P.o.V. Jayne
Ein Vibrieren in meiner Jackentasche ließ mich zusammenzucken und die angesammelten Tränen weg blinzeln. Ich holte es schnell raus und schaute auf dem Display nach den Namen des Anrufers.
HenryIch schloss meine Augen und drückte weg. Es tat mir weh, aber ich wollte jetzt nicht mit ihm sprechen.
Er hatte mir weh getan, also ist es nur fair oder?
„Sei ihm nicht allzu böse, er hat es auch nicht leicht in letzter Zeit.", hörte ich Alice neben mir sagen. Ich schenkte ihr einen missbilligen Blick.
Der soll es nicht leicht haben? Er hat wohl den leichtesten Job von uns allen hier., ging es durch meinen Kopf.
"Was hast du da gerade gesagt?"
Alice Augen hatten allen Mitleid verloren und glänzten nun gefährlich in der Abendsonne.
Ich schluckte und versuchte einen möglichst festen Stand aufzubauen.
Nicht schwach werden."Du kennst ihn wohl doch nicht so gut, wie ich dachte.", waren ihre Worte als sie sich mühsam aufrappelte und einen Schritt auf mich zu machte. Dann drehte sie sich ruckartig um und humpelte zur Tür. Ich merkte das ich die Luft angehalten hatte und versuchte schnell meinen Atem zu regulieren. Doch dann entstand dieser Kloß wieder und ich konnte nicht anders, ich ließ den Tränen ihren Lauf.
Du machst dich affig. Das ist kindisch.
Die Worte klangen so echt, sie waren um so verletztender.
Ich hörte mir noch einige Zeit meine eigenen Vorwürfe gegen mich an, bevor ein Satz mich aufblicken ließ.
Du musst wandeln.Es fiel mir wie Schuppen von den Augen. Das musste der Grund für dieses komische Stechen und meine depressive Laune sein! Aber sollte ich Henry fragen, ob er mich hoch bringen könnte?
Nein!, rief die eine Stimme auf der einen Seite, doch die auf der anderen Seite schrie panisch, Natürlich, doch!
Aber eigentlich stand die Antwort schon. Ich stellte mich wieder aufrecht hin und schaute über den leeren Balkon.
Ganz schön wenig Raucher heute hier.
Ich hielt mich nicht weiter an solchen Lappalien auf und ging los Richtung Tür zum Krankenhaus hinein.Schnell fiel mir auf, dass es nicht einfach wenig Raucher in diesem Krankenhaus gab, sondern das ich ganz einfach auf der falschen Terrasse war. Ich war auf den äußern Personalpausenraum gewesen.
Innerlich schlug ich mir einige Male die flache Hand gegen die Stirn, bevor ich mich weiter auf den Weg durch den Treppenflur runter machte. Zügig und leicht übermütig nahm ich immer zwei Stufen auf einmal, was die Treppe hoch auch gut funktionierte, also dachte ich wohl das es runter genauso klug wäre.Falsch gedacht!, ging es mir durch den Kopf als ich plötzlich aus versehen drei Stufen anstatt zwei Stufen nahm und mehr oder weniger graziös mit dem Gesicht voran die Treppe runter fiel. Die nächste Etagenplatte ließ nicht lange auf sich warten und so landete ich mit einem ordentlichen Krach auf den Boden. Nicht wenig später wurde direkt neben mir die Tür auf gemacht und ein lautes Lachen füllte den Flur.
Jedenfalls solange bis der Besitzer des Gelächters mich sah.
"Jade?", kam es als nächstes von einem allzu bekannten amerikanischen Akzent. Ich rappelte mich stöhnend auf und sah im nächsten Moment in die wahrscheinlich dunkelsten Augen, welche ich je sehen durfte.
"J-Jayne.", verbesserte ich ihn nervös. Ich klopfte mir die Jeans ab und wollte mich ran machen an ihm vorbei zu gehen, doch da hatte ich nicht mit der Hand gerechnet, die mich vorhin erst vorm Fall aufgehalten hatte. Diese wurde nun sanft auf meine Schultern gelegt und zwang mich dazu den Mann vor mir anzugucken.
Guck nicht in seine Augen, guck nicht hin., ermahnte ich mich. Ich wollte gar nicht wissen was er gerade von mir dachte, also tat ich alles damit meine Fähigkeit nicht anfing ihre Macht zu zeigen und mir am Ende zu zeigen, für was für einen Trottel er mich hielt.
"Guck mich an.", raunte wieder diese Stimme.
Nein, bitte nicht.Quälend langsam erwiderte ich seinen Blick, in der Hoffnung er würde warum auch immer weg gucken. Aber nein, er schaute mir direkt in die Augen entgegen und schien einen Moment zu überlegen. Einen Moment zu lange.
"Iris-Heterochromie! Und so eine starke, faszinierend.", hörte ich ihn auch schon in meinem Kopf.
"Wieso sehe ich sie nur so oft? Und warum fällt sie dabei dauernd?"
Wenn ich es nicht besser wüsste, dann würde ich meinen das meine Gesichtsfarbe zu einem gesunden Rot wich. Er dachte anscheinend ich hätte mein Gleichgewicht nicht unter Kontrolle, super...
"Wird das jetzt hier ne Stehparty oder gehts auch noch vorwärts?", unterbrach mich eine Stimme beim vor mich hin schämen. Eine Schwester drängelte sich an Dr Shreyn vorbei und strafte ihn dabei mit Blicken. Dieser ging zügig ein Schritt beiseite und wich dabei den Blicken von ihr aus. Er murmelte ein Sorry.
"Gott ist das peinlich.", hörte ich seine Stimme in meinem Kopf. Kann er nicht leiser denken?!
Die Schwester stiefelte an uns vorbei und warf uns noch einen letzten makaberen Blick zu, als sie den Treppenabsatz erreichte."Wir sehen uns häufiger als ich einige meiner Patienten je wieder.", riss mich Dr. Shreyn aus der Starre. Ich guckte ihn verwirrt an.
"Krebsstation.", erläuterte er. Ich brauchte ein paar Momente bis ich es schnallte.
"Oh, ja stimmt.", versuchte ich über den tatsächlich sehr gewagten Witz zu lachen.
Vergebens...
Er wankte leicht hin und her, bevor er sich entschuldigte: "Tut mir leid, das war total geschmacklos."
"Nein, alles gut. Ich weiß schon, Humor, auch wenn er schwarz war, ist eine Möglichkeit für Sie zu verarbeiten.", kam es direkt von mir. Er musterte mich wieder, mit diesem Blick den ich nicht ganz deuten konnte.
"Sie ist schlauer als sie aussieht."
Na danke auch.
"Bitte, bleiben wir doch beim Du.", bot er mir an. Auch wenn er mich gerade im Gedanken leicht beleidigt hatte, ich konnte ihm daraus keinen Vorwurf machen. Es waren ja immer noch seine Gedanken.
Ich nickte und wollte mich schon auf den Weg machen, an ihm vorbei zu gehen, doch er ließ mir keine Chance."Lass uns doch kurz hier stehen bleiben, draußen ist gerade nicht so viel los. Ich wollte jetzt eh eine Pause machen.", schlug er vor.
"Bitte lass sie mir keinen Korb geben."
Ich konnte mir ein Augenverdrehen nur knapp verkneifen.
Ich atmete hörbar aus: "Na gut, aber ich kann nicht so lange."
Seine Miene erhellte sich als ich seinem Angebot zustimmte: "Keine Angst ich habe nur eine zehn Minuten Pause, die wirst du doch bestimmt aufbringen können."
Er ließ es wie eine Frage klingen, weshalb ich nickte.
"Na dann, lass uns ins Café hier gehen. Die haben super Käsekuchen."~<>~<>~<>~
Einen Käsekuchen und Kakao später fand ich mich lachend gegenüber Dr. Shreyn wieder. Er war ein sehr humorvoller und fröhlicher Mensch, welcher es liebte Krankenschwestern dauernd Streiche zu spielen.
"Hat er nicht gemacht?", fragte ich nochmals mit Tränen in den Augen nach. Da mein Gegenüber mit Lachen beschäftigt war nickte er nur und begann von neuen in seinem Kuchen rumzustochern."Man da kommt mir glatt die Überlegung Krankenschwester zu werden.", dachte ich laut verstummte dann aber sofort.
Du kannst ja gar keine Krankenschwester werden.
Achja...Ich schielte auf die Uhr und erschrak.
"Oh Gott, ich muss jetzt wirklich bald los und du hast deine Pause auch schon ganz schön überzogen.", fiel mir auf. Ich wollte aufstehen und schnappte mir meine Jacke, welche ich einfach über den Stuhl geschmissen hatte. Auch Dr. Shreyn griff nach seinem Kittel und verdeckte somit zum Bedauern aller Frauen seinen Oberkörper, welcher die ganze Zeit lediglich mit einem weißen Shirt bedeckt war.
Wir liefen zurück und blieben vor dem Hauptaus- und Eingang stehen.
"Na dann, Dankeschön für die Versüßung meiner Pause Jayne.", sagte er und machte Anstalten mich zu umarmen. Ich erwiderte es und wollte ihn auch verabschieden als mir das offensichtlichste auffiel.
"Ganz komische Frage, aber wie heißt du eigentlich?", lachte ich nervös.
Er fing an zu Grinsen und ging einen Schritt zurück, bereit zum weitergehen.
"Ich heiße Toby.""Okay,", lächelte ich, "dann bis irgendwann mal Toby."
1324 Wörter
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Engelsmädchen
FantasyWer ist schon normal? Und wer kann das sagen? Für manche ist es normal jeden morgen um 6 Uhr früh aufzustehen, für andere ist ein Kaffee am Nachmittag Normalität. Für Jayne ist es normal zwischen zwei Welten zu leben, denn sie lebt so schon seitd...