46: Neue Bande und planloser Erfolg

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Ich wusste, ich konnte uns retten. Uns, die wenigen, die mir lieb und teuer waren oder es im Falle ausgewählter Menschen werden könnten. Das Risiko, das ich einging, schien sich auszuzahlen. Sam ließ sich auf meinen Vorschlag einer gleichberechtigten Zusammenarbeit ein und er würde meine Familie freilassen. Mehr wollte ich nicht. Mehr hätte ich mir kaum erträumen können, nachdem mein altes Leben schon beinahe verwelkt war. Nun würden meine kleinen Hoffnungen erfüllt werde.

Doch es gab noch mehr: Wir mussten Chay stoppen oder unsere Heimatstadt mitsamt ihrer Bewohner würde es sehr bald nicht mehr geben. Ein gemeinsamer Feind schweißte zwar nicht so gut zusammen, wie einige behaupteten, aber Sam und ich würden uns zusammenreißen und den Anfang machen. Irgendjemand musste schließlich den ersten Schritt machen und ich konnte es kaum erwarten, weitere Schritte dem ersten anzuhängen.

Während ich durch den Wald rannte, mich feine Farne und niedrig hängende Äste streiften, schaute ich immer wieder zurück, weil ich befürchtete, dass Sam sich nicht mehr auf seinem Bike halten könnte. Er machte zwar einen entschlossenen, aber ebenso geschwächten Eindruck. Egal wie sehr er versuchte, die sicherlich schmerzenden Verletzungen der letzten Tage und Wochen zu verschleiern, es gelang ihm nicht sonderlich gut.

Ich verlangsamte mein Tempo, obgleich ich es nicht wollte, doch ich brauchte ihn und zwar kampfbereit. Diese Gedanken konnte ich sogleich streichen, denn im gleichen Moment heulte der Motor seiner Maschine auf und es ging mit ihm gemeinsam krachend zu Boden.

Die Pfoten in den Boden bohrend bremste ich ab und änderte in derselben Bewegung die Richtung. An seiner Seite angekommen, beugte ich mich über ihn. Er zog den Helm von Kopf, kniff die Augen fest zusammen und tastete sein Bein ab, das augenscheinlich in Ordnung war.

„Alles okay", keuchte er und stemmte sich mit beiden Händen ab. Er wirkte alles andere als okay, aber ich hatte weder Hände, um ihm aufzuhelfen, noch die Zeit dazu. Wir musste weiter, auch wenn er kaum stehen konnte und ich ein schlechtes Gewissen bekam, ihn in diesem Zustand zu treiben.

Quälend langsam stellte Sam sein Bike aufrecht hin und stieg darauf. Es wackelte gefährlich, jedoch gelang es ihm, aufzusitzen, den Motor zu starten und loszufahren. Mit einem Satz sprintete ich voran und er folgte mir abermals. Ich konnte kaum so viel Luft holen, als dass sie für meine gewünschte Geschwindigkeit reichen würde. Schneller. Schneller. Ich gierte danach, meine Eltern und Raphael wiederzusehen.

Hoffentlich hatte sie bisher niemand gebändigt. Hoffentlich hatte ihnen niemand etwas angetan. Hoffentlich würde sie meine fixe Idee, mich mit einem Jäger und meinem ehemaligen Bändiger zusammenzutun, nicht allzu sehr schockieren oder gar verärgern. Wir mussten an einem Strang ziehen, damit wir leben konnten. Nur dass wir das Wir früher oder später definieren sollten. Es wäre dumm, zu glauben, Sam und ich könnten den Kampf, der zwischen der Menschheit und Meinesgleichen herrschte, alleine beenden oder die alles entscheidende Wendung bringen. Allerdings gab es immer ein erstes Mal für solche Dinge, also wieso sollten wir es nicht riskieren?

Vor meinen Augen wuchsen Betonwände in die Höhe. Meine Pfoten verließen den weichen Waldboden und landeten auf dem Asphalt einer Zufahrtsstraße. Ich hätte nicht gedacht, dass ich freiwillig und voller unterdrückter Vorfreude zum Hauptquartier der Jäger zurückkehren würde.

Als das Bike neben mir zum Stehen kam, schluckte ich schwer. Die meisten der Jäger hatten diesen und die anderen Stützpunkte, die um die Stadt verteilt lagen, verlassen und jagten das Chays Rudel. Dennoch bezweifelte ich, dass wir uns einfach Zutritt zu den Zellenblöcken verschaffen konnten, in denen sie meine Familie festhielten. Das eine Mal, als mich Sam zu Raphael gebracht hatte, war bis heute eine Ausnahme geblieben.

Rasch näherten sich Schritte. Ich duckte mich automatisch und Sam lief den beiden Wachen, die auf uns zu stürmten, entgegen. Sie tauschten ein paar Worte aus, schienen sich über die aktuelle Lage informieren zu wollen, doch Sams wenige Antworten irritierten sie. Ihre Blicke fielen schließlich auf mich. Ich haderte kurz mit mir, wägte ab, ob ich zwischen sie hindurchstürmen oder Sam die Sache regeln lassen sollte, entschied mich dann für den Mittelweg: Mit wenigen Schritten hatte ich die Distanz zwischen uns geschlossen und augenblicklich wichen die beiden Wachen zurück.

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