29 Unterricht

134 23 29
                                    

Einige Zeit später hatte sich die Lage etwas beruhigt. Zumindest diejenige, im Palast.
Es gab wenig zu tun. Der Rat kam nicht zusammen, es gab keine Besucher am Hof, die Audienzen nötig machten und die Oberstadt versank in einem Dämmerschlaf. Waren gelangten weder hinaus noch hinein und die Zukunft bot wenig Aussicht auf baldige Besserung der Situation.
Für Adhara gab es nichts zu tun, als auf den Winter zu warten und zu sehen, wie die Dinge sich entwickeln würden.

Der Ärger auf ihren Gemahl schwelte in ihrem Herzen, aber langsam erstickte das Bedürfnis, irgendetwas zu tun, den rauchenden Zorn, den sie von Zeit zu Zeit in sich aufsteigen fühlte.
Sie benötigte für alles Wichtige seine Hilfe in Form hastig gemurmelter Zustimmung oder einer Unterschrift auf irgendeinem Papier, die er ihr eilig gab, um sie loszuwerden. Das blieb ihr nun versagt.
Sie hätte ihren Stolz hinunterschlucken können und sich entschuldigen, um die Wogen zwischen ihnen zu glätten, doch er ließ sie nicht vor.

Ihre Schwiegermutter ging ihr aus dem Weg und Adhara hatte wenig Hoffnung, mit einer weiteren Einladung zum Tee, eine Wendung herbeiführen zu können.
Das Getuschel der Hofdamen der alten Königin verriet ihr, dass diese sich die Zeit mit spitzen Bemerkungen über ihre Unfähigkeit, ihrem Gemahl zu gefallen und einen Erben zu empfangen vertrieb. Adhara brachte nicht die Kraft auf, sich dem auszusetzen.

Sie war des Druckes und der Blicke von Herzen müde, die sie seit ihrer Hochzeitsnacht verfolgten.
Die Lage an dieser Front war aussichtslos. Sie hatte alles versucht: sie war zu Heilern gegangen und hatte auch die Pflichtübungen klaglos hingenommen und den König sogar dazu angehalten.

Der Gedanke, nie ein Kind in ihren Armen halten zu können, überschattete sogar die Sorge um ihre Zukunft, zu der ein Thronfolger nur Mittel zum Zweck war.
Meistens gelang es ihr, diese Sorgen in einer staubigen Kiste, ganz hinten in ihrem Kopf zu verbergen und nicht daran zu denken.
Manchmal aber, wenn sie versuchte zu sticken oder ein Buch zu lesen, kletterten sie leise heraus wie langbeinige Spinnen und woben ihre schwarzen Netze in ihre Tage. Wenn sie diese schließlich mit einem Ruck zerriss und sich zusammennahm, dann blickte sie auf ihr Buch und stellte fest, dass sie viele Seiten weiter gelesen hatte, ohne ein Wort darin zu verstehen.
Sie war dankbar für Valus Anwesenheit, denn sie war freundlich und warmherzig und ohne Arg.

Die Dirne hatte sich eingerichtet und lernte schnell.
Durch die regelmäßigen Mahlzeiten nahm sie zu und sah nicht mehr wie eine Frau aus dem Seichriemen, sondern wie eine der Palastmägde aus, rosig und gesund.
Sie war beinahe ständig an Adharas Seite, übernahm am Tage jedoch zunehmend auch andere Aufgaben, wie die anderen Dienstboten.
Anders als Margie, war nicht sie es, die nach einer Auseinandersetzung unter den Dienern mit einer blutigen Lippe herumlief. Danach traute sich keiner mehr, sie anzugreifen und allmählich gelang es ihr sogar, sich Freunde zu machen.
In den Nächten schlief sie im Zimmer der Königin, die wegen der Aufregungen der letzten Zeit vorgab, nicht allein sein zu wollen, sie aber in Wahrheit nur vor dem Zugriff missgünstiger Angehöriger des Hofstaates schützen wollte.

So sprachen sie am Abend oft über dieses und jenes. Valu hatte eine Fülle von Anekdoten und auch schmerzhaften Episoden zu erzählen und teilte die einen so gleichmütig, wie die anderen.
Adhara konnte nicht genug davon bekommen, denn Valus Geschichten hielten ihre Tränen in Schach, die sie an manchen Tagen wegen ihres Versagens und ihrer Ohnmacht zu überwältigen drohten.
Außerdem lenkte es sie von Thorn von Goldwald ab, der ihr seit dem Lächeln auf ihrem heimlichen Ausflug kein weiteres mehr geschenkt hatte.

Es war Adhara unbegreiflich, wie Valu sich in Leid und in einem Leben voller Härte ihre Wärme hatte bewahren können, während die Adeligen am Hof sie nur vortäuschten, wie das Abbild eines Feuers auf einem Gemälde. Es mochte überzeugend wirken, aber man konnte davor erfrieren, wenn man sich von seinem Aussehen täuschen ließ.
Valus Herzlichkeit dagegen blühte wie die Färberkamille, die golden zwischen kargen Felsen spross.

Wenn der Schnee fälltWo Geschichten leben. Entdecke jetzt