Sie galoppierten den Weg durch die Oberstadt hinunter. An ihrem Rücken spürte sie die schweren Atemzüge ihres Ritters und ihre eigenen brannten in ihrer Kehle.
Das Obere Viertel brannte. Dichte Schwaden von Rauch standen in den breiten Straßen und verhinderten, dass sie erkennen konnte, wo sie sich genau befanden. Ihre Augen tränten und nur durch einen Schleier nahm sie wahr, dass der Schneefall wieder eingesetzt hatte.
Doch es war gar kein Schnee, sondern Flocken von Asche, die aus dem trüben Himmel herabschwebten und sich auf ihr Gesicht und die Mähne des Pferdes legten.Das Tier ritt erbarmungslos alles nieder, was sich ihm entgegenstellte und schien den Weg von allein zu finden. Sobald der Bezirk der Kaufleute hinter ihnen lag, wurde es stiller um sie her.
Eckarius schloß auf und verständigte sich knapp mit Thorn, über das weitere Vorgehen.
Rufe flogen über ihrem Kopf hin und her und das Donnern der Hufe schlug die Trommel für den Durchritt der Königin durch die Stadt.Sie würden Oranborn verlassen und dann nach Norden reiten.
In wenigen Tagen konnten sie die Grafschaft Goldwald und Goldwalds Wehr erreichen, wo es sicher war und die Krankheit kaum gewütet hatte. Thorns Geburtsort.
Die anderen Leibwachen würden ihren Gemahl und seine Mutter ebenfalls dorthin bringen. Dann konnten sie sich sammeln und einen Plan für ihre Rückkehr fassen.
Eckarius ließ sich wieder ein wenig zurückfallen und sie setzten stumm ihren wilden Ritt durch die verheerten Strassen der Hauptstadt, die in Asche und Rauch versanken, fort.Ihr Ritter zog sie nahe zu sich und barg sie unter seinem Umhang. Erst jetzt bemerkte sie, wie kalt ihr war.
Erschöpft lehne sie sich gegen ihn und einen Moment verstärkte er seinen Griff um sie, vielleicht um ihr zu zeigen, dass sie bei ihm sicher war. Nichts zählte jetzt, außer seiner Nähe und seinem Atem an ihrem Rücken.
Endlich passierten sie das Tor, das weit offenstand und ließen die Stadt ohne weitere Zwischenfälle hinter sich zurück.
Von anderen Wachen oder ihrem Gemahl war noch immer nichts zu sehen. Sie hoffte inständig, dass er und Valu in Sicherheit waren.Das Streitross lief nun ruhiger, während sie durch die frostbeglänzten Wiesen um Oranborn ritten. Sie konnte frei atmen und sehen und der Biß der eisigen Luft löste das Brennen der Asche in ihren Lungen ab.
„Seid ihr in Ordnung, meine Königin?", fragte Thorn leise nahe an ihrem Ohr. „Ich bin nicht verletzt", erwiderte sie, „aber nein, ich bin nicht in Ordnung."
Er schwieg eine Weile. „Eckarius und ich bringen Euch in Sicherheit, zu meiner Heimatburg. Wir treffen die anderen da. Es wird alles gut."
Das Gespräch, dass sie am Morgen begonnen hatten, geriet ihr unvermittelt in Erinnerung. Nun war jedoch weder Zeit, noch Ort, es fortzusetzen und so sagte sie nichts und versuchte stattdessen, Ordnung in die späteren Ereignisse des Tages zu bringen.
Trotz allem, war seine Nähe beruhigend und seine Wärme und der Klang seines Atems an ihrem Ohr, dämpfte ihre Aufregung. Das Schicksal so vieler anderer war dagegen ungewiss.Sie ritten immer weiter. Die beiden Ritter wollten eine möglichst große Strecke zurücklegen, bevor die Dunkelheit sich ankündigte und sie ein Lager aufschlagen mussten.
Irgendwann, es musste kurz nach Mittag sein, denn die Sonne hatte kaum ihren höchsten Stand überschritten, fiel Adhara auf, dass Thorns Atem flacher und schneller zu werden schien. Er bewegt sich manchmal etwas im Sattel, aber sie schob es darauf, dass sie schon so lange ohne Rast ritten.
Nachdem er einmal geächzt hatte, warf Eckarius ihm einen Blick zu, aber er schüttelte nur abwehrend den Kopf. Adhara fragte ihn, ob es ihm gut ginge, aber er beruhigte sie und schob es auf die Anstrengungen der Nacht, was ihr einen erneuten Stich versetzte und sie dazu brachte, nicht weiter nachzuforschen.Einige Zeit später jedoch, schwankte er zunehmend und plötzlich rutschte er aus dem Sattel. Sofort blieb das Pferd stehen. Eckarius, der voraus geritten war, reagierte auf den dumpfen Laut, mit dem ihr Ritter auf dem Boden aufschlug. Er sprang sofort ab und kniete sich neben seinen Bruder.
Als er Thorns Mantel zurückschlug gab sie einen erstickten Laut von sich. Auf einer Seite glänzte seine ganze Kleidung bis hinunter zu den Knien nass von Blut. Sie blickte an sich herab und Teil ihres Kleides war ebenfalls dunkelrot gefärbt.
Betäubt stieg sie aus dem Sattel und fiel neben ihm auf die Knie. Seine Haut war wächsern und kalter Schweiß stand ihm auf der Stirn.
Adhara schloß eine zu kühle Hand in ihre.
„Verdammt" brummte Eckarius. „Wieso hast du nichts gesagt?"
Er hatte die Handschuhe ausgezogen und suchte mit schwieligen Fingern nach dem Ursprung der Blutung.
„Es war wichtiger sie aus der Stadt zu bekommen", erwiderte Thorn schwach und stöhnte auf, als sein Schwertbruder ihn vorsichtig bewegte, um sich seine Wunde anzusehen.
„Und danach?", fragte der ungehalten.
„War es ohnehin zu spät."
Der letzte Teil ging in einem Stöhnen unter. Eckarius hatte die Verletzung freigelegt. Offenbar war Thorn auf der Flucht von etwas durchbohrt worden, vielleicht den Zinken einer Mistgabel.
Adhara erinnerte sich an den Moment, als er sie in den Sattel gezerrt hatte und kurz zusammensackt war.
![](https://img.wattpad.com/cover/160598468-288-k421191.jpg)
DU LIEST GERADE
Wenn der Schnee fällt
Historische RomaneIntrigen, Verrat und enttäuschte Hoffnungen mit einem Hauch Romantik. Eine mittelalterlich-fantastische Geschichte über das Ringen um einen Platz in der Welt. Adhara soll überraschend den König heiraten. Nie hätte sie geglaubt, so weit aufzusteigen...