22: Dunkle Stille und sterile Einsamkeit

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„Es ist so wie damals", hauchte Dante vor mir so leise, dass ich ihn kaum verstehen konnte.

Ich zuckte zusammen, als ein Schuss die Luft zerschnitt und hörte Dante aufjaulen. Seine Muskeln spannten sich so sehr an, dass ich sie unter dem dichten Fell arbeiten sah. Er war getroffen und ich roch das Blut, das auf den Waldboden tropfte. Rastlos wankte ich hin und her, versuchte, einen Ausweg zu finden. Doch alles, was ich fand, waren noch mehr Jäger, die ihre Gewehre auf uns richteten. Während die Angst meinen Körper lähmte, sorgte sich mein Verstand um meine Brüder, die ebenfalls hier in diesem Wald auf der Flucht waren. Ich hoffte jedenfalls, dass sie noch auf der Flucht waren.

Mehr und Mehr Jäger kamen in Sicht. Ihre Crossbikes donnerten durch das Unterholz, Äster zerbarsten und ich roch das Benzin, als würde ich gerade darin baden. Währenddessen drängte mich Dante in Richtung der hohen Sträucher, nicht weit von den Jägern, die mir namentlich und persönlich bekannt waren. Jedenfalls kannte ich Sam mittlerweile etwas besser, was mir in dieser Situation allerdings reichlich wenig half, selbst wenn er nicht auf mich geschossen hatte.

Mit der Schulter knallte ich gegen Dante und im selben Moment ertönte ein weiterer Schuss. Doch dieser Schuss klang zu leise, wenn ich bedachte, dass die Jäger uns so nah waren. Ich schaute über Dantes großen Körper hinweg und erspähte einen von ihnen, der die Führung innehatte. Jedenfalls schien es so und er hielt seine Waffe, die etwas eigenartig aussah, auf uns gerichtet.

„Lauf", keuchte Dante angestrengt. War seine Verletzung wirklich so schwer, dass er bereits jetzt kaum noch stehen konnte?

„Ich lass dich nicht allein", widersprach ich verzweifelt und versuchte, einen besseren Blick auf seine Wunde zu erhaschen, aber er scheuchte mich mit einem kraftvollen Schubs von sich. „Dante! Ich gehe nicht ohne dich", beharrte ich.

Plötzlich drehte er sich um und biss mir seitlich in den Hals. Seine Kiefer erfassten nur mein Fell, aber ich verstand seine Nachricht hinter diesem Biss, auch wenn ich sie noch immer nicht mochte. Mit zugekniffenen Augen stürmte ich los. Mein Herz raste, aber ich konnte die einzelnen Schläge in meiner Brust kaum spüren. Ich rannte so schnell, dass mir der Wind das Gesicht zu zerschneiden drohte und meine Lungen brannten. Meine Pfoten wirkten schwach, meine Beine fühlten sich wie Pudding an und ich hoffte nur, dass ich weit genug kam. Aber wohin wollte ich fliehen? Es gab keinen Ausweg, denn die anderen Jäger bretterten dicht hinter mir durch den Wald. Ich schlug Haken, ein verzweifelter Versuch eines gejagten Beutetieres.

Es nützte alles nichts, sie hatten mich ausbremsen können und fuhren in einem großen Kreis um mich herum. Die qualmenden Abgase prickelten in meiner Lunge, doch ich atmete ungeachtet dessen stockend und schnell weiter. Einer von den Jägern stach aus der Gruppe heraus. Anhand seiner Kleidung erkannte ich ihn wieder. Er hatte eben noch auf Dante geschossen und zielte nun auf mich.

Ich wich zurück, ging langsam rückwärts und ließ diesen Jäger nicht aus den Augen. Er ließ seinen Finger am Abzug, zog diesen jedoch nicht. Noch nicht. Er fixierte mich, folgte meinen Bewegungen und Ausweichversuchen. Die übrigen Jäger zogen den Kreis, den sie um mich herum fuhren, kleiner und kleiner. Hätte ich fliehen wollen, hätte ich gegen die Bikes rennen müssen und ich wusste nicht, wie sehr mich ein solcher Zusammenstoß verletzt hätte, also blieb ich schließlich stehen.

Die Bikes heulten auf. Die Jäger freuten sich, über ihre Beute, das war eindeutig zu sehen. Ich knirschte mit den Zähnen, machte mich kleiner in der Hoffnung, sie würden mich gehen lassen. Ein naiver Gedanke, der einzig von meiner Angst überspielt wurde. Was war mit Dante? Was war mit meinen Brüdern? Sind sie den Jägern entkommen? Oder bereits tot? Würde ich gleich sterben müssen?

Als der Schuss erklang, zuckte ich zusammen. Den Schmerz spürte ich kaum, also suchte ich meinen Körper hektisch nach der Einschusswunde ab. Statt Blut oder einem Loch fand ich eine Art Spritze, die in meinem Oberschenkel steckte. An ihrem hinteren Ende flatterte ein roter Büschel, der einer Feder ähnelte. Dann verschwamm alles um mich herum, doch ich weigerte mich aufzugeben.

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