Kapitel 12

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P.o.V. Jayne

„Endlich, ich dachte schon er hat dich umgebracht und ich wäre der nächste.", spaßte Leon fröhlich herum als wir ihm entgegen kamen. Er rappelte sich dabei vom Boden auf uns rückte sich das Tuch um seinen Hals zurecht.
Ich zwang mich zu einem Lächeln und ging einen Schritt schneller zu ihm hin. Einfach nur um Platz zwischen Carlus und mir zu schaffen.
Leon schien jedoch nicht auf mein Lächeln reinzufallen und schaute mir mit einem verwirrten Blick entgegen. Ich winkte leicht ab, auf eine Diskussion hatte ich noch weniger Lust, als länger mit Carlus auf einem Fleck zu stehen.
„Wir sollten gehen.", murmelte ich zu Leon. Er nickte und nahm eine aufrechte Position ein.
Ganz wie ein Leibwächter., schoss es durch meinen Kopf.
„Jayne.", sprach nun wieder Carlus in seiner mächtigen Stimme zu mir, „Denk an meine Worte."
Ich flüsterte ihm ein Ja zu und wand mich dann entschlossen zu Leon um ihm zu deuten loszugehen. Er fackelte nicht lange und legte seine Hand auf meinen Rücken um mich vorsichtig raus zu schieben.

„Seid vorsichtig.", hörten wir noch vom hohen Rat, als wir nach der Tür nach draußen griffen.
Kaum standen wir draußen schnappte ich nach Luft und kämpfte gegen den aufkommenden Tränenschleier an.
Leon griff nach meiner Robe und drehte mich schnell um, damit ich ihm in die Augen sah.
„Was ist los?", fragte er mich ruhig. Der Moment, in dem ich Kontrolle über meine Tränen verlor trat genau jetzt ein und ich konnte nicht mehr an mich halten.
Er zog mich näher an sich ran und legte seinen Arm vorsichtig um meinen Körper. Leise flüsterte er: „Egal was es ist, du kannst es mir wirklich sagen."
Ich schaute auf und sah in seine flehende Augen.
Sollte ich?
Doch dann kam mir das Gespräch von eben mit Carlus in den Kopf und ich schüttelte meinen Kopf. Je weniger davon wissen, desto sicherer ist es für sie.
Ich schniefte noch einmal bevor ich mir die Tränen unter meinen Augen wegwischte und meine Robe richtete.
„Wir sollten noch kurz ins Schloss, Oliver hat uns ja jetzt extra angemeldet.", versuchte ich mit einer festen Stimme raus zu bekommen. Sein fürsorglicher Blick wich und es war dafür wieder ein undurchdringlicher da. Er stimmte mir zu und so liefen wir ins nahegelegenen Schloss.

Der Schlossgarten erstreckte sich abermals vor uns und dieses Mal konnte mich keiner aufhalten ihn mir genauer anzusehen. Es waren überall Rosensträucher angepflanzt worden und der Rasen sah aus, als würde ihn jemand jeden Tag pflegen. In der Mitte des weitläufigen Garten ragte ein gold schimmernder Baum in die Höhe und bewegte sich vorsichtig in alle Himmelrichtungen. Es war der Baum der Unendlichen, besser gesagt es war die direkte Verbindung zur Pforte. So komisch es auch klingen mag, doch dieser Baum entschied darüber, wer Engel wurde, wer ins Himmelreich und wer in die Hölle kommen sollte.

„Komm schon.", drängte mich Leon genervt. Wir kamen kaum vor der Tür an, als Oliver auch schon aufgeregt die Tür öffnete und sich tief verbeugte vor mir. Hinter ihm war die ganze Dienstgarde, welche es ihm gleichtat.

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Der Besuch war kurz und schon fast unspektakulär gewesen. Es wurden uns Früchte gereicht und ein Sekt, welcher wahrscheinlich mehr Alkohol besaß als man dachte. Zum Glück hatte mich Leon davor gewarnt, nachdem er ihn gekostet hat, sonst wäre es vielleicht peinlich spektakulär geworden.
Wir verabschiedeten uns und hatten uns darauf geeinigt in meinem alten Zimmer zurück zuwandeln. Leon schloss die Tür hinter sich und drehte sich dann langsam zu mir um. Ich hatte mich an meinem Schreibtisch angelehnt und wartete nun ab, was jetzt passieren würde. Mein Leibwächter war nämlich bis auf die Warnung vor dem Sekt unheimlich ruhig gewesen und hat mich ab zu abschätzig angeschaut. Er hatte nicht einmal auf eine Frage Olivers geantwortet, als dieser wissen wollte wie es sei mein Leibwächter zu sein.

„Na los sag schon, was stört dich.", forderte ich ihn auf. Sein Gesicht ähnelte einem Stein als er mir gefährlich näher kam.
Sollte ich Angst haben?
Erschrocken über meinen eigene Gedanken schlug ich mir die Hand vor dem Mund und riss meine Augen auf. Leon schien dies falsch zu deuten und blieb augenblicklich stehen.
„Wenn das hier mit uns beiden du funktionieren soll, dann solltest du etwas ehrlicher zu mir sein.", sprach er in einer tiefen Stimme. Verwirrt zog ich meine Augenbrauen zusammen, was wollte er denn wissen?
„Was hat Carlus zu dir gesagt?", fragte er in genau der selben Tonart. Genervt verdrehte ich meine Augen und schaute ihm danach direkt in seine: „Jetzt hör mir mal zu. Du bist vielleicht mein Leibwächter und machst deinen Job eventuell auch ganz okay, aber du hast dir dadurch nicht den Posten meines Tagebuchs ergattert. Aber da es dich anscheinend so brennend interessiert, was ich mit anderen berede, dass du sogar unhöflich zu einem meiner Bediensteten sein musst...er hat mir gesagt wer der Mann ist. Er ist eine Art von Onkel von mir, heißt er hatte mit der Verwandtschaft recht."
Leons Haltung wurde angespannter, während ich redete.
"Was heißt eine Art von Onkel?", fragte er mit Betonung. Ich schloss meine Augen, sollte ich es ihm sagen? Er würde es ja eh wahrscheinlich irgendwann raus bekommen.
Ich atmete tief ein:
"Er ist der Vater von Carlus."
Leon hob seine Augenbrauen bevor ich ungefragt fort fuhr: "Meine Mutter hatte aber zu uns beiden früher immer gesagt, ihr Bruder, also sein Vater, wäre verstorben."

Nun konnte man die Erkenntnis wahrlich in seinem Gesicht erkenne.
"Ich verstehe, also stellt sich jetzt die Frage, warum zur Hölle auf einmal Carlus Vater wieder auftaucht, obwohl er ja eigentlich verstorben ist.", legte er die Fakten offen.
"Aber vor allem stellt sich doch die Frage, warum er dann zu erst mich aufsucht und nicht auf die Idee kommt seinen einzigen Sohn zu besuchen."
Er nickte und legte seine Stirn in Falten. Ganz zufrieden schien er mit meiner Antwort auf seine Frage nicht zu sein. Seine blauen Augen schienen die Antwort auf seine eigentliche Frage zu suchen in meinen suchen zu wollen.
Warum ich vorhin geweint habe, obwohl er mir eine ganz einfache Frage gestellt hatte.

"Lass uns los, Henry wartet bestimmt schon.", unterbrach ich die Ruhe, bevor sie mich noch dazu bringen könnte tatsächlich die Wahrheit zu sagen. Wieder einmal nickte er stumm und fing dann an sich auf die bevorstehende Wandlung zu konzentrieren.
Ich tat es ihm gleich und fing an meine Parole aufzusagen.
Bitte lass Henry recht gehabt haben. Lass es klappen.
Und gerade als meine Sicht sich anfing zu verschwimmen hörte ich die leise Drohung, welche von Leon ausging: "Lüge mich nie wieder an."
Zitternd schloss ich die Augen und musste kurz darauf nach Luft schnappen.

Als ich meine Augen abermals aufschlug war vor mir nicht mehr das Himmelreich, sondern Henrys Büro. Ich saß auf dem Schreibtisch und wie ich schmerzlich feststellen musste war ich wohl auf ihn gefallen. Meine Schienbeine pochten vor Schmerz. Das würde ordentliche blaue Flecken geben.

Es war aber nicht der Schmerz, der mich dazu veranlasste schnell aufzustehen, sondern zwei große braune Rehaugen.
"Wow.", hauchte die Besitzerin dieser Augen und trat dann vorsichtig einen Schritt näher an mich ran.

"Hier habe ich deinen Tee, aber warte noch einen kurz- heilige Mutter, Jayne!"
Henry hatte schnell die Tasse mit dem brühend heißen Getränk auf den Tisch abgestellt und ist dann zu mir gekommen.
"Geht es dir gut? Wo ist Leon? Ist etwas passiert?"
Seine Augen huschten einmal über meinen ganzen Körper und blieben kurz an meiner verrutschen Robe stehen, bevor sie die meinen fanden.
"Es ist glaube ich alles gut, Leon wird denke ich wie geplant gleich an der Pforte auftauchen und naja ich glaube wir müssen uns gleich alleine unterhalten.", beantwortete ich nach für nach seine Fragen. Er gab sich einverstanden und schickte Ani hoch um Leon von der Pforte abzuholen.
Kaum hatte sie den Raum verlassen fing ich auch schon an ihm alles bis auf einen kleinen Teil zu erzählen. Er staunte nicht schlecht, als ich ihm klar machte das der Mann Carlus Vater sein wollte. Als ich meine Rede beendete hatte schaute nun ich ihn abwartend an. Er hatte seine Hände in einander verschränkt und schaute nun betroffen auf den hölzernen Boden vor uns.
"Weißt du, ich hab mich offen mit Ani über all das unterhalten, ich hielt es für das beste. Verständlicher Weise hat sie noch tausende von Fragen.", fing er an zu reden sah aber immer noch aus als würde er mir etwas verschweigen wollen.
"Da ist doch noch etwas.", teilte ich ihm meine Vermutung über sein Verhalten mit.

"Jayne...Es tut mir ehrlich leid, aber sie hat Leukämie im Endstadium."

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EngelsmädchenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt