37 Überraschungen

121 21 21
                                    

Adhara war früh neben dem König erwacht und hatte noch eine Weile im  Dunkeln gelegen und gewartet, dass die aufkeimende Dämmerung zum Tag  erblühen würde.
Ohne den Mut zu finden, es tatsächlich zu tun, hatte sie sich gefragt, ob sie bereits gefahrlos hinüber, in ihre Gemächer, gehen konnte.
Außerdem verlangte die letzte Nacht danach, mit Valu besprochen zu werden, während diese ihr beim Ankleiden zur Hand ging.

Schließlich war es so hell geworden, dass auch der Palast träge zum Leben erwachte.
Matt bewegte sich ihr Gemahl neben ihr und stöhnte.
Er  hatte mehr Wein getrunken und war weniger davon gewöhnt als sie. Nun blickte er sie, noch bleicher als sonst, aus geröteten Augen an und sie mühte sich, ihm beim Aufsetzen zu helfen.
„Holt mir Valu!", verlangte er  in einem nörgelnden Tonfall, den sie noch nie von ihm gehört hatte.

Wenn  sie das tat, wäre ihre Vertraute wahrscheinlich den ganzen Tag mit seinen Wünschen  beschäftigt und sie hätte bis zum Abend keine Gelegenheit, sich mit ihr  zu besprechen.
Es erwies sich jedoch als unmöglich, ihn davon abzubringen und so blieb  ihr nichts anderes übrig, als die Verlangte kommen zu lassen.

Sie traf ein und sofort begann der König ihr sein Leid zu klagen. Betrübt dachte Adhara, dass es ihre Aufgabe  gewesen wäre, sich um ihn zu sorgen.
Valu und sie wechselten einen Blick. Es gefiel ihr nicht, aber besser die kümmerte sich  um ihren Gemahl, als dessen Mutter.
Sanft überredete die Dirne Novalis,  sich in sein Schreibzimmer zurückzuziehen, wohin sie ihm ein leichtes  Frühstück und gehackten Aal mit bitteren Mandeln gegen seine  Unpässlichkeit bringen wollte.

Die Aussicht darauf schien ihn  aufzuheitern, denn er verbrachte gern Zeit in deren Nähe und  sah ihr dabei zu, wie sie aß oder ihr unbekannte Aromen erforschte.

Zumindest könnte sie ihren Tag dann ebenfalls beginnen, ohne sich das Jammern über  seine Gesundheit anhören zu müssen und so stimmte sie zu.

Valu verließ  mit ihm das Zimmer und sie selbst ging endlich hinüber zu der Tür, die dieses  Schlafgemach mit ihrem eigenen verband. Sie öffnete sie einen Spalt und  warf einen Blick hindurch, um sich zu vergewissern, dass ihre Kammer leer  war. Niemand war zu sehen, nur das Bett war zerwühlt und einige Kissen  lagen auf dem Boden.

Adhara ging hinüber und strich über das Laken;  dabei versuchte sie sich vorzustellen, wie er ausgesehen hatte. Sie  griff in das Nachtschränkchen und zog die weiße Blüte heraus. Dann  klingelte sie nach einer Dienerin, die ihr bei den morgendlichen  Verrichtungen behilflich sein sollte.

Es erschien eine junge  Magd, die sie zwar schon einige Male gesehen, aber mit der sie bisher  kaum ein Wort gewechselt hatte. Diese stellte ein Tablett mit einigen  Scheiben eines trockenen Kuchens und eine dampfenden Kanne Tee auf den  Tisch, die sofort einen Hauch von Lavendel im Raum verbreitete.
Gegen  den bohrenden Hunger schob sich Adhara beiläufig kleine Stücke des  Gebäcks in den Mund und nippte hin und wieder vorsichtig an ihrer Tasse. 
Gerade war sie fertig angekleidet und die Magd schloss die letzten  Bänder ihres Überkleides, als die Wache Ritter Thorn von Goldwald  meldete.
Schlagartig war der letzte Rest ihrer morgendlichen Mattheit  verschwunden und sie ließ ihn eintreten. Die Blüte schob sie in eine  verborgende Tasche ihres Kleides.
Ohne es verhindern zu können, schlich sich ein Lächeln auf ihre Lippen, das er sofort erwiderte.

Er  trug noch immer keine Rüstung und das rief eine Erinnerung daran wach,  wie sie sich im einsetzenden Schneefall an ihn geschmiegt  hatte, um die Bewegungen seines Atems und seine Wärme zu spüren.
Adhara setzte  sich, damit die Magd ihr Haar kämmen konnte, aber auch, weil sie  plötzlich unsicher war, ob ihre Beine sie weiter tragen würden.
Es kostete sie große Anstrengung, sich ruhig zu verhalten und sie gebot dem Ritter einfach, ihr vorzutragen, weswegen er gekommen war.
Als  er geendet hatte, schien er noch etwas hinzufügen zu wollen, schwieg jedoch. Offenbar störte ihn das  Mädchen, das sich nach wie vor mit der Bürste an ihrem Haar zu  schaffen zu schaffen machte. Sie schickte es ungeduldig hinaus, um etwas Obst zu holen. Das würde ihnen einige Minuten allein schenken.

Wenn der Schnee fälltWo Geschichten leben. Entdecke jetzt