17: Nächtliche Gestalten und verletzte Kämpfer

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Mist. Ich musste meine Reaktionen besser unter Kontrolle haben, wenn ich nicht wollte, dass ich mich merkwürdig und auffällig verhielt. Samuel sah mich musternd an, nachdem ich ihn mit Fragen zu den Jägern durchlöchert und auf seine Antwort, sie wollen den Werwolf töten, abwertend reagiert hatte. Automatisch suchten meine Hände nach etwas, das sie berühren konnten, um etwas von der Anspannung loszuwerden.

„Das hörte sich jetzt etwas schlimmer an als es ist", versuchte er sich zu erklären.

Ehe wir uns weiter in seltsame Äußerungen verstricken konnten, kam eine Kellnerin mit den Speisekarte. Ich senkte den Blick und blätterte die Speisekarte durch, überflog die meisten Gerichte. Ab und an sah ich auf, um mich zu vergewissern, dass Samuel ebenfalls las. Als wir beide etwas ausgewählt hatten, schrieb die Kellnerin alles auf und verschwand wieder.

Ich hätte ahnen können, dass Samuel nicht allzu dumm war. Als Jäger genossen sie eine spezielle Ausbildung, die offensichtlich um einige Einheiten erweitert worden war, wenn ich seinen Worten denn Glauben schenken durfte. Außerdem machte er nicht den Eindruck eines dümmlichen und egoistischen Menschen.

Gerade in diesem Moment wirkte er sehr rücksichtsvoll. Während ich mich zurückhielt, übernahm er die für mich lästigen Gespräche mit der Kellnerin, die sich auffällig häufig danach erkundigte, ob alles zu unserer Zufriedenheit sei und ob wir noch etwas bräuchten, ehe das Essen kommt.

Samuels Bewegungen und seine Ausdrucksweise schienen perfekt. Seine aschblonden Haare wellten sich leicht, obwohl er sie etwas zurückgegelt hatte und sie schimmerten in dem dämmrigen Licht etwas goldiger als auf der Straße. Allmählich verstand ich auch, warum die Kellnerin – eine junge Frau mit dunkelbraunen Haaren, die sie zusammengebunden trug, und wunderschöner Figur – uns nicht allein lassen konnte. Sie wollte mit ihm sprechen und mich scheinbar ignorieren. Also sie wollte wohl, dass ich bemerkte, dass sie mich absichtlich keines Blickes würdigte.

„Ah endlich", sagte er und deutete unscheinbar auf die beiden Kellner, die statt der Kellnerin unser Essen brachten. „Dann wünsche ich dir einen guten Appetit."

„Ich dir auch", entgegnete ich und schenkte ihm ein Lächeln. „Und danke für die Einladung. Es ist echt schön hier und viel ruhiger, als ich erwartet hätte."

„Magst du es nicht, wenn zu viele Leute um dich sind?", erkundigte er sich und schob ein Stück Fleisch in den Mund.

„Nicht wirklich", gab ich zu und knabberte an einem Stück Brokkoli. „Ich halte mich lieber im Hintergrund und stürze mich ungern in große Menschenmassen."

„Kein Wunder, dass ich dich in der Schule noch nie zu Gesicht bekommen habe", stellte er fest, als sei es etwas Neues gewesen. „Du warst auch nicht bei unserem Training auf dem Sportplatz, oder?"

„Nicht freiwillig", ich aß ein paar meiner Kroketten und legte dann das Besteck beiseite. „Was soll das eigentlich? Hat es einen besonderen Grund, warum ihr ab und zu so eine Show in der Schule veranstaltet?"

Er lachte leise und musste einen Schluck trinken, da er sich offenbar verschluckt hatte. „Sicher hat das einen Grund, dass wir uns so offen zeigen. Es beruhigt die anderen, wenn sie wissen, dass wir bereit für den Ernstfall sind."

Ich vermied es dieses Mal, das Thema Werwolfangriff anzusprechen und neigte mich ein Stück rechts über meinen Stuhl, um sein verletztes Bein anzusehen, das unter dem Tisch und unter der Tischdecke hervorlugte.

„Ja", erwiderte er darauf und sah an die Wand hinter mir. „Das zeigt leider auch, dass ich noch nicht ausreichend ausgebildet bin. Aber ich arbeite daran, damit ich mich nicht nochmal verletzte oder wegen mir andere in Gefahr geraten."

between FangsWo Geschichten leben. Entdecke jetzt