Kapitel 6

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P.o.V. Jayne

Ich sagte beiden, dass meine Kopfschmerzen besser geworden waren, damit ich der Peinlichkeit umging mit Leon und Henry zum Arzt zu watscheln. Ich hatte es wahrscheinlich nicht ausgehalten ihre fälschlichen Komplimente zu einander auf einem kleinen Raum auszuhalten, ohne auszurasten.
Theoretisch könnte man ja meinen, dass der ältere der beiden auch gleichzeitig der erwachsenere wäre aber Pustekuchen. Ich würde sogar meinen, dass Henry von beiden mehr stichelte als Leon.

Gerade waren sie zum Glück dabei sich zu ignorieren und, vor allem zu meinen Gunsten, sich stumm mit Blicken erdolchten. Meine Kopfschmerzen wurden nämlich eigentlich eher nicht besser und fingen an mir gegen die Stirn zu drücken, dass mir nur die Idee blieb meine Augen zu schließen.
„Ist alles gut?", fragte Leon Momente danach. Ich konnte nur erahnen, dass er mich meinte, denn mit Henry sprach er ja nicht mehr. Sie erneut anzulügen wäre wahrscheinlich nicht fair und auch wenig sinnvoll gewesen. Ich setzte mich etwas weiter auf und schaute dann durch meine zugekniffenen Augen in den Raum: „Um ehrlich zu sein, nein. Meine Kopfschmerzen werden immer immenser und die Übelkeit ist noch nicht ganz verflogen."
Gedanklich fügte ich noch, außerdem regt mich euer rumgezicke auf, hinzu, doch ich beließ es erstmal dabei.
Leon zog seine Augenbrauen zusammen, während Henry mich mit einem undeutlichen Blick anguckte. Dann stand letzterer auf und verließ den Raum, nur um kurze Zeit später mit einem Thermometer in der Hand wieder zu kommen.
„Mund auf.", sagte er leise und ich tat seiner Aufforderung folge. Er legte das Fieberthermometer vorsichtig in meinen Mund und ich schloss ihn darauffolgend, damit es seine Magie zeigen kann. Eine halbe Minute später piepte es aufgeregt vor sich hin. Henry nahm es, bevor ich was lesen konnte und zeigte es dann Leon.
Na danke, jeder weiß was für eine Körpertemperatur ich habe, außer ich. Nett.

Henry schien meine gedämpfte Freude, über das rumreichen des Thermometers und auslassen von mir dabei, gemerkt zu haben: „Kind, du hast Fieber. Kein Wunder das dir die Birne platzt."
„Oh.", hörte ich es von mir selber kommen. Henry nickte und Leon saß einfach weiter da und zog immer noch seine Augenbrauen zusammen.
Was ist denn mit dem los? Hat wer die Pausetaste gefunden?
Es vergingen um die zwei Minuten, bevor Leon die entstandene Stille durchbrach: „Ich würde vorschlagen zu einem Heiler zu gehen mit ihr. Abgesehen das Krankheit für Engel eher ein seltenes Phänomen ist, sie ist die Thronfolgerin und sollte nicht so kurz vor ihrer Krönung anderweitigen Stress haben."
Mein Wächter nickte langsam und ließ mich dabei nicht aus den Augen, bevor er antwortete: „Ich denke wir haben keine andere Wahl, wir müssen uns nur überlegen zu welchem Heiler wir gehen. Wenn ihr beide jetzt zum Königsarzt gehen würdet, dann wäre der darauffolgenden Tratsch nur eine Frage der Zeit. Ich würde vorschlagen zu einem Arzt hier auf Erden zu gehen."
„Henry, ich kann das auch einfach aussitzen, dass ist bestimmt nur ein einfacher Schnupfen mit Erkältung. Ehrlich, es ist nicht nötig jetzt los zu einem Arzt zu laufen.", wandte ich mich kurz in ihr Gespräch ein.
Leons, sowie Henrys Blick wichen wie zu erwarten sofort ins verwirrte über.
„Warum willst du nicht zum Arzt?", fragte Leon mit einem irritierten Unterton. Mein Wächter dachte kurz nach, bevor auch er einen schockiert-überraschten Einwand von sich gab: „Bist du etwa schwanger?!"
Leons Augen wurden groß und er schien tatsächlich ab zu wegen ob das eine Möglichkeit sei.
„Was- um Gottes Willen, nein! Ich will einfach nicht mit euch beiden zusammen an meiner Seite zum Arzt. Das gibt ein total komisches Bild, allein wenn ich es mir nur vorstelle.", antwortete ich beiden. Ich meinte ein leises Oh von Leon zu hören. Henrys Mimik erhellte sich sichtlich und er atmete hörbar auf.
Was denken die denn von mir?!

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„Mr Licester!", rief die junge Assistentsärztin einen Patienten ins Arztzimmer rein und widmete sich danach wieder ihren Kram zu.

Ich rutschte unsicher auf meinem Stuhl hin und her, was meinen Nachbarn nervös machen zu schien.
„Jayne, mein Gott was ist denn los?", fragte er mich gedämpft.
„Nix, ich frage mich nur warum du jetzt unbedingt mitkomme musstest.", antwortete ich in einem genauso leisen Ton zurück.
Eine neue Patientin betrat den Wartebereich und fing, nachdem sie sich gesetzt hatte, an mich und meinen Begleiter neugierig zu beäugen. Zwar häufiger ihn, als mich, doch konnte ich es ihr nicht verübeln.
Wie er da saß, mit seinen eisblauen Augen und dunklen Locken, sah Leon doch ansehnlicher aus, als ich es je könnte. Meine Haare waren immer noch zu einem Knoten hochgebunden und mein Concealer war auf magische Weise verschwunden, weshalb ich nun mit Augenringen rum laufen musste. Augenringe, welche locker nach Dubai reichen könnten.
Ich zog meine Beine noch näher an mich ran und legte meinen Kopf auf diesen ab, sodass mein Gesicht nicht zu sehen war. Dies tat ich zum einen um das grelle Licht zu umgehen aber auch, weil mich die Blicke von unserer Gegenüber abnervten. Man konnte es schon beinahe glotzen nennen
-ein Glotzen auf den Schönen und das kranke Biest.

„Ms Demard, wenn Sie mir in den Untersuchungsraum folgen könnten.", wurde ich von einer männlichen Stimme ins hier und jetzt geschleudert. Ich muss wohl weg gedöst sein.
„Na klar.", murmelte ich verschlafen den Arzt an.
Als ich mich kurz zu Leon umdrehte, musterte dieser den Arzt mit einem finsteren Blick. Was der jetzt wohl schon wieder hatte.
Tapsig folgte ich dem humpelnden Mann mit der breiten Statur den Flur entlang. Vor dem hintersten Zimmer machte er Halt und öffnete die Tür zu diesen Raum.
Mit einer ausschwingenden Handbewegung machte er mir deutlich, dass ich vortreten sollte.
„Wow, ganz gentlemanlike.", bemerkte ich beim Vorbeigehen. Er lachte einmal auf und schloss die Tür.
„Dann wollen wir mal gucken was Sie heute zu uns führt.", fing er an und tippte irgendetwas in seinen PC, „Was ist denn das Anliegen?"
Ich räusperte mich kurz: „Nun ja ich habe mich seit heute früh zweimal übergeben und werde dabei stets von Übelkeit und starken Kopfschmerzen beziehungsweise Fieber begleitet."
Er tippte alles ein und schien dann kurz nachzudenken.
„Also so würde ich jetzt auf eine Grippe tippen, vielleicht noch in einer Mischung mit einer Erkältung. Also nichts dramatisches. Nun ja, jetzt müssen wir noch berücksichtigen, dass Sie ja kein normales Lebewesen sind, von daher müsste ich neu diagnostizieren."
Ich öffnete meine Augen ruckartig und starrte ihn geschockt an: „W-was haben Sie da gerade gesagt?"
„Du hast mich schon richtig verstanden.", ein Grinsen schlich sich auf das Gesicht des Arztes, während sein Aussehen sich vor mir verändern zu schienen.
Zu erst waren es seine Haare, welche von blond zu tiefschwarz wurden und danach folgte seine ganzen Gesichtsstruktur. Das eben noch so weiche Gesicht wandelte sich in ein knochiges und älter wirkendes Gesicht. Seine geraden Zähne wurden leicht schief und wirkten an einigen Stellen fauliger als an anderen.
Ich sprang vom Stuhl auf und wich so weit es der Raum erlaubte zurück.
Von dem nett aussehenden Arzt, von gerade eben war nichts mehr zu erkennen. An seiner Stelle stand nun ein dünner Mann mit harten Kanten, welcher eine so abgrundtiefe Aura ausstrahlte, dass es mir kalt den Rücken runter lief.
Unter seiner Hand bildete sich ein klapprig wirkender Gehstock, auf den er sich sofort aufstützen müssen zu schien.
„Mein Gott, du guckst ja so überrascht, erkennst du mich denn gar nicht?", er fing an zu lachen, während ich mich immer weiter in die Wand zu pressen versuchte.
„Woher sollte ich dich Missgestalt bitte kenne?!", spuckte ich ihm meine Antwort ins Gesicht.
Auf einmal fing die Tür an aufgeregt Geräusche von sich zu geben, fast so als würde jemand versuchen sie von außen mit aller Kraft aufrütteln zu wollen.
Meine Aufmerksamkeit galt trotzdem dem Wesen hinter dem Tisch, welches Anstalten machte zu mir zu gelangen.
„Sowas sagt man aber nicht, meine Liebe. Schon gar nicht im Kreis der Verwandten!", seine Stimme wurde vor Aufregung so hoch das sie sich bald überschlage müsste.
Aus seinen Händen bildeten sich dunkelgraue Rauchschwaden, welche mir innerhalb einer Sekunde gefährlich näher gekommen sind.
„Lass das!", schrie ich den Unbekannten an. Die Tür wurde immer heftiger gerüttelt und ich war mir sicher, dass sie gleich aus den Angeln fliegen müsste.
Das ich dem Mann unterlegen war, wusste er anscheinend sehr genau, denn auf der Erde haben Engel keine Möglichkeit auf ihre Fähigkeiten zurückzugreifen. Er konnte somit nur ein Höllenwesen sein.
„Du bist feige, wenn du ein Mann mit Ehre wärst, würdest du mich nicht in einem geschwächten Zustand angreifen", rief ich ihm durch die wabbligen dunklen Schwaden zu. Es schien etwas bei ihm auszulösen, denn die Wolken hielten inne und sahen dann danach aus, als ob sie zurück zu ihrem Eigentümer wichen.
Erst als sich die Sicht wieder klarte sprach er: „Da hast du recht, ich werde dich aber auch im Himmel besiegen können. Und das werde ich."
Es blitzte einmal hell und grell auf, dann war er weg.
Ein Krachen nah bei mir ließ mich erschrocken aufschreien. Mein verspäteter Retter hatte die Tür zu Fall gebracht und stand nun außer Atem im Türrahmen.
„Eine einfache Erkältung also, ich sehe schon."

1500 Wörter

EngelsmädchenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt