Wie sie es erwartet hatte, stieß die Ankündigung eines Balls zu diesem Zeitpunkt auf wenig Gegenliebe. Die Dienstboten und Soldaten murrten und selbst einigen Adeligen ging die Geschmacklosigkeit zu weit.
Die meisten Hochgeborenen aber nahmen es hin oder begrüßten die Ablenkung und Abwechslung, die ihnen das Fest bieten würde.
Adhara vermeinte in diesen Tagen jedoch, feinselige Blicke zu spüren, wenn sie durch die Burg oder auf die Mauern ging, um einen Blick über die Stadt zu werfen.
Sie sprach mit Valu darüber und wollte von ihr wissen, ob die Armen sich erheben würden.
Die sah sie nachdenklich an und meinte schließlich an so etwas hätte sie noch nie gedacht und auch sonst keiner, den sie kannte.
Das Leben sei wie es sei. Die Armen arm, die Reichen reich. Das Schulterzucken, das diese Worte begleitete, hätte Adhara beruhigen sollen, aber es verfehlte seine Wirkung.Ihre Sorge schien außer dem Hohen Horcher niemand zu teilen. Den meisten schien sie absurd und selbst Valu, deren Leben bisher nur an Ungerechtigkeiten, bitterer Armut und Demütigungen reich gewesen war, hielt es für ausgeschlossen.
Adhara aber erinnerte sich an die Worte ihres leiblichen Vaters, die aus ihren Kindertagen und einem Sommer voller Kinderlachen und Heuduft zu ihr klangen.Damals hatte eine Katze einen Jungen so schwer verletzt, dass er beinahe ein Auge einbüßte.
Sie jagten das Tier im Spiel den ganzen Tag über den Hof von Brückfeldingstein, bis es erschöpft in einer Ecke kauerte. Gleich wohin es zu fliehen versuchte, stöberten sie es auf und trieben es weiter. Einer der Jungen stieg ihm sogar bis in einen Baum nach und trat es hinunter.
Als die Katze schließlich in der Falle saß, wurden ihre Augen plötzlich zu tiefen, schwarzen Seen. Ihre Ohren lagen eng an den Kopf gepresst und den Kindern hätte das leise Zischen und Knurren eine Warnung sein müssen.
Sie befand sich in solcher Bedrängnis, dass sie ihr Leben nur noch durch einen beherzten Angriff retten zu können vermeinte.
Aus dem Stand schnellte sie nach oben und krallte sich im Gesicht eines Jungen neben Adhara fest.
Die Narben trug er noch heute, eine direkt unter dem linken Auge.
Ihr Vater schalt sie, weil sie nicht eingeschritten war, sondern sich noch daran beteiligt hatte. Ein in die Ecke getriebenes Tier, wird irgendwann angreifen, hatte er ihr erklärt. Der gutmütigste Hund wird es irgendwann müde, sich treten zu lassen und die scheueste Katze wird zum reißenden Derwisch, wenn man ihr keine Möglichkeit zur Flucht lässt.
Zu was wurden Menschen, wenn man ihnen alles nahm, die Rettung vorenthielt und ihnen zusätzlich ins Gesicht schlug?In diesen Tagen erinnerte Valu sie an sich selbst, als sie gerade im Palast angekommen war. Sie schwatzte über Kleider, an deren feiner Machart die Dirne zunehmend Gefallen fand und die schönen Stoffen, die sie gern berührte, wenn sie ihr beim Ankleiden behilflich war.
Für Adhara selbst war der Tand zur Gewohnheit geworden und sie achtete kaum noch darauf. Am liebsten hätte sie einfach ein Kleid getragen, dass sie ohnehin besaß. Ihr Gemahl meinte sein Versöhnungsangebot jedoch sehr ernst und schickte ihr einen Schneider, der ihr ein neues anfertigen sollte.
Valu war regelrecht verzückt. Sie drückte sich die ganze Zeit in dem Gemach herum und schwirrte hierhin und dahin, um verstohlen die Bänder und Borten durch ihre Finger gleiten zu lassen. Es schien ihr unbegreiflich, wie wenig sich die Königin für all das erwärmen konnte.
Auf's Geratewohl wählte Adhara Irgendetwas aus und ließ dem Schneider freie Hand. Er sollte es lediglich nicht zu kostspielig gestalten, was der mit sauertöpfischer Miene zur Kenntnis nahm.Der Mann ließ sich Zeit mit der Fertigstellung, da das Fest erst kurz vor Beginn des Achtmonats, fast zur gleichen Zeit wie ihre Hochzeit stattfinden sollte und bis dahin noch etwas Zeit war.
Er belästigte sie immer wieder mit Einzelheiten und wollte ihre Zeit mit Anproben verschwenden.
Ihre Geduld war schon bald erschöpft und sie befahl ihm kurzerhand, seine Änderungen vorzunehmen, während ihre Magd das Kleid trug. Die war genau so groß wie sie selbst und durch die gute Kost im Palast, hatte sie ihre Hagerkeit verloren.
Er zeigte sich wenig begeistert, ganz im Gegensatz zu einer zuerst ungewöhnlich schüchternen, dann jedoch hellauf begeisterten Valu.
![](https://img.wattpad.com/cover/160598468-288-k421191.jpg)
DU LIEST GERADE
Wenn der Schnee fällt
Исторические романыIntrigen, Verrat und enttäuschte Hoffnungen mit einem Hauch Romantik. Eine mittelalterlich-fantastische Geschichte über das Ringen um einen Platz in der Welt. Adhara soll überraschend den König heiraten. Nie hätte sie geglaubt, so weit aufzusteigen...