15: Verschwundener Fremder und behütete Jungfrau

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Auf dem Weg nach Hause fragte mich keiner meiner Brüder darüber aus, warum ich mit Samuel Layton gesprochen hatte. Mit einem Werwolfjäger, der mich, eine Werwölfin, auf ein Date eingeladen hatte. So hatte es für mich jedenfalls geklungen und mein Magen zog sich kurz zusammen, sodass das Zerren sogar mein Herz erreichte. Wieso hatte ich zugesagt? Ich sollte mich im Moment auf ganz andere Dinge konzentrieren, zum Beispiel den halbtoten Streuner, den wir bei uns zu Haus beherbergten und der nicht damit aufhörte uns anzugreifen.

Dantes bohrenden Blick, der trotz den bernsteinfarbenen Augen eiskalt schein, konnte ich nicht vergessen. Das damit einhergehende Gefühlsgemisch aus Angst und dem Drang, sich seiner eigenen Dummheit entgegenzustellen, hatte sich ebenfalls bei mir eingebrannt. Ich schüttelte den Kopf und erntete einen skeptischen Blick meines Zwillingsbruders.

„Was habt ihr zwei besprochen?", fragte dieser dann doch die Frage, auf die ich nervös gewartet hatte. „Der Jäger und du, meine ich."

„Ian", seufzte ich und legte den Kopf in den Nacken, wobei der Gurt hoch an meine Kehle rutschte. „Nenn ihn nicht einfach so Jäger. Er hat auch einen Namen und sich nur für den Überfall gestern entschuldigt."

„Aha", entgegnete er misstrauisch. „Und was noch?"

„Nichts", erwiderte ich und biss mir auf die Unterlippe. Ihn anzulügen schmerzte und ich wusste sowieso, dass es nichts nütze. Ian merkte sofort, wenn ich log.

„Was will er von dir?", hakte er weiter nach und nun wurde auch Raphael, der den Pickup fuhr, aufmerksam.

„Er will mich morgen Abend zum Essen ausführen", murmelte ich und kniff die Augen zusammen, um ihre neugierigen Blicke nicht ertragen zu müssen. Der Wagen ruckelte kurz, was nicht an der Straße gelegen hatte.

„Er will was?!", bellte Raphael und schien Ian die Worte aus dem Mund genommen zu haben. Ich öffnete meine Augen wieder. „Du hast doch nicht etwas zugesagt, oder Mina?"

„Hat sie", antwortete Ian für mich und legte sein Gesicht in seine Hände. „Wie kann man nur so dumm sein? Hast du dich etwas Hals über Kopf in den Schönling verliebt?"

„Wenn dem so wäre, wüsstest du es doch schon längst, Brüderchen", stöhnte ich. „Aber ich konnte nicht nein sagen. Das kann ich nie und außerdem was ist schon dabei? Nach einem Essen bin ich nicht gleich automatisch seine feste Freundin, was auch gar nicht funktionieren würde, weil er mich umbrächte, wüsste er, was ich bin."

„Wow", machte Ian und stieß mit seinem Knie gegen meines. „Du hast dir darüber ja ganz schön dein Köpfchen zerbrochen. Vielleicht solltest du öfter mal nein sagen."

„Das wäre wohl besser", stimmte ich ihm zu und dachte darüber nach, wie oft ich schon irgendwelche Dinge machen musste, nur weil ich niemandem absagen oder eine Bitte ablehnen konnte. Immerhin wollte ich niemanden enttäuschen und bisher hatte das auch immer ganz gut geklappt.

Raphael vor mir räusperte sich und bog in den kleinen, zum Teil überwucherten Weg zum Haus ein. „Sein aber vorsichtig", mahnte er mich. „Nicht, dass er doch irgendetwas plant."

„Meinst du etwa, er ahnt, dass wir Werwölfe sind?", erkundigte ich mich und meine Stimme klang überaus zweifelnd.

Mein großer Bruder grummelte etwas vor sich hin und wiederholte dann nur, dass ich vorsichtig sein sollte. Vermutlich würde er Samuel morgen Abend, bevor Raphael mich gehen ließ, ohnehin einmal komplett durchleuchten. Gut, dass nur einer meiner Brüder einen solch ausgeprägten Beschützerinstinkt besaß. Wenigstens sorgte sich mein Vater nicht auch noch in diesem übertriebenen Maße um mich.

Mit einem Satz sprang ich aus dem Auto heraus und streckte mich ausgiebig. In der Luft lag der harziger Geruch der Kiefern, die vereinzelt um unser Haus standen und sich sachte im Wind bewegten. Unter meinen Füßen knirschte der Kiesweg, während ich als erste vor der Tür stand und auf Raphael wartete, der die Haustürschlüssel hatte.

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