Kapitel 22

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„Ich hoffe du hast einige sehr gute Erklärungen für das alles parat!", donnerte Henry über seinen Tisch und starrte mich mit Zornesaugen an. Ich merkte wie meine Beine schwer wurden und sich Schuldgefühle in mir sammelten.

Ich schaute Hilfesuchend zu Leon, welcher sich mit einer Tasse Tee in einen der Sessel geschmissen hatte und nun mit kritischen Blick mich beobachtete.
Ich könnte wohl Hilfe seinerseits vergessen.

Henry gab ein angespanntes Räuspern von sich und mein Blick ging wieder zurück zu ihm.

Warum war ich eigentlich abgehauen?
Weil ich etwa eine Art von neidisch war?!
Was ist nur aus mir geworden...

"Wie geht es Ana?", fragte ich leise in den Raum.

"Du wirst mir jetzt erst meine Frage beantworten!", donnerte Henry wieder los, so sehr das ich zusammen zuckte. Und da war es wieder, dieses Gefühl. Es war schrecklich und ließ meine Augen vor Anstrengung es zu unterdrücken tränen.

"Schrei sie nicht so an, Henry!", hörte ich jemanden hinter mir knurren, woraufhin Henrys Augen leicht versetzt hinter mir jemanden anstarrten.

"Mische dich da nicht ein, mit dir hab ich noch genauso ein Hühnchen zu rupfen! Außerdem musst du sie nicht vor mir beschützen, du hättest sie vor Neyus beschützen müssen!", kam es ähnlich boshaft von ihm zurück, während seine Augen Leon nach irgendetwas abzuscannen versuchten.

Jetzt stritten sich schon zwei Menschen wegen mir, das wird mir zu viel!

"Jetzt haltet mal beide die Luft an! -Bitte. Henry, Leon trifft keine Schuld für das was Neyus mir antun wollte oder getan hat. Und Leon, ich kann wirklich für mich selber sprechen.", ich schloss die Augen und zählte bis drei bevor ich wieder in die Augen meines Wächters schaute, "Ich bin los gegangen, weil ich es nicht ansehen konnte wie du dich langsam von mir ab gewanden hast. Dauernd hieß es Alice hier und Ana da und Neyus dort! Ich will doch nur alles so wie früher, wo wir zu zweit waren und keiner sich wirklich um mich geschert hat...außer du."

Ich wusste das es harte Worte waren, vor allem gegenüber Leon, der an der ganzen Situation wenig Schuld war, trotzdem musste es raus. Leise schluchzte ich: "Bitte sei mir nicht sauer, aber ich kann das nicht mehr. Es wird keine Krönung geben oder sonst noch etwas ähnliches, ich schmeiß das jetzt alles hin."

Gerade als ich mich umdrehen wollte und das Zimmer langsam verlassen wollte schnellte eine Hand um meinen Arm und drehte ihn weniger zärtlich wieder zurück.

"Jayne, das du mit deiner blanken Eifersucht nicht umgehen kannst, dafür kann niemand anders was als du! Und dafür wird auch kein anderer bezahlen müssen, aber lasse es nicht an dein Umfeld aus! Du wirst deine kindische Idee von der Absage einer Krönung eines Königsreichs ganz schnell verwerfen, das lege ich dir bittend ans Herz. Es wird nichts wie früher sein, da kannst du jetzt so viel rum bocken und dich affig verhalten wie du willst! Es gab Änderungen der Tatsachen und daran wird niemand etwas rückgängig machen können!", danach legte Henry wieder meinen Arm ab.

Ich wollte mich erneut auf den Weg raus machen als wieder Henrys Stimme durch das Zimmer hallte: "Ich weiß nicht was bei dir gerade in deinem Kopf abgeht, aber solange du dich wie ein 13 jähriger Teenager verhalten tust, solange wirst du hier wohnen unter der Aufsicht deines Leibwächters - und deiner Trainerin! Ich bin dir nicht sauer, aber ich bin unsagbar enttäuscht.", er wandte sich zu Leon, "Wenn ich dich bitten darf, bring sie in den Trainingsraum."
Dieser nickte leicht und führte mich mit einem Arm um der Taille aus dem Büro.

Als die Tür hinter uns ins Schloss fiel drehte Leon mich mit einem Schwung um und sah mir enttäuscht in die Augen: "Ist das wahr was du zu Henry meintest?"
Ich konnte kaum seinem Blick stand halten, nickte dennoch leicht. Mit einem enttäuschten Stöhnen führte er seinen Weg zum Trainingsraum weiter.

Dort angekommen machte er mir die Tür auf und hielt sie offen, bis ich rein ging.
Der Trainingsraum war weniger ein Trainingsraum als ein kleines Zimmer mit Couch, eine Art Wohnzimmertischchen, Schreibtisch und Stuhl. Ich war früher oft hier um meine mentalen Fähigkeiten zu trainieren, dank Henrys Hypnosefähigkeiten.

Mit einem Knall fiel die Tür ins Schloss und ich war alleine. Keine Sekunde später brach der Damm und ich fiel weinend auf die Knie.

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Ich weiß nicht wie lange ich hier schon auf dem Boden saß, es fühlte sich aber wie eine verdammt lange Ewigkeit an. Mein Hals und Mund war ganz ausgetrocknet vom ganzen Weinen, dennoch ging es mir wesentlich besser. Ich fühlte nicht mehr ganz so viel Druck in mir und das komische Gefühl, welches auf keine Fall Eifersucht war, wie Henry es nannte, war fast gänzlich verschwunden. Es war ausgewechselt von leichter Müdigkeit und einem unangenehmen Hungergefühl. Zur Bestätigung fing mein Magen in dem Moment an zu knurren.

Ich schaute in jede Schublade des Schreibtisches und auf dem Tisch nach, doch fand leider keine kleine Knabberei oder ähnliches. Es führte kein Weg vorbei, als aus dem Zimmer zu gehen und mir Essen aus der eingebauten Küche neben Henrys Büro was zu holen. 

All meinen Mut zusammengefasst schritt ich auf die Tür zu und nahm die kalte Klinke in die Hand. Langsam sammelte ich Gewicht auf der Hand und drückte diese runter.
Die Tür ließ sich öffnen! 

Logisch hatte ja auch niemand abgeschlossen...

Kurz schaute ich den Gang hoch und runter. In der Küche war das Herdlicht angemacht worden und Henrys Büro Tür stand einen Spalt weit offen, wodurch ein kleiner Lichtstrahl den Flur  schmückte. Wahrscheinlich saßen Henry und Leon nun darin und schweigten sich an. Leichtfüßig bewegte ich mich Richtung Henrys Büro, mit dem Ziel unbemerkt zur Küche zu kommen, um kurz davor verschreckt von Stimmen aus genau dieser Küche mich an die Wand zu pressen.

"Sie wird sich beruhigen, es war auch viel für sie.", hörte ich Alice sagen. Sie war da? War dann auch Ana da?

"Sie hat sowohl dich, als auch Ana und Leon beleidigt und eure Taten nicht gewürdigt! Das verlangt mehr als das sie sich beruhigt.", hörte ich die raue Stimme Henrys. Er hörte sich mitgenommen an, wo es nicht fern lag an wen das lag. 

Plötzlich wurde die angelehnte Tür zu Henrys Büro weiter aufgemacht und Leon stand vor mir. Ich hätte es mir nie schlimmer vorstellen können, so kaputt schaute er mir entgegen. Seine Augen leuchteten kurz auf, als er mich an der Wand sah, verloren aber schlagartig seinen Glanz danach. 

"Ich finde Jayne ist uns einfach eine Erklärung für ihr Verhalten schuldig.", kam es nun wieder von Alice, während Leon mir in die Augen schaute und Luft holte. Würde er mich jetzt verpetzen?

"Ich denke sie sollte einfach genau über ihr Gesprochenes nachdenken und es sich durch den Kopf gehen lassen, schließlich ist sie auf uns angewiesen.", meldete sich Leon zu Wort. Er kam einen Schritt auf mich zu und raunte mir etwas ins Ohr.

"Außerdem denke ich, das du jetzt ganz schnell damit anfangen solltest, baldige Königin eines ganzen Reiches."

Ich schluckte hart und sah zu wie Leon sich wieder von mir entfernte und in die Küche ging. 

Mir war jedoch der Hunger ganz vergangen.

EngelsmädchenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt