geschworener Bruder nicht besaß.
Ein eigner Tisch, zwei Stühle, eine Truhe und ein grobes Bett waren ein schwacher Ausgleich, für die Freiheit seiner Wege gehen zu können oder eine Familie gründen zu dürfen. An Letztem war Thorn nie sonderlich gelegen gewesen; nichtsdestotrotz wünschte er, er könnte seinen Sohn aufwachsen sehen oder dessen Ausbildung übernehmen.Der Ritter bewegte sich etwas und das Bett knarrte unter seiner massigen Gestalt.
Zeit den Tag zu beginnen.
Er stöhnte innerlich, wenn er daran dachte, dass er bis in die Nacht hinein die rote Paraderüstung tragen musste. Sie wog wegen der aufwändigen Verzierungen, Beschläge und Schmucksteine schwer und war bei weitem nicht so bequem, wie die eingetragene und bewegliche, die er sonst während seines Dienstes anlegte.
Nachdem er ein schnelles Frühstück aus Hafergrütze und verdünntem Bier im Speisesaal eingenommen hatte, kehrte er in seinen Raum zurück. Ein Page hatte ihm das rote Ungetüm bereits gebracht und stand bereit, um ihm zur Hand zu gehen.
Thorn schlüpfte in das gepolsterte Wams und der Junge begann die Bestandteile der Rüstung festzunesteln und ineinander zu schieben.
Endlich saß alles, wie es sollte und der Ritter bewegte sich ein wenig, um den Sitz zu überprüfen.
Er gürtete sein Kampfschwert, einen gut ausbalancierten Anderthalbhänder um, dessen hölzerne Scheide heute gegen eine verzierte aus glänzendem Metall getauscht worden war.
Thorn griff nach seinem Helm und begab sich zu den Gemächern der Braut. Er würde sie bis zum Eingang des Saals der Acht begleiten.
Während der Zeremonie musste er im Hintergrund warten und sich dem Königspaar während des folgenden Festes wieder anschließen. Erst, wenn die Frischvermählten in ihr Bett begleitet worden waren, würde er hierher zurückkehren. Ein langer Tag lag vor ihm.
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Wenn der Schnee fällt
Ficțiune istoricăIntrigen, Verrat und enttäuschte Hoffnungen mit einem Hauch Romantik. Eine mittelalterlich-fantastische Geschichte über das Ringen um einen Platz in der Welt. Adhara soll überraschend den König heiraten. Nie hätte sie geglaubt, so weit aufzusteigen...