25: Hinderliche Partnerschaft und erster Befehl

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Mir war schlecht. So unsagbar schlecht und mein Körper hörte nicht auf zu beben. Mein Herzschlag drehte vollkommen durch und ich sah mir in Gedanken schon dabei zu, wie ich ohnmächtig wurde. Dann wäre ich Sam, der mich gebändigt und damit auf irgendeine seltsame Weise unter Kontrolle hatte, hilflos ausgeliefert.

Bei jeder noch so kleinen Bewegung spürte ich die Ketten, die uns verbanden und mich in Schach hielten. Er hatte zwar behauptet, er wolle mich beschützten, aber nach seiner Behauptung seinem Bruder gegenüber war ich mir da nicht mehr so sicher. Meine Jungfräulichkeit würde ich ihm jedenfalls nicht auch noch überlassen, denn es reichte schon, dass er mich meiner Freiheit beraubt hatte. Allerdings ließ mein körperlicher Zustand keinen weiteren Kampf mehr zu und er schob mich mühelos in sein Zimmer hinein.

Hier standen nur ein Schrank und ein Bett unter dem einzigen Fenster. Ich schluckte trocken und versuchte, mich aus seinem Griff zu lösen. Verzweifelt quiekte ich auf, als er mich berührte und vom Boden hochhob. Ich schlug und trat nach ihm. Dann landete ich auf dem federnden Bett und riss die tränennassen Augen voller Angst auf.

Was ich sah, verschlug mir nicht nur die Sprache, sondern zügelte auch mein aufgeregtes Herz. Sam kniete vor mir, den Kopf gesenkt und eine Hand neben meiner Hüfte auf dem Bett. Ich schluckte abermals trocken und holte tief Luft, doch er kam mir mit dem Sprechen zuvor.

„Ich werde dir nichts, aber auch rein gar nichts antun", sagte er ruhig und seine Stimme hatte zuvor noch nie so tief geklungen.

Eine warme Träne rann mein Gesicht herab und erkaltete, ehe sie meine Lippen berührte. Sam stand auf und ging zu dem Schrank. Die Türen knarzten leise, als er sie öffnete und ein langes Shirt herausholte. Dann hockte er sich vor die beiden Schubladen, die den Schrank nach unten hin abschlossen, und fischte eine Boxershorts heraus. Beide Kleidungsstücke reichte er mir zögernd und ohne mich anzusehen. Kurz darauf lief er zur Tür, den Rücken mir zugewandt und wartet.

Als ich endlich verstand, was er von mir wollte, zuckte ich automatisch zusammen und sah an mir herab. Die Jacke, die nach einem seltsamen Aftershave roch, bedeckte meinen Körper eher schlecht als recht und ich errötete. Ich sprang auf und zog mir schnell Hose und Shirt an, das mir fast über die Knie reichte. Danach fiel mein Blick auf Sams Rücken. Die Ketten der Bändigung fühlten sich jetzt viel leichter an.

„Hast du keine Angst, dass ich dich angreife?", wollte ich wissen und machte einen zittrigen Schritt auf ihn zu. Er starrte noch immer die Tür vor sich an und schien mich gar nicht zu bemerken, dass ich mich ihm auf Zehnspitzen näherte.

„Du kannst gerne versuchen, mich anzugreifen", begann er und streckte sich, wobei ich beobachtete, wie seine Muskeln das hellblaue Shirt, das an manchen Stellen vom Schweiß dunkel gefärbt wurde, spannten. „Aber die Bändigung oder besser gesagt der Bann, der uns zwei von nun an verbindet, wird dich daran hindern."

Sam machte auf dem Absatz kehrt und ich wich erst zurück, stürmte dann aber auf ihn los. Meine Faust zielte direkt auf seine Schulter. Ein elektrischer Schlag traf mich, strömte von meinem Hals aus in meinen gesamten Körper und warf mich zurück. Benommen lag ich am Boden und Sam ließ sich neben mir nieder.

„Alles in Ordnung?", fragte er sichtlich besorgt und streckte seine Hand nach der Haarsträhne aus, die mir ins Gesicht ragte. Doch er stoppte in der Bewegung und ließ die Hand wieder sinken.

„Ich ...", meine Stimme brach ab und der elektrische Impuls, der durch meinen Körper gejagt war, hatte offensichtlich auch meine Kehle betäubt. „Ich musste es zumindest versuchen."

„Das kann ich verstehen", entgegnete er und nickte dabei. Seine blonden Haare fielen ihm ins blasse Gesicht und er schloss die Augen.

Also würde er mich tatsächlich in Ruhe lassen? Viel hilfloser konnte ich schließlich nicht mehr sein und allen Anschein nach würde er keine Versuche unternehmen, um mich ... ich wollte das Wort nicht einmal denken, weil mir sonst die komische und verängstigende Bilder in den Kopf kamen. Doch auf einmal kam seine Hand wieder in mein Blickfeld und mein Magen zog sich zusammen. Hatte ich mich etwa zu früh gefreut?

„Keine Panik", lachte er und schob einen Arm unter meine Beine und den anderen platzierte er hinter meinem Rücken. Mit einem Schwung befand ich mich in seinen Armen und er legte behutsam ins Bett. In sein Bett. Wie sollte ich da keine Panik bekommen?

„Mina", ich erschauderte beim Klang seiner Stimme und seinem warmen Atem auf meiner Haut direkt unter meinem Ohr. „Ich werde dir nichts tun. Wie oft muss ich dir das noch versichern, bis du mir glaubst?"

Keine Ahnung! Wie sollte ich ihm denn glauben, wenn er mich so anschaute? Ich wusste nicht, was in den letzten Stunden oder auch Tagen passiert war. Ich erinnerte mich gerade nach an einen halbwegs normalen Schultag zurück, nachdem wir Dante mehr oder weniger unter Kontrolle gebracht hatten. Nachdem er sich ein wenig besser benommen hatte und ich schon meine Hoffnungen schürte, dass er sich ändern wollte. Und seine Rache vergaß.

Nun konnte ich seine rachsüchtige Gier jedoch nachvollziehen. Wenn seinem Rudel, wenn seiner Familie etwas Ähnliches zugestoßen war, dann waren seine hasserfüllten Gefühle echt und tief verwurzelt. Ich wusste wirklich nicht, was ich jetzt unternehmen sollte. Kämpfen? Für wen und für welchen Zweck? Meine Freiheit war mir genommen worden, Ian war ebenfalls gebändigt und der Rest meiner Familie in Gefangenschaft. Was auch immer sie mit Dante, der bereits einige ihrer Jäger verletzt hatte, anstellten, wollte ich mir gar nicht erst ausmalen.

Doch ich schweifte ab und vergaß, dass ich in Sams Bett lag und er sich immer noch über mich beugte. Hektisch rollte ich mich zu einer Kugel zusammen, die Knie an die Brust und die Arme um die Beine geschlungen.

„Du kannst das Bett haben", erwähnte er beiläufig und entfernte sich von mir. „Ich schlafe heute ausnahmsweise auf dem Boden."

Ausnahmsweise? Was hatte das schon wieder zu bedeuten? Ich zweifelte daran, dass es normal für Jäger und Werwolf war, gemeinsam in einem Bett zu schlafen, aber ich war froh darüber, dass wir es nicht taten. Und darüber, dass ich nicht auf dem Boden liegen musste.

In dieser Nacht fand ich allerdings nicht einmal in dem weichen Bett etwas Schlaf. Ich wollte meine Familie suchen und sie – sofern es mir möglich war – befreien. Aber das würde so nicht funktionieren, das war mir klar und dennoch konnte ich an nichts anderes denken. Ich wollte zu ihnen. Ich musste zu ihnen.

Mein schläfriger Blick wanderte immer wieder zu Sam, der sich an die Wand gelehnt und im Sitzen eingeschlafen war. Er fürchtete sich also tatsächlich nicht vor mir. Kein Wunder, nachdem mein Schlag so nach hinten losgegangen war. Also verhinderte das Zeichen, das sich in meinen Hals eingebrannt hatte, dass ich ihn verletzte. Wie praktisch für ihn.

Ich biss mir auf die Unterlippe, damit mich der Schmerz von meiner Trauer und Angst ablenkte. Wie sollte ich hier nur überleben? Meine beste Chance schien Sam zu sein, so ungern ich es auch zugeben mochte. So oder so, ihm könnte tatsächlich etwas daran liegen, mich zu beschützen, nachdem ich ihm vor Augen führen konnte, dass Werwölfe nicht die grausamen Bestien waren, für die uns die Jäger und Menschen hielte. Oder aber ich verrannte mich total und würde mich auf einer Jagd wiederfinden, auf der ich nicht die Beute war, sondern meinesgleichen hinterherjagen müsste.

„Schlaf endlich", hörte ich Sams Stimme plötzlich und zuckte heftig zusammen. Seine grünen Irden blitzen mich an und das erste Mal spürte ich seinen Befehl. Ich spürte, wie diese Verbindung zwischen uns mich in den Schlaf zwingen wollte.

Mit Tränen in den Augen schüttelte ich meinen Kopf, machte mich kleiner und verschwand bis zu den Augen unter der Decke. Schritte näherten sich, aber ich wagte es nicht, meine Augen zu öffnen. „Schlaf", forderte Sam abermals. Die Matratze sank ein Stückchen ab und etwas legte sich auf die Decke und damit auch auf meine Schulter. „Morgen wird ein anstrengender Tag."

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Was könnte Mina nur am nächsten Tag erwarten?

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